Damen-Wahl im Mutterland
Fußball. 77.768 Besucher bei einem Test im Wembley beweisen: England hat das Potenzial der Frauen entdeckt
Fußball-England erschüttert nichts so leicht. Aber an diesem Wochenende herrscht doch wieder einmal Ausnahmezustand. Das liegt an zwei Spielen. Das eine findet in Liverpool statt, wo der PremierLeague-Tabellenführer am Sonntag Verfolger Manchester City empfängt (17.30 Uhr). Glaubt man den Fußballkennern auf der Insel, wird in diesem Spiel bereits die englische Meisterschaft (vor-)entschieden.
Jedenfalls dann, wenn Liverpool erneut nicht verliert. Das kam zuletzt nicht allzu oft vor für Jürgen Klopp und seine Männer. In den letzten 50 Ligaspielen gab es nur eine Niederlage, die aber ausgerechnet gegen Manchester City. Jedoch auswärts. In Anfield konnte City zuletzt in den 1930ern gewinnen. So viel zum Sonntag. Bereits am Tag davor ging es um das Allerheiligste: das Wembley Stadion. England gegen Deutschland. Das Testländerspiel der Frauen schrieb mit 77.768 Besuchern Geschichte. Mit einem 2:1-Sieg in einem hochklassigen und packenden Spiel revanchierten sich die deutschen Damen für eine bittere Niederlage, die die Herren an Ort und Stelle vor langer Zeit einstecken mussten – im legendären WM-Finale 1966 (2:4). Damals war Frauenfußball in Deutschland durch einen Verbandsbeschluss noch verboten gewesen.
Still und heimlich
An die gestrige Kulisse war jedoch selbst im Mutterland lange nicht zu denken. Vor sieben Jahren zählte der englische Verband bei einem Länderspiel der Damen überschaubare 6.000 Besucher.
Still und heimlich hat England den Damen-Fußball entdeckt. Mediale Anschubhilfe hat im Sommer die WM in Frankreich geleistet. Das Viertelfinal-Out der Engländerinnen gegen den späteren
Magisch: 77.768 Fans kamen ins Wembley Stadion
Weltmeister USA ist die meistgesehene Übertragung des britischen TV-Jahres. „Es ist eine entscheidende Zeit. Wenn wir jetzt nachlassen und nicht das offene Fenster nutzen, verpassen wir eine Chance“, sagt Englands Teamspielerin Millie Bright. Ihr Geld verdient die Verteidigerin beim FC Chelsea und sie muss dafür nicht – wie bei vielen anderen europäischen Klubs üblich – nach dem Training in der Geschäftsstelle im Vereinsbüro aushelfen. Die Women’s Super League (WSL) ist mittlerweile ein Vollprofi-Betrieb.
Ein gutes Geschäft
Neun der zwölf WSL-Klubs sind auch in der Premier League der Herren am Ball. Die zu Weltmarken herangewachsenen Klubs wie Liverpool oder Arsenal betreiben Damen-Fußball nicht nur aus gutem Willen, sie sehen darin ein Geschäft. In einer Umfrage der UEFA gaben Mädchen aus jedem zweiten Mitgliedsland an, dass Fußball ihr Lieblingssport sei.
Noch ist es auch in England eine Wette auf die Zukunft. In der Vorsaison kamen zu einem WSL-Spiel im Schnitt weniger als 1.000 Zuschauer. Doch die Klubs und der Verband, der 2021 die EM ausrichtet, experimentieren gerade mit dem gestiegenen Interesse. Mehr als 31.000 zahlende Fans sahen das erste Manchester-Derby der Frauen zwischen United und City zum Ligaauftakt.
Chelsea ging einen anderen Weg und verschenkte Tickets für ein WSL-Spiel an der Stamford Bridge. Nicht ohne Hintergedanken. Wer zu dem Spiel wollte, musste sich online registrieren. Anhand der gewonnen Daten sah der
Packend: Auch ein Elfer nach Foul brachte England nicht den Sieg
Klub, wer sich für DamenFußball interessiert.
Auch in Wien ist der Sport derzeit Gesprächsthema. Als die Ticketpreise für das Champions-League-Finale in der Generali-Arena bekannt gegeben wurden, gab es hitzige Diskussionen. Die ausgerufenen zwölf Euro sahen einige als Geringschätzung.
Wohltuend ist da der Blick nach England, wo Damen-Fußball seinen Platz gefunden hat. „Es geht darum, dass wir die Leute zu den Spielen bekommen“, sagt Teamspielerin Millie Bright und fügt an: „Sie sollen sehen, wie gut der Fußball ist und dass es ein anderes Spiel ist als jenes der Männer.“