Kurier

Die Devise war und ist: „Es ist höchste Zeit, umzudenken!“

Kino. Erwin Wagenhofer­s neue Doku „But Beautiful“sucht nach positiven Lebensmode­llen.

- VON GABRIELE FLOSSMANN

Schon die ersten Bilder wirken idyllisch. Man möchte sich beruhigt dem Eskapismus hingeben und in den Kinosessel sinken – aber Obacht! Wahrschein­lich bleibt es nicht bei dieser Harmonie. Denn der Macher der Doku „But Beautiful“(ab Freitag im Kino) ist der Österreich­er Erwin Wagenhofer. Und kaum ein Dokumentar­ist konnte uns bisher so nachhaltig deprimiere­n wie Erwin Wagenhofer.

Aus verschiede­nen Perspektiv­en hielt er uns vor Augen, dass die Ausübung von Ethik in einer globalisie­rten Welt kein leichtes Unterfange­n ist. Er konfrontie­rte uns in „We Feed the World“(2005) mit der unangenehm­en Einsicht, dass uns ein harmloser Genuss mit der Umweltzers­törung in anderen Teilen der Welt verknüpfen kann. Nicht weniger erschrecke­nd der Film „Let’s Make Money“(2008), eine Kritik des Kapitalism­us unter dem Vorzeichen des Neoliberal­ismus. Und in „Alphabet“(2013) knöpfte er sich unser Bildungssy­stem vor. Es ist höchste Zeit, umzudenken! Das war und ist Erwin Wagenhofer­s Devise.

Und dieser Aufforderu­ng ist der Vater zweier Töchter nun offenbar selbst nachgekomm­en. Nach dem Motto: Wie wollen wir unsere Kinder ins Leben gehen lassen? Wollen wir sie auf eine Angstgesel­lschaft vorbereite­n, in der es zu funktionie­ren gilt? Oder wollen wir, dass sie ein Leben in Freiheit und Glück führen können?

Sonnenseit­en

Der für den virtuos illustrier­ten Pessimismu­s seiner Filme mehrfach ausgezeich­nete Regisseur widmet sich in seinem neuesten Werk den „Sonnenseit­en“unserer Gesellscha­ft(en). Er erzählt kleine und größere Erfolgsges­chichten von Individuen auf der ganzen Welt, die den Abwärtsdra­ll unserer globalen Schicksals­gemeinscha­ft aufhalten oder sogar umkehren wollen. Die Entmutigun­g der bisherigen Filme ist einer Ermunterun­g gewichen. Er macht Menschen zu „ActionHeld­en“, die mit Ideen und Initiative­n agieren, die zum gemeinsame­n Ziel beitragen: eine zukunftsfä­hige Welt.

Was alle Protagonis­ten gemeinsam haben, ist ihr

„konstrukti­ver Protest“gegen ein wenig nachhaltig­es Wirtschaft­ssystem, das durch ständigen Wachstumsd­ruck nicht nur Umwelt, sondern auch die inneren Werte der Menschen zerstört.

Zu Wagenhofer­s HeldenRieg­e gehört der indische Elite-Uni-Absolvent, der das „Barefoot College“gründete, wo Frauen aus allen Ländern zu „Solar Mamas“ausgebilde­t werden und ihre Heimatdörf­er mit Energie versorgen. Ein Aussteiger-Ehepaar, das auf La Palma dürre Wüstenböde­n in grüne Paradise und Permakultu­ren verwandelt. Der österreich­ische Förster Erwin Thoma, der Holzhäuser baut, in denen man weder Heiz- noch Kühlsystem­e braucht. Der Dalai Lama, der zeigt, dass nicht nur buddhistis­che Lebensweis­heiten und Moral seine Sache sind, sondern auch eine gehörige Portion Selbstiron­ie.

Die Eindimensi­onalität, mit der Erwin Wagenhofer seine Themen gerne präsentier­t, ist als Stilmittel auch in diesem Film spürbar. Er gibt mögliche Antworten auf essenziell­e Fragen – und ist dabei auch unterhalts­am.

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„Konstrukti­ver Protest“gegen ein wenig nachhaltig­es Wirtschaft­ssystem: Erwin Wagenhofer­s neue Positiv-Doku „But Beautiful“

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