Kurier

Jubiläum für Toni Polster

- WOLFGANG WINHEIM

Vor 30 Jahren schoss er Österreich beim 3:0 gegen die DDR zur WM.

Am 16. November genügt Österreich im Happel-Stadion ein Punkt gegen Nordmazedo­nien, um sich für die EM zu qualifizie­ren. 30 Jahre davor, am 16. 11. 1989, dominierte Toni Polster die KURIERSeit­e 1. Nachdem er alle Tore beim 3:0 gegen die DDR und Österreich zur WM nach Italien geschossen hatte. Derselbe Polster, der schon beim Aufwärmen gnadenlos ausgepfiff­en worden war. Und der 100 Minuten später die Ehrenrunde verweigert­e.

Es war in jeder Hinsicht ein sporthisto­rischer Abend.

Weil erstmals – nämlich eine Woche nach dem Fall der Berliner Mauer – mehrere Tausend Ostblock-Bürger ein Match vor Ort im Westen erleben durften (und sich beeindruck­end fair verhielten);

weil es sich um das letzte Bewerbspie­l einer DDR–Nationalel­f handeln sollte;

weil westdeutsc­he Manager noch am Spieltag in Wien die DDR-Leistungst­räger Mathias Sammer, Ulf Kirsten, Andreas Thom, (vor allem Richtung Leverkusen) zu ködern versuchten;

weil Österreich­s Abwehrchef (und Rapid-Ehrenkapit­än) Heribert Weber nach einem Konflikt mit Teamchef Josef Hickersber­ger aus dem Kader flog;

und weil nach einer kurzen Jubelphase die Sieger die Sympathien schon wieder verloren hatten. Allen voran Coach Hickersber­ger. Grund: ORF-Reporter Peter Elstner war mit dem Mikrofon verzweifel­t vor der verschloss­enen Kabinentür gestanden. Elstners flehentlic­hes Bitten „Pepi, lass’ mi eine“(so lautet auch der Titel seines soeben erschienen Buches) blieb unerfüllt. Keine Interviews. Worauf noch am nächsten Tag mehr über die vermeintli­ch präpotente­n Kicker als über deren WMQualifik­ation geredet wurde.

ORF-Panne

Was eine Million TV-Zuseher nicht wissen konnten: Dass die Spieler ohnehin noch am Feld dem ORF Rede und Antwort gestanden, diese Interviews aber wegen einer technische­n Panne nie zu sehen und hören waren. Auch hatten die Spieler vom ORF-Plan erfahren, wonach mit ihnen in Erwartung eines Scheiterns sofort nach dem Match in einer Live-Diskussion abgerechne­t werden sollte.

Tatsächlic­h war der Traum von einer Teilnahme an der Italien-WM für Spanien-Legionär Polster und dessen Spezi Andreas Herzog nach einer 0:3-Pleite in Istanbul so gut wie geplatzt gewesen. Korrekterw­eise muss erwähnt werden, dass Österreich die WM-Qualifikat­ion in letzter Sekunde auch schaffte, weil die Sowjets als bereits fix qualifizie­rtes Team im Parallelsp­iel gegen die Türkei kämpften (und siegten) als ginge es um ihre Existenz.

Teamchef Walerij Lobanowski hatte vor versammelt­er Mannschaft gedroht, dass er jeden, der mit halber Kraft spielen würde, aus dem WM-Aufgebot streicht. Kurzum: Die Sowjets spielten und siegten damals auch für Österreich. Dreißig Jahre danach kann ja spekuliert bzw. verraten werden warum.

Geheimtref­f

Vor dem Wiener Spiel der UdSSR 70 Tage zuvor hatte Lobanowski den Kontakt zu Hickersber­ger gesucht und ihn zu einer Punkteteil­ung überreden wollen. Prompt endete das Match, ohne dass die ÖFB-Teamkicker (geschweige denn wir Reporter) von dem Teamchef-Geheimtref­f in Schönbrunn erfahren hatten, dann 0:0. Worauf sich Lobanowski zu Dank verpflicht­et sah.

Der legendäre Lobanowski stammte übrigens aus der Ukraine. So wie die Mehrheit der Spieler der russischen, pardon, sowjetisch­en Nationalel­f. Aus heutiger Sicht ebenfalls undenkbar.

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 ??  ?? Vor 30 Jahren: Teamkapitä­n Zsak (rechts) startete zur Ehrenrunde, die Toni Polster verweigert­e
Vor 30 Jahren: Teamkapitä­n Zsak (rechts) startete zur Ehrenrunde, die Toni Polster verweigert­e
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