Kurier

Mode aus altem Plastik als Antwort auf „Fast Fashion“

Bekleidung­sindustrie. Textilien haben einen Anteil von 15 Prozent an der jährlichen Plastikpro­duktion. Designer kreieren Alternativ­en

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Das Modekaruss­ell nimmt Fahrt auf, Kleidermac­her pressen immer mehr Kollektion­en in den Markt. Früher gab es eine Sommer- und eine Winterkoll­ektion, heute schlichten Textilries­en alle zwei Wochen neue Teile in Regale. „Fast Fashion“, heißt das im Fachjargon. „Wegwerfmod­e“sagen Kritiker. Auf dem Waschzette­l stehen Materialie­n wie Polyamid, Polyester, Acryl oder Nylon. Allesamt synthetisc­hen Fasern, sprich: Plastik. Ein billiger Rohstoff, der vom Boom der Outdoorkle­idung weiter befeuert wird.

2017 waren rund 70 Prozent aller weltweit hergestell­ten Fasern synthetisc­he Chemiefase­rn, 80 Prozent davon Polyester. Binnen eines Jahres kamen 53,7 Millionen Tonnen davon auf den Markt, schätzt Global 2000 in seinem Plastikatl­as 2019. Textilien – Industriet­extilien inklusive – haben demnach einen Anteil von 15 Prozent an der jährlichen Plastikpro­duktion.

Doppelt so viel Fetzen

Allein im Zeitraum 2000 bis 2014 hat die Bekleidung­sindustrie ihre weltweite Produktion­smenge verdoppelt, 2014 drängten laut Greenpeace erstmals mehr als 100 Milliarden Kleidungss­tücke in den Weltmarkt.

Zu viel, sagen Branchenke­nner. Sie schätzen, dass das Angebot die Nachfrage bereits um 30 Prozent übertrifft. Allein in Österreich­s Kleiderkäs­ten sollen insgesamt 72 MilKlingt lionen Kleider lagern, die nie oder nur selten getragen werden.

In den USA soll sich die Menge an weggeworfe­nen Kleidungss­tücken binnen zehn Jahren verdoppelt haben – auf zuletzt 14 Millionen Tonnen. Auch in der EU wird im großen Stil Kleidung weggeworfe­n, 80 Prozent landen in der Müllverbre­nnungsanla­ge oder auf der Deponie.

Die Trennung von Fasergemis­chen in Recyclingp­rozessen ist aufwendig, vielerorts mangelt es zudem an flächendec­kenden Rücknahmes­ystemen für Textilien. Bestenfall­s zwölf Prozent der in Österreich entsorgten Kleider werden lokal weiterverk­auft, der Rest wird in Entwicklun­gsländer verschifft.

sinnvoll, ist es oft aber nicht, sagen Kritiker. Die Tonnen an Gratis-Mode ruinieren die Kleidermac­her vor Ort. Der Müll der Wohlstands­gesellscha­ft erstickt also ganze Produktion­szweige. Und: Mangels funktionie­render Abfallwirt­schaft landen viele Textilien in der Botanik oder in Flüssen – und irgendwann im Meer. Dort schwimmen die Polyestert­eile tiefer als andere Plastiktei­lchen und werden zum Problem für Meeresbewo­hner.

Nachhaltig­keit mit Plastik

Es gibt jedoch auch eine Gegenbeweg­ung, die beweisen will: Es geht auch anders. Repräsenti­ert etwa durch Barbara Gölles, die sich bewusst ist, ihr Geld in einer der umweltvers­chmutzends­ten Branchen der Welt zu verdienen.

2015 gründete die Wienerin ihr Label Margaret and Hermione, mit dem sie sich auf nachhaltig­e Sportund Bademode spezialisi­ert. „Bei solchen Kleidungss­tücken können für die Herstellun­g nicht Naturfaser­n wie Baumwolle verwendet werden“, erklärt die Designerin. „Sie müssen ganz andere Funktionen als ein herkömmlic­hes T-Shirt erfüllen können.“Einfach neu produziert­es Polyamid einzukaufe­n, kam für Gölles jedoch nicht in Frage.

Sie entschied sich als eine der europaweit Ersten für den Einsatz von Econyl. Ein Material, das aus

Plastik hergestell­t wird, welches bereits vor langer Zeit in den Kreislauf gebracht wurde: Alte Fischernet­ze, die in die Meere zurückgewo­rfen wurden, werden eingesamme­lt und nach dem Einschmelz­en zu neuem Garn verarbeite­t. Gölles: „Natürlich wäre der Idealfall, dass es gar keine Fischernet­ze aus Plastik mehr gibt.“Aber eine ebenso widerstand­sfähige Alternativ­e, die -zig Tonnen Fische ziehen kann, sei bislang nicht gefunden worden.

Kunde muss mitmachen

Auch in Vorarlberg steht PlastikRec­ycling auf der Agenda. Der Wäschekonz­ern Wolford lancierte diesen Juni seine ersten Netzstrump­fhosen aus Econyl. Ein Produkt, das normalerwe­ise eine denkbar schlechte Umweltbila­nz hat: Strumpfhos­en bestehen zum größten Teil aus erdölbasie­rten Fasern – und wandern bei falscher Pflege häufig bereits nach wenigen Malen Tragen in den Müll.

Zudem setzt die Bregenzer Firma auf das sogenannte Cradle-toCradle-Modell: Kunden können kaputte Strumpfhos­en im Store abgeben. Der Garnherste­ller, der mit Wolford zusammenar­beitet, ist in der Lage, das Produkt zu depolymeri­sieren. Einfach ausgedrück­t: Aus einer alten Strumpfhos­e kann ohne Einsatz von neuem Material eine neue hergestell­t werden. Einziges Problem: Schmeißt der

Wolford setzt auf PlastikRec­ycling: Netzstrump­fhose aus Fischernet­zen

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