Kurier

Die Linke muss sich ihre Arbeiter neu suchen

- VON KONRAD KRAMAR

Hier sitzen sie in Regierungs­verhandlun­gen mit den Konservati­ven, dort eilen sie von einem Wahlerfolg zum Nächsten. In Österreich und Deutschlan­d etablieren sich zurzeit die Grünen als die Stimme links der Mitte. Die Sozialdemo­kratie sucht verzweifel­t ihre Rolle und ihre Wähler. Bei den Grünen allerdings wird sie diese nur zum geringen Teil finden. Zwar wählen liberale, sozial bewusste Bürger in Zeiten, in denen christlich­soziale Parteien gerne ihre christlich­sozialen Wurzeln verkümmern lassen, auch einmal links der Mitte. Ihre tragende Rolle aber bekommt die Sozialdemo­kratie nicht zurück, auch wenn sie mit den Grünen um diese Stimmen rittert.

Eine Sozialdemo­kratie muss sich auch heute auf die Stimmen der Arbeiter stützen – und dazu muss sie die erst einmal finden und ansprechen. Denn die Arbeiterkl­asse sitzt heute weniger denn je in Großbetrie­ben mit gewerkscha­ftlich gut abgesicher­ten Verträgen. Nein, sie steht als Scheinselb­stständige­r auf dem Bau, als Leiharbeit­er in der Lagerhalle eines US-Giganten wie Amazon, liefert Pizza auf dem Fahrrad oder pflegt alte Menschen. Diese neue Arbeiterkl­asse ist schlecht gewerkscha­ftlich organisier­t, sie definiert sich nicht als Gruppe und sie hat – obwohl ohne sie unsere Wirtschaft und Gesellscha­ft nicht funktionie­ren würden – oft als Ausländer kein Wahlrecht.

Das macht sie für politische Parteien und Gewerkscha­ften zum schwierige­n Ansprechpa­rtner, doch das war in den Anfangszei­ten der Sozialdemo­kratie nicht anders. Für diese neuen Arbeiter muss sie sich stark machen. Sie werden es ihr als Wähler danken, mehr als jene sozial immer noch gut abgesicher­ten Arbeiter, die ihre Rechte schwinden – und Zuwanderer als ihre Feinde sehen und daher längst bei den Rechtspopu­listen sind.

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