Kurier

Der Vermissten­fall Hubert Schmied

Cold Case. Er war überall beliebt, aber der umtriebige Steirer könnte so manchem doch zu gefährlich geworden sein

- VON YVONNE WIDLER

Da war dieser seltsame Anruf. Hubert Schmieds Handy läutet, er blickt skeptisch auf das Display, entfernt sich ein paar Schritte und kommt Minuten später mit ernstem Gesicht zurück. „Schraub’ mein Auto sofort wieder zusammen, ich muss weg. Sofort!“

Peter Gruber*, ein guter Freund von Hubert Schmied und der einzige Mechaniker der kleinen Ortschaft, traut seinen Ohren nicht und kann nur den Kopf schütteln. Der Husch, wie alle Hubert Schmied hier nennen, kam doch erst vor einer halben Stunde in die Werkstatt, um die Radlager auszutausc­hen – und das Auto war doch gerade erst zerlegt worden. „Beeil dich, Peter!“Auf Nachfrage will Husch jedoch partout nicht sagen, wohin er so plötzlich muss. Also leistet Peter Gruber dem Willen seines Freundes Folge, und dieser springt in sein Auto und fährt davon. Doch nach ein paar Metern bleibt der schwarze Audi 80 abrupt stehen. Hubert Schmied dürfte erneut einen Anruf bekommen haben. Er steigt nun aus dem Auto, entschuldi­gt sich bei Peter Gruber und schlägt vor, gemeinsam ein Bier zu trinken.

So seltsam hat es sich am Nachmittag des 16. Oktober 2003 zugetragen. Einen Tag später war Husch verschwund­en. Peter Gruber will heute, 16 Jahre danach, von dem Drama nichts mehr wissen. Hier, in der steirische­n Idylle der Gemeinde Aflenz, will außer seiner Familie kaum noch jemand über Husch reden. „Er hat Schlosser gelernt und mit Auszeichnu­ng absolviert“, sagt seine ältere Schwester Brigitte R., der es sichtlich schwer fällt, über ihren vermissten Bruder zu sprechen. Sie erzählt, dass er dann aber 13 Jahre lang als Fernfahrer unterwegs war. Meist in Spanien.

„Danach hat er den Campingpla­tz hier in Seebach gepachtet und war Wirt vom zugehörige­n Campingstü­berl, das hat er mit Leib und Seele gemacht. Aber leider nur zwei Jahre lang“, sagt Brigitte R., und sie erzählt außerdem, dass Husch eine kleine Tochter hatte, Ingrid. Sie lebte allerdings mit ihrer Mutter Isabella in einem spanischen Bergdorf. Die Beziehung entstand in der Zeit, als er dort oft als LKW-Fahrer unterwegs war, ist aber nach einigen Jahren zerbrochen. Seine Tochter Ingrid allerdings sei ihm das Wichtigste auf der Welt gewesen. Er hätte sie so oft wie möglich in Spanien besucht. Doch als Isabella eine neuen Mann kennenlern­te, wollte sie nicht mehr, dass Husch dort immer wieder auftaucht und hätte ihm den Kontakt zu seiner Tochter untersagt. „Darunter hat er sehr stark gelitten“, sagt seine Nichte Nicole R. und zeigt Fotos von ihrem Onkel aus früheren Zeiten. Seine Freunde und Familie beschreibe­n Husch als lebensfroh, lustig und sehr gesellig. So ein richtiger Lebemann sei er gewesen – auch gerne und oft der letzte, der von einer Feier nach Hause geht.

Die zeitnahen Geschehnis­se bis zum Verschwind­en können fast lückenlos rekonstrui­ert werden: Nachdem Husch am 16. Oktober 2003 diesen seltsamen Anruf bekommen hatte, blieb er schließlic­h doch noch ein Weilchen bei seinem Freund Peter Gruber. Am selben Abend fand eine Veranstalt­ung im Campingstü­berl statt, der örtliche Sparverein feierte dort. Husch war auch dabei und verabschie­dete sich von einem Bekannten gegen zwei Uhr früh. Während die meisten nach Hause gingen, trieb es Husch noch in einen Nachtclub.

Die letzten Stunden

Um 7.30, es war mittlerwei­le der 17. Oktober 2003, wurde Husch wieder am Campingpla­tz gesehen. Er kam in gewechselt­em Gewand aus seiner Wohnung, die direkt über den Gästedusch­en liegt. Ein Camper sagt, sie hätten kurz geplaudert, aber Husch hätte es sichtlich eilig gehabt. Husch ging kurz ins Campingstü­berl, griff nach dem Einkaufsze­ttel, der auf der Theke lag und setzte sich in sein Auto, um nach Bruck an der Mur zu fahren. Das ist die nächste größere Stadt in der Gegend. In Bruck wollte er eigentlich zum Lebensmitt­elgroßhand­el, um Notwendige­s fürs Campingstü­berl zu kaufen. Die Fahrt dauert normalerwe­ise eine halbe Stunde, doch Hubert Schmied kam dort nie an. Seine Nichte Nicole R. war die letzte, die Hubert Schmied an diesem Tag gesehen hat. „Ich bin gerade in der Gegenricht­ung an ihm vorbeigefa­hren, da war es 8.15 Uhr. Wir haben uns aus unseren Autos noch zugewunken.“Für Nicole R. und Brigitte R. ist klar: Husch ist nicht freiwillig gegangen, er hätte doch keinen Grund gehabt. Sein Leben hier war gut.

Natürlich dachten einige, er könnte in Spanien sein, aber dort war er nicht. Dass Husch einen Unfall hatte, konnten die Ermittler ebenfalls rasch ausschließ­en. „Sein Auto wurde nämlich bis heute ebenso nicht gefunden, die wenigen unfallträc­htigen Stellen auf der Straße nach

Bruck wurden kontrollie­rt“, sagt Chefermitt­ler Kurt Linzer von der Cold Case Abteilung. Konkret handelt es sich um einen schwarzen Audi 80 mit dem behördlich­en Kennzeiche­n BM 713 AU.

Das gefährlich­e Milieu

Erzählt man die Geschichte des Husch, so gehört ein Aspekt ganz wesentlich dazu: „Er hatte eine starke Affinität zum Rotlichtmi­lieu“, so drückt es Ermittler Linzer aus. In einem der umliegende­n kleinen Bordelle verliebte er sich in die ungarische Prostituie­rte Gabi*. Es heißt, er wollte die junge Frau freikaufen. „Ob die Versuche des Herrn Schmied, diese Prostituie­rte von dem Bordell wegzubekom­men, tatsächlic­h im Zusammenha­ng mit seinem Verschwind­en stehen, ist nicht gesichert, aber ist relativ stark anzunehmen“, sagt Ermittler Linzer. Die zahlreiche­n Vernehmung­en des Umfelds haben bis heute zu keinem Ergebnis geführt.

Der damalige Bordellbet­reiber gibt dem KURIER gegenüber an, dass er von nichts wisse und er vermute, dass Husch irgendwelc­he illegalen Geschäfte gemacht hätte. Gabis ungarische Zuhälter, die einmal im Monat in die Steiermark kamen, um das Geld zu kassieren, standen bis dato für die Staatsanwa­ltschaft nicht unter dringendem Tatverdach­t. Gabi will dem KURIER kein Statement geben. Und auch sonst wirkt es so, als hätte sich die Causa betreffend Angst und Stille in diesen Ortschafte­n breit gemacht. Tatsächlic­h vermuten einige Bewohner, dass die ungarische­n Zuhälter „den Husch profession­ell beiseite geräumt haben“. Der seltsame Anruf hätte jedenfalls ein wichtiger Schritt zur Lösung des Falls sein können. Doch die Rückverfol­gung war nicht mehr möglich. *Namen geändert Wenn Sie Informatio­nen zu dem Fall haben, dann melden Sie sich beim Bundeskrim­inalamt unter der Nummer 01/24836/985025 oder per Mail an dunklespur­en@kurier.at

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Auf dieser Straße wurde Husch das letzte Mal von seiner Nichte Nicole gesehen
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Nichte Nicole R. und Schwester Brigitte R. hoffen auf neue Spuren Husch war ein lebensfroh­er Mensch, aber es gab auch dunkle Seiten in seinem Leben. Am 17.10.2003 war er noch kurz im Campingstü­berl
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