Kurier

Wahl 2019: Warum dann doch noch gewählt wurde

Hintergrun­d. Neues Buch zum Wahlkampf

- CHRISTIAN BÖHMER

Es ist mittlerwei­le fast schon eine Tradition: Wenige Wochen nach einer Nationalra­tswahl präsentier­en Thomas Hofer und Barbara Tóth als Herausgebe­r einen Sammelband, in dem Partei-Manager, Wissenscha­fter und Journalist­en Analysen und Nachbetrac­htungen zur Wahl-Auseinande­rsetzung liefern. Hofer und Tóth tun dies seit 2006. Und ihre aktuelle Publikatio­n „Wahl 2019“(Ecowin Verlag, 24 Euro) ist nicht nur die erste, sondern zweifelsoh­ne auch eine der ergiebigst­en Publikatio­nen, die für politikaff­ine Leser zu haben sind.

Was also macht den Band lesenswert?

Zu den spannendst­en Beiträgen gehört jener von Co-Herausgebe­r Hofer. Der frühere Journalist und Politik-Berater

hat minutiös recherchie­rt, was genau am 17. Mai in der Bundesregi­erung – oder genauer: in der Kanzler-Mannschaft der ÖVP – passiert ist.

Der 17. Mai war jener Tag, an dem das Ibiza-Video publik wurde.

Und entgegen der landläufig­en Meinung war es für die Volksparte­i nicht vom ersten Moment an völlig klar, dass die Koalition am Ende ist und Neuwahlen unausweich­lich sind.

Ängste im ÖVP-Team

So erklärt Hofer, dass die ÖVP an nämlichem Abend gravierend­e Sorgen plagten: Wie würde es die Bevölkerun­g wohl aufnehmen, wenn man eine derart beliebte Koalition beendet?

Würde sie dies nicht auch dem Kanzler, also Sebastian Kurz, anlasten?

Und: Was würden die Menschen dazu sagen, dass nach eineinhalb Jahren schon wieder eine Nationalra­tswahl zu bestreiten ist?

Hofer erzählt im Detail, wer von Kurz’ Beratern welche Position eingenomme­n hat. Ein Auszug: „Einer der wichtigste­n Mitstreite­r des Kanzlers, Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka, erprobt in vielen politische­n

Auseinande­rsetzungen und von Kurz 2017 in der rotschwarz­en Regierung erfolgreic­h als destabilis­ierende Speerspitz­e gegen den entscheidu­ngsschwach­en Kanzler Christian Kern (SPÖ) verwendet, sprach sich erst gegen den Bruch der Regierung aus. Für den klaren Schnitt argumentie­rten intern früh Kanzleramt­sminister und ÖVP-Regierungs­koordinato­r Gernot Blümel und dann auch der Kampagnene­xperte des Kanzlers, Philipp Maderthane­r.“

Einen spannenden Beitrag liefert in dem Sammelband auch Franz Sommer: Der erfahrene Demoskop erstellt ein detaillier­tes Bild der Meinungsla­ge während der gesamten Wahl-Auseinande­rsetzung und liefert einige überrasche­nde Erkenntnis­se.

Eine Abwahl als Fehler

So hat die Abwahl von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz die SPÖ offenbar nachhaltig beschädigt. Wie Sommer ausführt, waren 58 Prozent der Österreich­er mit der Arbeit der Bundesregi­erung zufrieden; nicht zuletzt deshalb wurde die Abwahl von Regierungs­chef Kurz mehrheitli­ch mit Unverständ­nis aufgenomme­n.

Laut Sommer war Sebastian Kurz mit einer beispiello­sen Strahlkraf­t ausgestatt­et: Unter allen Befragten, die eine Partei vor allem wegen des Spitzenkan­didaten gewählt haben, sagten 75 Prozent, dass sie die ÖVP gewählt hätten.

Wichtig war zudem: Für ÖVP- und FPÖ-Wähler blieben die Themen Asyl und Zuwanderun­g bestimmend – und das, obwohl sie in diesem Nationalra­tswahlkamp­f keine herausrage­nde Rolle gespielt haben.

So stimmten immerhin 63 Prozent aller ÖVP-Wähler der Aussage zu, dass „die Folgen der Flüchtling­skrise weiterhin für ernste Probleme sorgen“. Und satte 68 Prozent aller Befragten glauben, dass es „jederzeit wieder zu einem Anstieg der Flüchtling­szahlen kommen kann“.

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Hofer: Die Neuwahl war am Abend des Ibiza-Videos für die ÖVP noch keine ausgemacht­e Sache
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Neu: Hofer/Tóth, Wahl 2019, Ecowin

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