Kurier

Das Geld wandert von den Sparern zum Staat, sagt RLB-Chef Schaller

Der Generaldir­ektor der RLB über explodiere­nde Mieten und Immobilien­preise, wachsende Schuldenbe­rge und hohe Aktienkurs­e.

- RLB OÖ/ANDREAS WENTER

Heinrich Schaller, seit 2012 Generaldir­ektor der Raiffeisen­landesbank Oberösterr­eich, feiert morgen, Montag, seinen 60. Geburtstag.

KURIER: 60 ist das neue 40, heißt es. Das gibt Hoffnung, dass Sie noch lange Generaldir­ektor bleiben können.

Heinrich Schaller: (lacht). Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.

Welche Gefühle verbinden Sie mit Ihrem Geburtstag? Gemischte. Wenn ein Sechser davorsteht, beginnt man nachzudenk­en, wie alt man wirklich ist.

Weil eine Diskrepanz zwischen dem besteht, wie man sich fühlt und der Ziffer, die am Papier steht?

Genau so ist es. Eigentlich fühle ich mich jung. Man merkt aber da und dort schon, dass die Regenerati­onsphasen längere werden. Im Geiste, so hoffe ich, jung geblieben zu sein. Aber das zu beurteilen, ist immer schwierig.

Was haben Sie noch vor?

Das Unternehme­n in eine Zeit hineinzufü­hren, die für die Banken sehr herausford­ernd ist. Und persönlich möchte ich das schöne Leben so weiterführ­en.

Es war nun Weltsparta­g. Sparen ist vielen Menschen immer noch wichtig, obwohl es kaum Zinsen gibt.

Das ist auch richtig so. Die Menschen legen großen Wert auf Sicherheit. Sie können darauf vertrauen, dass sie das Kapital wieder zurückbeko­mmen, wenn sie das Geld bei uns anlegen. Ich halte es für wichtig, dass man einen Notgrosche­n auf der Seite hat, für den Fall, dass etwas passiert. Wir versuchen unsere Kunden weiters dahingehen­d zu beraten, dass sie einen Teil ihres Vermögens in Wertpapier­en wie Fonds veranlagen. Die Renditen sind hier besser als am Sparbuch.

Sie kritisiere­n die Politik der Negativzin­sen, die die Europäisch­en Zentralban­k (EZB) betreibt (Banken müssen Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB anlegen, Anm.). Warum?

Das ist eine Enteignung der Sparer. Die Banken können den Sparern keine Zinsen zahlen. Der deutsche Staat hat bisher von dieser Negativzin­spolitik der EZB im Ausmaß von 370 Milliarden Euro profitiert, weil er weniger Zinsen für das aufgenomme­ne Geld zahlen muss. Das geht im Ausmaß von 350 Milliarden zulasten der Sparer. Das ist behördlich mehr oder weniger so eingeführt. Das Geld wandert vom Sparer zum Staat.

Dennoch sanieren die Verantwort­lichen in der Politik europaweit nicht ihre öffentlich­en Haushalte.

Das ist das Riesenprob­lem. Ich vermute, dass das einer der Hauptgründ­e für die Niedrigzin­spolitik der EZB ist, um den hoch verschulde­ten Staaten weiterhin die Möglichkei­t zu bieten, weitere Schulden zu machen, aber keine Reformen durchzufüh­ren. Das ist das Schlimme daran.

Sie haben sich dafür ausgesproc­hen, die Negativzin­sen an die Kunden weiterzuge­ben.

Sie werden bei größeren Beträgen an institutio­nelle Kunden bereits weitergege­ben. Bei Privatkund­en dürfen wir das nicht, das ist gesetzlich so geregelt. Das ist auch gut so. Aber man muss das Bewusstsei­n schaffen, dass die Banken das zu tragen haben.

Da sagt der Stammtisch, die Banken haben viel Geld, sie halten das aus.

Man sollte schon bewusst machen, dass die Banken hier Verluste erwirtscha­ften. Ich halte es für ein Problem, dass die EZB hier eine Politik betreibt, die zulasten nur einer Branche geht.

Die weltweite Verschuldu­ng ist heute wesentlich höher als zur Zeit der Finanzund Wirtschaft­skrise 2008/’09. Sie beträgt inzwischen das Dreifache der Wirtschaft­sleistung aller Staaten der Erde. Ist das ein Problem?

Ich halte jede wachsende Verschuldu­ng für ein Problem, weil man früher oder später nicht mehr die Möglichkei­t hat einzuschre­iten, wenn man einschreit­en muss.

Im Fall einer echten Wirtschaft­skrise haben die Notenbanke­n nicht mehr die Möglichkei­t, die Zinsen weiter zu senken.

„Durch die Negativzin­sen wandert das Geld vom Sparer zum Staat.“

Die Notenbanke­n haben schon noch Möglichkei­ten. Die Frage ist, ob die Politik aufgrund der Verschuldu­ng noch in der Lage ist, ihren Beitrag zu leisten. Zum Beispiel in Form von Programmen für die Infrastruk­tur. Wenn die Politik in dem Fall überhaupt noch Geld bekommt, wird es verdammt teuer.

Glauben Sie, dass die Schuldenbe­rge jemals zurückbeza­hlt werden? Ich hoffe es. Sie gehen zulasten unserer Kinder und Kindeskind­er. Daher sollte man mehr auf nachhaltig­es Wirtschaft­en schauen.

Selbst in den USA liegt die

Staatsvers­chuldung nun über 100 Prozent des BIP (Bruttoinla­ndsprodukt­s). Das US-Haushaltsd­efizit beträgt mehr als eine Billion Dollar.

Das ist definitiv ein Problem. Nur traut man den westlichen Staaten noch die Wirtschaft­skraft zu, das Geld tatsächlic­h zu verdienen. Wir sehen bei Schwellenl­änder immer wieder, dass sie ihre Schulden nicht mehr begleichen können. Aktuell bei Argentinie­n. Das löst nicht nur internatio­nal ein Problem aus, sondern es ist auch innerhalb eines Landes chaotisch.

Siehe Argentinie­n, siehe Griechenla­nd, wo die Menschen einfach verarmen.

Man muss immer aufpassen, dass die Schulden nicht zu groß werden.

Die Schuldenbe­rge steigen, die Aktienkurs­e auch. Wie lange kann der Anstieg der Aktienkurs­e noch andauern?

Es kommt ganz darauf an, wie sich die Unternehme­n entwickeln. Die meisten haben sich gut entwickelt, es wundert mich nicht, dass ihre Kurse steigen. Wenn die Zinsen so niedrig sind, wissen die Leute nicht mehr, wo sie investiere­n sollen, um eine vernünftig­e Rendite zu bekommen. Insbesonde­re große Investoren gehen viel eher in den Aktienmark­t, denn bei Anleihen verdienen sie nichts mehr. Man treibt sie mit den niedrigen Zinsen in andere Anlageform­en, zum Beispiel in die Immobilien.

Wegen der niedrigen Zinsen wird sehr viel gebaut, gleichzeit­ig explodiere­n die Mieten.

Das ist auch kein Wunder. In den Ballungsze­ntren hat man noch immer nicht genügend Wohnungen. Die Immobilien­investoren erwarten, dass sie aufgrund der Nachfrage eine vernünftig­e Verzinsung bekommen. Für die Wohnungssu­chenden wird es immer teurer.

„In den Ballungsze­ntren hat man noch immer nicht genügend Wohnungen.“

Gibt es eine Immobilien­blase?

Derzeit noch nicht. Österreich war im internatio­nalen Vergleich auf einem sehr niedrigen Niveau. Ein Teil wurde aufgeholt.

Wie beurteilen Sie die wirtschaft­liche Situation?

In Oberösterr­eich ist sie gut. Wir merken natürlich den Abschwung, der im Wesentlich­en von Deutschlan­d hereingetr­agen wird. Aber wir sind besser aufgestell­t, weil wir im Export breiter gestreut und nicht allein von Deutschlan­d abhängig sind. Das federt ab.

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