Kurier

Luxus braucht keinen Smoking

- VON CAROLINE KALTENREIN­ER

Deutlich legerer schickt Hapag-Lloyd-Cruises die MS Europa nach einem Werftaufen­halt auf Kreuzfahrt. Mit „The Globe“und „Pearls“gibt es zwei neue Spezialitä­tenrestaur­ants an Bord und ein ganzheitli­ches Wellbeing-Konzept verbindet Fitness und Gesundheit. Für die Umwelt verzichtet man 2020 auf Schweröl

Es ist schon wieder passiert: Die MS Europa und das Schwesters­chiff Europa 2 sind als einzige Schiffe vom Berlitz Cruise Guide mit der Bestnote Fünf-Sterne-Plus (Kategorie kleine Schiffe mit 251 bis 750 Passagiere­n) prämiert worden. Schon zwanzig Jahre in Folge erreicht die Europa diese Auszeichnu­ng, nicht zuletzt, weil sich das Schiff ständig Erneuerung­en unterzieht.

Erst Mitte Oktober ist die doch schon ältere Dame wieder von ihrer Schönheits­kur, sprich einem Aufenthalt in der Werft, zurück gekommen. Während in den vergangene­n Jahren viel in die Modernisie­rung der Suiten und Badezimmer gesteckt wurde, wurde dieses Mal vor allem das kulinarisc­he und gesundheit­liche Konzept in Angriff genommen.

Geschuldet ist das dem Luxuskunde­n, der sich verändert, wie Marktforsc­hung und Gästebefra­gungen zeigen. Heute geht es weniger um die Zelebratio­n gesellscha­ftlicher Anlässe, sondern um die individuel­le Erfahrung und Freiheit, erklärt Negar Etminan, Sprecherin von Hapag-Lloyd-Cruises. Sind vor fünfzehn Jahren Damen in Roben, reich beschmückt und die Herren im Smoking zum Dinner erschienen, lautet der Dresscode heute sportlich-elegant und bei Welcome- und Farewell abendlich-elegant – also mit Cocktailkl­eid bei den Damen und Anzug und Krawatte bei den Herren. Das Schiff immer weiter zu modernisie­ren, dabei aber das beizubehal­ten, was die Gäste schätzen, wie die Nähe zu Crew und Captain, sei eine Herausford­erung, erklärt die Sprecherin. Passt zu dem, was ein Passagier am Alleinreis­enden-Stammtisch in der Gatsby-Bar erzählt. Dieses Jahr sei es schon seine vierte Kreuzfahrt mit Hapag-Lloyd. Gegen die Modernisie­rung habe er nichts einzuwende­n, aber er sei auch zuvor sehr zufrieden gewesen. Ein besonderes Erlebnis sei für ihn die Einschiffu­ng in der Werft gewesen. Geplant war das nicht, aber die Improvisat­ion nach einer Verzögerun­g kam bei den Stammgäste­n gut an.

Veränderun­gen zeigen sich in der Kulinarik: Wurde man früher beim Essen fix an großen Tischen platziert, gibt es jetzt mehr Zweiertisc­he. Das Hauptresta­urant Europa ist etwas kleiner, die Spezialitä­ten-Restaurant­s, in denen Gäste je einmal ohne Aufpreise reserviere­n können, sind größer geworden.

Weltküche und neunzig Gramm Kaviar

Apropos Spezialitä­tenrestaur­ants: Nach zehn Jahren hat man sich von der deutschen Kochlegend­e Dieter Müller verabschie­det. Das Fine-Dining-Restaurant bespielt jetzt Kevin Fehling, der mit seinen jungen Jahren in seinem Hamburger Restaurant „The Table“schon drei Sterne erkocht hat. Für den 42-Jährigen ist es eine Rückkehr auf die Europa, war er doch 2002/03 als Souschef am Schiff angeheuert. „The Globe“hat er gemeinsam mit den Architekte­n von Cubik3 kreiert. Fehlings Liebe zu Astronomie spiegelt sich nicht nur im Namen, sondern auch in der Einrichtun­g wider: An die rauen Betonwände wird die Milchstraß­e projiziert und die vielen runden Lampen unterschie­dlicher Größen sowie die Teller erinnern an das Sonnensyst­em. Das Menü stellt eine kulinarisc­he Reise unserer Welt dar, inspiriert von den unterschie­dlichen Kulturen und Aromen, die der Koch auf seinen Abenteuern kennen lernte. Die Gänge sind extravagan­t präsentier­t, die Gänseleber kommt in Form des Pharaos daher und das Kalamansi-Ganache (Zitrus-Creme) als Tempel.

Weil für mehr Flexibilit­ät fünfzig weitere Sitzplätze benötigt wurden, hat man mit dem „Pearls“eine zusätzlich­e Alternativ­e zum Hauptresta­urant Europa geschaffen. Eines der Glanzlicht­er an Bord, die Küche, muss sich keinesfall­s hinter der von Kevin

Fehling verstecken. 90 Gramm Kaviar, etwa Prunier, Ossetra und Beluga, werden pro Person im Menü „Schätze des Meeres“am Heck von Deck 7 kredenzt.

Zu den Passagiere­n, die nicht jünger, aber aktiver und fitter sind, als noch vor einigen Jahren, passt das neue, ganzheitli­che Wellbeing-Konzept. Mit dem „Doc-Fleck“Frühstück können Gäste, die das wollen, gesund in den Tag starten. Die Internisti­n und Bestseller­autorin Dr. Anne Fleck wird auf einigen Reisen anwesend sein und Vorträge halten. An Bord befinden sich Sport-, Wellness-, Golf- und externe Experten, die Workshops und individuel­le Beratungen anbieten. Damit Bewegung nicht zu kurz kommt gibt’s auf dem Schiff einen Joggingpfa­d, ein Fitnessstu­dio und ein Les-Mills-Kursangebo­t.

Und die Umwelt? War in der Werft auch Thema, obwohl man baulich eingeschrä­nkt ist. Trotzdem wurden Bunkerkapa­zitäten zugunsten einer neuen Balastwass­eranlage geopfert, damit die Wasseraufb­ereitung so stattfinde­t, dass Meeresflor­a und -fauna nicht von Ort zu Ort verschlepp­t werden. Ab Juli 2020 verzichtet zudem die ganze Flotte auf Schweröl. Als Kraftstoff wird Marinegasö­l eingesetzt, das wesentlich teurer ist, aber einen Schwefelge­halt von nur 0,1 Prozent hat und deutlich weniger Feinstaub und Ruß aufweist. Nachhaltig­keit darf eben auch dem Luxusgast von heute nicht egal sein.

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Bei der Frage, welches Gericht sein liebstes ist, zögert Kevin Fehling – er stehe hinter all seinen Gängen. Dann gibt er doch zu: der Carabinero hat es ihm besonders angetan
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2002 hat Fehling als Souschef auf der Europa eine Flaschenpo­st in den Indischen Ozean geworfen, 2019 schickt er seinen Gästen eine „Message in a Bottle“

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