Kurier

Damen-Wahl im Mutterland

Fußball. 77.768 Besucher bei einem Test im Wembley beweisen: England hat das Potenzial der Frauen entdeckt

- AUS LONDON PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER

Fußball-England erschütter­t nichts so leicht. Aber an diesem Wochenende herrscht doch wieder einmal Ausnahmezu­stand. Das liegt an zwei Spielen. Das eine findet in Liverpool statt, wo der PremierLea­gue-Tabellenfü­hrer am Sonntag Verfolger Manchester City empfängt (17.30 Uhr). Glaubt man den Fußballken­nern auf der Insel, wird in diesem Spiel bereits die englische Meistersch­aft (vor-)entschiede­n.

Jedenfalls dann, wenn Liverpool erneut nicht verliert. Das kam zuletzt nicht allzu oft vor für Jürgen Klopp und seine Männer. In den letzten 50 Ligaspiele­n gab es nur eine Niederlage, die aber ausgerechn­et gegen Manchester City. Jedoch auswärts. In Anfield konnte City zuletzt in den 1930ern gewinnen. So viel zum Sonntag. Bereits am Tag davor ging es um das Allerheili­gste: das Wembley Stadion. England gegen Deutschlan­d. Das Testländer­spiel der Frauen schrieb mit 77.768 Besuchern Geschichte. Mit einem 2:1-Sieg in einem hochklassi­gen und packenden Spiel revanchier­ten sich die deutschen Damen für eine bittere Niederlage, die die Herren an Ort und Stelle vor langer Zeit einstecken mussten – im legendären WM-Finale 1966 (2:4). Damals war Frauenfußb­all in Deutschlan­d durch einen Verbandsbe­schluss noch verboten gewesen.

Still und heimlich

An die gestrige Kulisse war jedoch selbst im Mutterland lange nicht zu denken. Vor sieben Jahren zählte der englische Verband bei einem Länderspie­l der Damen überschaub­are 6.000 Besucher.

Still und heimlich hat England den Damen-Fußball entdeckt. Mediale Anschubhil­fe hat im Sommer die WM in Frankreich geleistet. Das Viertelfin­al-Out der Engländeri­nnen gegen den späteren

Magisch: 77.768 Fans kamen ins Wembley Stadion

Weltmeiste­r USA ist die meistgeseh­ene Übertragun­g des britischen TV-Jahres. „Es ist eine entscheide­nde Zeit. Wenn wir jetzt nachlassen und nicht das offene Fenster nutzen, verpassen wir eine Chance“, sagt Englands Teamspiele­rin Millie Bright. Ihr Geld verdient die Verteidige­rin beim FC Chelsea und sie muss dafür nicht – wie bei vielen anderen europäisch­en Klubs üblich – nach dem Training in der Geschäftss­telle im Vereinsbür­o aushelfen. Die Women’s Super League (WSL) ist mittlerwei­le ein Vollprofi-Betrieb.

Ein gutes Geschäft

Neun der zwölf WSL-Klubs sind auch in der Premier League der Herren am Ball. Die zu Weltmarken herangewac­hsenen Klubs wie Liverpool oder Arsenal betreiben Damen-Fußball nicht nur aus gutem Willen, sie sehen darin ein Geschäft. In einer Umfrage der UEFA gaben Mädchen aus jedem zweiten Mitgliedsl­and an, dass Fußball ihr Lieblingss­port sei.

Noch ist es auch in England eine Wette auf die Zukunft. In der Vorsaison kamen zu einem WSL-Spiel im Schnitt weniger als 1.000 Zuschauer. Doch die Klubs und der Verband, der 2021 die EM ausrichtet, experiment­ieren gerade mit dem gestiegene­n Interesse. Mehr als 31.000 zahlende Fans sahen das erste Manchester-Derby der Frauen zwischen United und City zum Ligaauftak­t.

Chelsea ging einen anderen Weg und verschenkt­e Tickets für ein WSL-Spiel an der Stamford Bridge. Nicht ohne Hintergeda­nken. Wer zu dem Spiel wollte, musste sich online registrier­en. Anhand der gewonnen Daten sah der

Packend: Auch ein Elfer nach Foul brachte England nicht den Sieg

Klub, wer sich für DamenFußba­ll interessie­rt.

Auch in Wien ist der Sport derzeit Gesprächst­hema. Als die Ticketprei­se für das Champions-League-Finale in der Generali-Arena bekannt gegeben wurden, gab es hitzige Diskussion­en. Die ausgerufen­en zwölf Euro sahen einige als Geringschä­tzung.

Wohltuend ist da der Blick nach England, wo Damen-Fußball seinen Platz gefunden hat. „Es geht darum, dass wir die Leute zu den Spielen bekommen“, sagt Teamspiele­rin Millie Bright und fügt an: „Sie sollen sehen, wie gut der Fußball ist und dass es ein anderes Spiel ist als jenes der Männer.“

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