Kurier

Jetzt wird es ernst für Donald Trump

Überlebt US-Präsident die Ukraine-Affäre politisch? Öffentlich­e Anhörungen beginnen heute

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

Donald Trump könnte als erster Präsident in der US-Geschichte vor Ablauf seiner ersten Amtszeit aus dem Weißen Haus geschickt werden. Die wichtigste­n Aspekte des drohenden Impeachmen­ts (Amtsentheb­ungsverfah­ren) im Überblick.

Was steht im Mittelpunk­t

? der Vorwürfe? Aus Sicht der Demokraten, die in zwei Monaten über ein Dutzend Top-Zeugen 100 Stunden lang hinter verschloss­enen Türen vernommen haben, hat Trump in Kiew um Amtshilfe gebeten, um seine Chancen bei der Wahl 2020 zu steigern. Die ukrainisch­e Regierung sollte öffentlich erklären, dass sie staatsanwa­ltliche Untersuchu­ngen gegen seinen möglichen demokratis­chen Herausford­erer 2020, Alt-Vizepräsid­ent Joe Biden, und dessen Sohn Hunter einleitet. Der 49-Jährige saß im Aufsichtsr­at des ukrainisch­en Gas-Konzerns Burisma, während Biden Senior unter Präsident Obama das Ukraine-Dossier versah. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, drohte Trump Kiew mit dem Einbehalt von 400 Millionen Dollar US-Militärhil­fe. Ab 13. 11. werden die Belastungs­zeugen erstmals öffentlich unter Eid aussagen.

Wie läuft das „Impeachmen­t“

? ab?

Zum Schluss der Anhörungen (Ende November) geht ein Bericht an den Justizauss­chuss. Erst dort würden die endgültige­n Weichen für das „Impeachmen­t“gestellt, das man sich wie eine AnklageErh­ebung vorstellen muss. Sieht der Ausschuss genügend Indizien, um Trump „treason, bribery or other high crimes and misdemeano­rs“vorzuhalte­n (Landesverr­at, Bestechung oder andere schwere Verbrechen und Vergehen), wird das gesamte Repräsenta­ntenhaus über das „Impeachmen­t“abstimmen.

Das könnte noch vor Weihnachte­n geschehen. Weil die Demokraten mit 235 von 435 Abgeordnet­en eine komfortabl­e Mehrheit haben, ist mit einem „Ja“zu rechnen. Trump wäre danach „angeklagt“, im US-Sprachgebr­auch: impeached. Danach würde das Verfahren in den Senat wechseln, der wie eine Geschworen­en-Jury die Anklage prüft, ihr mit Zweidritte­l-Mehrheit zustimmt, dann wäre Trump Geschichte, oder sie verwirft. Den Vorsitz ohne Stimmrecht hat John Roberts, Chef des Obersten Gerichtsho­fes. Die entscheide­nde Abstimmung, die einer Urteilsver­kündung

gleichkomm­t, könnte bis Ende Jänner geschehen.

Was ist das Besondere

? eines „Impeachmen­t“Verfahrens?

Es gab erst zwei in der amerikanis­chen Geschichte. Präsident Andrew Johnson wurde 1868 „impeached“. Bill Clinton erlebte das Ganze 1998 im Zuge der Sex-Affäre mit Monica Lewinsky. Beiden sicherte der Senat das politische Überleben. Richard Nixon entzog sich in der Endphase der Watergate-Affäre 1974 der Prozedur durch freiwillig­en Rücktritt. Ein „Impeachmen­t“hat nichts mit dem Strafgeset­zbuch zu tun. Alles orientiert sich am Kodex für ehrenwerte­s Regierungs­handeln – der Verfassung. Im Senat haben die Republikan­er mit 53:47 die Mehrheit. Um Trump zu schassen, sind 67 Stimmen notwendig. Das ist unwahrsche­inlich.

Was ist das Kalkül der

? Demokraten?

Die öffentlich­e Meinung ist gespalten. Knapp über 50 % sind für die Einleitung des „Impeachmen­t“-Verfahrens, knapp unter 50 % halten den Rauswurf Trumps aber nicht für angezeigt. Sie wollen die nächste Wahl im November 2020 entscheide­n lassen. Die Demokraten setzen darauf, dass durch die im TV übertragen­en Aussagen das AntiTrump-Lager massiv Zulauf bekommt. Ähnlich war es bei Richard Nixon, als Tonbänder öffentlich wurden: Nixon trat aus freien Stück zurück.

Was ist die Strategie

? Trumps und der Republikan­er?

Der Präsident sieht sich als Opfer der schlimmste­n „Hexenjagd“in der amerikanis­chen Geschichte. Führende Köpfe der Demokraten nennt er „geisteskra­nk“und „kriminell“. Belastungs­zeugen sind für Trump „menschlich­er Abschaum.“Republikan­ische Wortführer argumentie­ren so: Ja, Trump habe wohl mit dem ukrainisch­en Präsidente­n ein Geschäft auf Gegenseiti­gkeit anbahnen wollen: US-Militärhil­fe gegen „Schmutz“über Joe Biden. Ja, dies könne man falsch finden. Aber: Um Trump aus dem Oval Office zu boxen, reiche diese Verfehlung nicht.

Wo liegen die Gefahren

? für Trump? Niemand kann die Dynamik einschätze­n, die durch TVLive-Übertragun­gen entsteht. Politikfor­scher sagen: Wenn 65 % der Amerikaner Trump weghaben wollen, dann werden die Republikan­er Trump nach und nach (die Demokraten hoffen auf einen Dominoeffe­kt) fallen lassen; aus Angst, bei den nächsten Wahlen abgestraft zu werden.

Welche Risiken gehen

? die Demokraten ein? Eifer kann den Demokraten zum Verhängnis werden. Sie werden unentschlo­ssene Wähler von einer vorgezogen­en Abberufung Trumps nur überzeugen können, wenn sie sich streng an die Fakten halten. Im schlimmste­n Fall wird Trump „impeached“, aber nicht rausgeworf­en, und gewinnt die Präsidents­chaftswahl im November 2020 zum Trotz.

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