Die Devise war und ist: „Es ist höchste Zeit, umzudenken!“
Kino. Erwin Wagenhofers neue Doku „But Beautiful“sucht nach positiven Lebensmodellen.
Schon die ersten Bilder wirken idyllisch. Man möchte sich beruhigt dem Eskapismus hingeben und in den Kinosessel sinken – aber Obacht! Wahrscheinlich bleibt es nicht bei dieser Harmonie. Denn der Macher der Doku „But Beautiful“(ab Freitag im Kino) ist der Österreicher Erwin Wagenhofer. Und kaum ein Dokumentarist konnte uns bisher so nachhaltig deprimieren wie Erwin Wagenhofer.
Aus verschiedenen Perspektiven hielt er uns vor Augen, dass die Ausübung von Ethik in einer globalisierten Welt kein leichtes Unterfangen ist. Er konfrontierte uns in „We Feed the World“(2005) mit der unangenehmen Einsicht, dass uns ein harmloser Genuss mit der Umweltzerstörung in anderen Teilen der Welt verknüpfen kann. Nicht weniger erschreckend der Film „Let’s Make Money“(2008), eine Kritik des Kapitalismus unter dem Vorzeichen des Neoliberalismus. Und in „Alphabet“(2013) knöpfte er sich unser Bildungssystem vor. Es ist höchste Zeit, umzudenken! Das war und ist Erwin Wagenhofers Devise.
Und dieser Aufforderung ist der Vater zweier Töchter nun offenbar selbst nachgekommen. Nach dem Motto: Wie wollen wir unsere Kinder ins Leben gehen lassen? Wollen wir sie auf eine Angstgesellschaft vorbereiten, in der es zu funktionieren gilt? Oder wollen wir, dass sie ein Leben in Freiheit und Glück führen können?
Sonnenseiten
Der für den virtuos illustrierten Pessimismus seiner Filme mehrfach ausgezeichnete Regisseur widmet sich in seinem neuesten Werk den „Sonnenseiten“unserer Gesellschaft(en). Er erzählt kleine und größere Erfolgsgeschichten von Individuen auf der ganzen Welt, die den Abwärtsdrall unserer globalen Schicksalsgemeinschaft aufhalten oder sogar umkehren wollen. Die Entmutigung der bisherigen Filme ist einer Ermunterung gewichen. Er macht Menschen zu „ActionHelden“, die mit Ideen und Initiativen agieren, die zum gemeinsamen Ziel beitragen: eine zukunftsfähige Welt.
Was alle Protagonisten gemeinsam haben, ist ihr
„konstruktiver Protest“gegen ein wenig nachhaltiges Wirtschaftssystem, das durch ständigen Wachstumsdruck nicht nur Umwelt, sondern auch die inneren Werte der Menschen zerstört.
Zu Wagenhofers HeldenRiege gehört der indische Elite-Uni-Absolvent, der das „Barefoot College“gründete, wo Frauen aus allen Ländern zu „Solar Mamas“ausgebildet werden und ihre Heimatdörfer mit Energie versorgen. Ein Aussteiger-Ehepaar, das auf La Palma dürre Wüstenböden in grüne Paradise und Permakulturen verwandelt. Der österreichische Förster Erwin Thoma, der Holzhäuser baut, in denen man weder Heiz- noch Kühlsysteme braucht. Der Dalai Lama, der zeigt, dass nicht nur buddhistische Lebensweisheiten und Moral seine Sache sind, sondern auch eine gehörige Portion Selbstironie.
Die Eindimensionalität, mit der Erwin Wagenhofer seine Themen gerne präsentiert, ist als Stilmittel auch in diesem Film spürbar. Er gibt mögliche Antworten auf essenzielle Fragen – und ist dabei auch unterhaltsam.