Kurier

„Dominic ist ein guter Mensch“

Nicolás Massú. Der Thiem-Trainer über Hingabe und das große Glück

- PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER

Nicolás Massú liebt Tennis. Das erkennt jeder, der den 40-jährigen Chilenen auf dem Trainingsp­latz beobachtet. Macht sein Schützling kurz Pause, schlägt er Thiem-Bruder Moritz Asse um die Ohren. Später schmeißt er seinen Schläger einem Ball hinterher, der weit ins Out segelt. Dazwischen sagt der zweifache Olympiasie­ger Übungen an, lobt Schläge, hört zu, lacht viel. Auch als jemand herüber schreit: „¡Grande Massú!“Es ist Rafael Nadal.

KURIER: Senor Massú, wie kam Tennis in Ihr Leben? Nicolás Massú: Mein Großvater, ein leidenscha­ftlicher Hobbyspiel­er, nahm mich mit, als ich fünf Jahre alt war. Ich bin dem Sport sofort verfallen. Tennis ist seit 35 Jahren mein Leben. Der Sport hat mir alles gegeben.

Was zeichnet einen guten Tennis-Trainer aus? Wichtig ist, eine Vorstellun­g zu haben, wie das Spiel aussehen soll, das du vermitteln willst. Dazu kommt die Erfahrung, die ich auf der Tour sammeln konnte. Aber es nützt alles nichts, wenn du deine Vorstellun­gen nicht vermitteln kannst.

Wie ist die Arbeit mit Vater Wolfgang Thiem?

Die Beziehung ist gut, nicht nur zu ihm und zu Dominic, sondern zu seinem ganzen Umfeld. Das ist wichtig, immerhin sind wir viele Wochen im Jahr zusammen.

Kurz nach dem Ende Ihrer aktiven Karriere sind Sie bereits Chiles DaviscupKa­pitän geworden. Lässt Sie Tennis einfach nicht los?

Ich bin sehr dankbar, dass ich mein ganzes Leben machen konnte, was ich liebe: Tennis. Nichts hat mich je glückliche­r gemacht. Nicht viele können das sagen. Ich muss kein Opfer dafür

bringen. An das viele Reisen bin ich längst gewöhnt. Es wird bald elf Wochen her sein, dass ich das letzte Mal zu Hause gewesen bin.

Hilft es, dass Sie selbst noch gegen Federer, Nadal oder Djokovic gespielt haben?

Es ist sicher kein Nachteil, dass ich weiß, wie sich der Aufschlag von Roger oder die Rückhand von Rafa anfühlt. Die Kunst als Trainer ist es, diese Infos zu nutzen wissen. Jeder Spieler spielt anders, jede Persönlich­keit ist anders und auch jedes Match. Deswegen kann ich nur davon sprechen, wie es damals in manchen Situatione­n für mich gewesen ist. Man muss als Trainer sehen und verstehen, wie dein Schützling spielt und dann sein Spiel an das Match anpassen.

Hatten Sie Respekt vor der Aufgabe, einen der weltbesten Spieler zu trainieren?

Ich habe keine Sekunde gezögert, weil ich es als Chance und Herausford­erung sah. Dominic ist ein Spieler mit großer Zukunft. Und ich wusste, dass er auch ein guter Mensch ist. Das ist mitentsche­idend für eine Spieler-Trainer-Beziehung.

Woran arbeiten Sie mit ihm am intensivst­en: Technik-, Taktik- oder Mentalbere­ich?

Wir arbeiten, je nach Jahreszeit, in allen Bereichen. Anfangs haben wir viel gesprochen. Wie sieht Dominic sein Spiel, wie sehe ich es. Dann haben wir ein paar mögliche Anpassunge­n durchgedac­ht. Wie man jetzt sieht, machen kleine Veränderun­gen große Unterschie­de aus, vor allem auf Hartplatz. Aber wissen Sie, was für mich das Wichtigste ist?

Was denn?

Dass Dominic glücklich ist. Denn wenn er das ist, spielt er sein bestes Tennis. Man kann jeden Tag 20 Stunden lang trainieren, aber wenn du nicht glücklich bist, ist es schwer, es auf dem Platz zu genießen.

Was fehlt Dominic noch, um zu den drei Besten der Welt aufzuschli­eßen?

Das Problem ist, dass die drei Besten der Welt die Besten in der Geschichte des Tennisspor­ts sind. Dahinter ist Dominic mit seiner Konstanz schon die Nummer eins. Auf der Tour gibt es wenige so komplette Spieler wie ihn. Was ihm fehlt? Der GrandSlam-Titel! Er muss hart weiterarbe­iten, aber auch darauf achten, dass er entspannt und glücklich bleibt. Er ist in einem guten Alter und weiß, dass die nächsten Jahre entscheide­nd sind.

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Seit März ein starkes Duo: Thiem mit Trainer Nicolás Massú

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