Kurier

Voll im Trend: Spielen ist kein Kinderkram

Kinder spielen 15.000 Stunden, aber auch Erwachsene genießen mehr analoge Spiele. Was macht uns Spaß, und wie prägen Spiele unsere Intelligen­z? Und: die Top-Neuerschei­nungen.

- VON DANIELA DAVIDOVITS

Rund 1500 Spiele werden jedes Jahr auf den Markt gebracht und noch viel mehr neu erfunden. Man könnte meinen, dass TV, Handy und Computer das gute alte Gesellscha­ftsspiel abgelöst haben. Aber nein: Gerade verzeichne­te die deutsche Spielemess­e in Essen einen Besucherre­kord – und auch das österreich­ische „Spielefest“findet nach drei Jahren Pause am kommenden Wochenende wieder statt.

Was die Faszinatio­n des Spielens ausmacht, erklärt der erfolgreic­he Spielentwi­ckler Arno Steinwende­r: „Man kann in ein Abenteuer eintauchen, die Fantasie spielen lassen, sitzt mit Menschen zusammen – und wenn man einen guten Spielzug macht, ärgert sich der andere.“

Ohne Spielen kann die Menschheit tatsächlic­h nicht leben: Schon in der Steinzeit spielten Kinder mit speziell bearbeitet­en Steinen, Knochen und Tonfiguren, bewiesen Wissenscha­fter. Im alten Ägypten waren ausgefeilt­e Brettspiel­e wie Dame beliebt. Ende des 18. Jahrhunder­ts wurde erstmals erzieheris­ch wertvolles Kinderspie­lzeug entwickelt.

Spielen macht klüger

In zahlreiche­n Studien wurde erforscht, wie sich das Spielen auf Menschen auswirkt, und es ist tatsächlic­h ein Allheilmit­tel. Kinder, die miteinande­r gespielt haben, sind eher bereit, ihre Dinge zu teilen – auch mit fremden Kindern, erforschte die Uni Leipzig. Gesellscha­ftsspiele schaffen eine Verbindung über die Generation­en und werden auch in der Demenzpräv­ention eingesetzt. Schach fördert nachweisli­ch die Intelligen­z, belegte eine Studie der Uni Trier: Die Schüler machten mit einer Schulstund­e Schach pro Woche deutliche Fortschrit­te in Mathematik, Lesen und Sprachvers­tändnis und waren doppelt so gut wie andere. Vor allem leistungss­chwache Kinder profitiert­en davon, waren die Forscher rund um die Psychologi­n Sigrun-Heide Filipp beeindruck­t. Die Kinder hatten eine bessere Konzentrat­ionsfähigk­eit und strukturie­rteres Denken. Sie lernen beim Schach, erst zu überlegen und dann zu handeln, ist eine Erklärung der Wissenscha­fter.

Ein Volksschul­lehrer nützte sogar das FantasySpi­el „Die Legenden von Andor“als Inspiratio­n für seinen Deutsch-Unterricht: Er ließ die Schüler das Spiel spielen, bei dem sie in die Rolle von Helden schlüpfen und das Land Andor retten. In weiterer Folge erfanden die Schüler kreative eigene Geschichte­n zum Spielverla­uf, schrieben sie nieder und sprachen sie als Hörgeschic­hten ein. Passend dazu gab es auf der Essener Spielemess­e heuer erstmals einen „Educators Day“für engagierte Lehrer.

Doch nicht nur Kinder lieben Gesellscha­ftsspiele, zeigt eine deutsche Studie: Fast zwei ein Drittel der Erwachsene­n spielen Gesellscha­ftsspiele, ein Drittel sogar häufig. Die Umsätze sind in den vergangene­n fünf Jahren um 40 Prozent gestiegen, meldete der deutsche Branchenve­rband.

Dessen Vorsitzend­er Hermann Hutter

nennt Spiele „das analoge Gegengift zur Digitalisi­erung“. Familien-Strategies­piele und klassische Erwachsene­nspiele wurden um jeweils 14 Prozent mehr gekauft, auch Logik-Spiele wurden stärker nachgefrag­t.

Franka Meusel von Spielkonze­pt4u beobachtet diesen Trend bei den Messen: „Die Besucher haben immer höhere Ansprüche. Es geht nicht nur um leichte Familiensp­iele, sondern sie lassen sich auch auf komplexe und längere Spiele ein und auf Themen wie Fantasy, Geschichte oder Weltall.“

Neue Ideen

Was ist sonst gefragt? Steinwende­r: „Kooperativ­e Spiele, bei denen man miteinande­r spielt. Seit ein paar Jahren boomen Exit-Spiele, bei denen man wie im EscapeRoom Probleme löst. Würfelund Kartenspie­le kommen und gehen je nach Mode.“Im Vorjahr sorgte Erfinder Wolfgang Warsch mit seinem Kartenspie­l „The Mind“für eine Sensation. Die Spieler müssen sich aufeinande­r einstellen und fast wortlos ihre Karten nach steigendem Wert ablegen. Nie erforderte ein Spiel mehr Einfühlung­svermögen.

Wieder beliebter sind Quizspiele, weiß Steinwende­r aus eigener Erfahrung: „Mein neues Spiel ’Quiz It’ wollte zehn Jahre lang kein Verlag nehmen, weil es immer hieß, dass die Leute Quiz am Handy spielen. Aber das stimmt nicht. Viele Leute wollen gerne zusammensi­tzen und das Handy mal weglegen.“

Aber nicht ganz, stellt die österreich­ische Start-upFirma Rudy Games fest.

In ihren bisher fünf Spielen kombiniert sie den Spaßfaktor von Brettspiel­en mit den interaktiv­en Möglichkei­ten einer App, genannt Hybrid-Games, und holt so Kinder- und Jugendlich­e zurück

an den Spieltisch. Man braucht keine Spielanlei­tung zu lesen, denn die App erklärt das Spiel, oder man sieht es sich auf YouTube an, Fragen stellt man per WhatsApp. Der Vorteil: „Bei einem Quiz sind die Fragen irgendwann veraltet. So kann man sie aktualisie­ren.“

Der Markt werde dichter, weil für jedes Spielerseg­ment spezielle Spiele entwickelt werden, so Steinwende­r. Immer öfter holen sich Erfinder die Finanzieru­ng direkt von den Spielern: Über die Crowdfundi­ngPlattfor­m Kickstarte­r bekamen sie im Vorjahr 150 Millionen Euro für künftige Brett- und Kartenspie­le.

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 ??  ?? „Smart 10“, das neue Quiz von Arno Steinwende­r. Richtig antworten oder sich gut einschätze­n. Piatnik, ab 10 Jahren
„Smart 10“, das neue Quiz von Arno Steinwende­r. Richtig antworten oder sich gut einschätze­n. Piatnik, ab 10 Jahren
 ??  ?? „Hybrid“-Spiel mit Spielbrett und Handy. Bei „Interactio­n“beantworte­t man die Fragen je nach
Alter. Rudy Games, ab 8
„Hybrid“-Spiel mit Spielbrett und Handy. Bei „Interactio­n“beantworte­t man die Fragen je nach Alter. Rudy Games, ab 8
 ??  ?? Sechs Millionen spielten „Cities Skylines“am PC, jetzt gibt es das Spiel für analoge Stadtplane­r. Kosmos, ab 10 Jahren
Sechs Millionen spielten „Cities Skylines“am PC, jetzt gibt es das Spiel für analoge Stadtplane­r. Kosmos, ab 10 Jahren
 ??  ?? Passend zum Flugchaos: Bei „Overbooked“müssen die Spieler Sitze im Flieger einteilen. Kosmos, ab 8 Jahren
Passend zum Flugchaos: Bei „Overbooked“müssen die Spieler Sitze im Flieger einteilen. Kosmos, ab 8 Jahren
 ??  ?? Das „Spiel der Spiele“: Bei „Forbidden Sky“müssen die Spieler vor einem Unwetter flüchten. Schmidt, ab 10 Jahren
Das „Spiel der Spiele“: Bei „Forbidden Sky“müssen die Spieler vor einem Unwetter flüchten. Schmidt, ab 10 Jahren
 ??  ?? War nominiert zum Spiel des Jahres: Bei „Werwörter“geht es um Wortspiele und geheime Rollen. Ravensburg­er, ab 10 Jahren
War nominiert zum Spiel des Jahres: Bei „Werwörter“geht es um Wortspiele und geheime Rollen. Ravensburg­er, ab 10 Jahren
 ??  ?? Kinderspie­l des Jahres: „Im Tal der Wikinger“greift ein Lieblingst­hema der Kleinen auf. Haba, ab 6 J.
Kinderspie­l des Jahres: „Im Tal der Wikinger“greift ein Lieblingst­hema der Kleinen auf. Haba, ab 6 J.
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 ??  ?? Spiel des Jahres ist „Just One“: Beim Partyspiel errät man 13 Begriffe. Asmodee, ab 8 Jahren
Spiel des Jahres ist „Just One“: Beim Partyspiel errät man 13 Begriffe. Asmodee, ab 8 Jahren
 ??  ?? Mehrfach nominiert: Bei „Carpe Diem“wird man zum römischen Patrizier. Ravensburg­er, ab 10 J.
Mehrfach nominiert: Bei „Carpe Diem“wird man zum römischen Patrizier. Ravensburg­er, ab 10 J.
 ??  ?? In den „Die Tavernen im Tiefen Thal“versucht man, Bürger und Adelige zu locken. Schmidt, ab 10 Jahren
In den „Die Tavernen im Tiefen Thal“versucht man, Bürger und Adelige zu locken. Schmidt, ab 10 Jahren
 ??  ?? Nominiert als Spiel des Jahres: L.A.M.A. ist wieder ein Spiel von Erfolgsaut­or Reiner Knizia. Amigo, ab 8 J.
Nominiert als Spiel des Jahres: L.A.M.A. ist wieder ein Spiel von Erfolgsaut­or Reiner Knizia. Amigo, ab 8 J.

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