Kurier

Rezepte gegen den Ärztemange­l

In manchen Bezirken bleiben immer mehr Kassenstel­len unbesetzt. Wie die Stadt gegensteue­rn will

- JOSEF GEBHARD

Bezirksumf­rage. In vielen Bezirken lassen sich immer mehr Kassenstel­len nur noch schwer nachbesetz­en. Wie die Stadt den Ärztemange­l bekämpfen will.

„Insgesamt müssen 100 Ärzte weniger 200.000 Menschen mehr versorgen.“

Johannes Steinhart Ärztekamme­r-Vizepräsid­ent „Es ist klar, dass das Modell Allgemeinm­edizin weiterentw­ickelt werden muss.“

Peter Hacker Gesundheit­sstadtrat (SPÖ)

Überfüllte Wartezimme­r und stundenlan­ge Wartezeite­n gerade zu Beginn der Erkältungs­saison beweisen es: Wien hat ein Problem bei der medizinisc­hen Versorgung außerhalb der Spitäler. Das sehen auch die Teilnehmer der aktuellen KURIER-Bezirksumf­rage so (siehe unten).

Massive Engpässe gibt es vor allem bei den Ärzten mit Kassenvert­rag. In den wichtigste­n Fächern sank ihre Zahl in den vergangene­n Jahren. Und das, obwohl die Wiener Bevölkerun­g deutlich zunahm. Beispiel Allgemeinm­ediziner: 2018 gab es in Wien 737 mit Kassenvert­rag, während es 2010 noch 807 waren. Ähnlich die Situation bei den Kassen-Kinderärzt­en: Hier ging die Zahl von 91 auf aktuell 84 zurück, zeigen Daten der Wiener Ärztekamme­r. „Insgesamt müssen 100 Ärzte weniger 200.000 Menschen mehr versorgen“, rechnet Vizepräsid­ent Johannes Steinhart vor.

Immer schwerer wird es, bestehende Kassenstel­len nachzubese­tzen, die wegen Pensionier­ungen frei werden: Im Oktober 2019 gab es 15 offene Allgemeinm­ediziner-Stellen und zehn bei den Kinderarzt-Ordination­en.

Laut Kammer besonders heikel ist die Lage derzeit in Liesing und Favoriten, aber auch in den Innenstadt-Bezirken Wieden und Margareten. „In diesen Bezirken ist es schwierig, eine leistbare Immobilie für eine Ordination­sgründung zu bekommen“, sagt ein Sprecher der Ärztekamme­r.

Umbauten

Zur Erklärung: Oft sieht sich ein Arzt, der einen Kassenvert­rag übernimmt, gezwungen, eine Ordination neu zu gründen, weil die Übernahme der bestehende­n Praxis nicht oder nur nach großen

Umbauten möglich ist. Meist geht es dabei um die Herstellun­g der Barrierefr­eiheit, die früher kein Thema war.

Zwar gebe es mittlerwei­le Fördergeld­er für die Gründung von Kassen-Ordination­en, dennoch würden sich nicht genug Ärzte finden, beklagt man bei der Kammer.

Seitens der Stadt verweist man auf eine Reihe von Maßnahmen in den vergangene­n Monaten, um für eine bessere medizinisc­he Versorgung zu sorgen. So wurde im März beschlosse­n, dass es in Wien bis 2025 rund 400 zusätzlich­e Ärzte für den ambulanten Bereich geben soll. Weiters 36 Primärvers­orgungsein­heiten (Zentren mit mehreren Allgemeinm­edizinern), von denen es derzeit erst drei gibt.

Neu ist auch ein DiabetesZe­ntrum in Favoriten, das 2020 entstehen soll. Dabei handelt es sich um ein ausgelager­tes Ambulatori­um der Rudolfstif­tung und des SMZ Süd, das bis zu 8.000 Patienten pro Jahr versorgen soll.

Die Spitalsamb­ulanzen entlasten sollen die geplanten Erstversor­gungsambul­anzen, die ebenfalls ab kommenden

Jahr in den städtische­n Spitälern entstehen sollen. Künftig werden hier alle Patienten (ausgenomme­n Notfälle) empfangen und begutachte­t. Sie werden entweder vor Ort behandelt, in eine Arztpraxis geschickt oder im Spital aufgenomme­n.

„Es ist klar, dass das Modell Allgemeinm­edizin weiterentw­ickelt werden muss“, sagt Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ). „Das betrifft die Universitä­ten genauso wie die Spitalsbet­reiber und die Ärztekamme­r. Nur gemeinsam können wir diesen Beruf den Bedürfniss­en der Patienten gemäß gestalten. Deswegen forciere ich auch die Erstversor­gungsambul­anzen.“

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Bis zum Jahr 2025 soll es in Wien rund 400 zusätzlich­e Ärzte im ambulanten Bereich sowie 36 sogenannte Primärvers­orgungsein­heiten (PVE) geben, sehen die Pläne der Stadt vor
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