Kurier

„Wer kauft, kauft weiter“

Wie Rabattakti­onen die Verlustave­rsion besiegen

- BARBARA MADER

Warum können wir Schnäppche­n nicht widerstehe­n? Forscher sind sich einig: Grundsätzl­ich wird bei den meisten Menschen beim Einkaufen das Belohnungs­system aktiviert, ganz besonders durch sogenannte Schnäppche­n. Wir sind als Konsumente­n eben nicht rational, sondern emotional.

„Kaufen führt zu positiven Gefühlen. Diese können rationale Entscheidu­ngen überlagern“, sagt der Wirtschaft­swissensch­after und Konsumente­nforscher Claus Ebster von der Universitä­t Wien. „Sogenannte Schnäppche­n zu machen heißt nicht unbedingt, das günstigste oder beste Produkt gekauft zu haben. Das reden wir uns ein. Sehr oft ist es sogar das Gegenteil, weil wir Dinge kaufen, die wir nicht brauchen. Aber allein schon, dass wo drauf steht ‚drei zum Preis von einem‘ kann uns zum Kaufen animieren. Da ist es dann nebensächl­ich, ob das Angebot wirklich so gut ist.“

Es gäbe grundsätzl­ich zwei Typen von Käufern, sagt Ebster: „Den hedonistis­chen, der kauft, weil es Spaß macht, und den utilitaris­tischen, der kauft, was er braucht. Situations­abhängig sind die meisten Menschen einmal das eine, einmal das andere. In der Kaufsituat­ion sind wir uns gar nicht bewusst, wie viele Einflüsse es auf unsere Kaufentsch­eidung gibt.“

Bauchgefüh­l gewinnt

Die meisten Menschen reden sich insbesonde­re bei Aktionstag­en wie dem Black Friday ein, grundsätzl­ich der utilitaris­tische Typ zu sein, also ausschließ­lich vernünftig zu kaufen. Damit werden auch vermeintli­che Schnäppche­n gerechtfer­tigt – sie seien eben günstig und daher sinnvoll. „Wir glauben zwar, es läuft alles rational, aber in Wirklichke­it handeln wir nach dem Bauchgefüh­l. Unser Belohnungs­system wird beim Schnäppche­nKauf aktiviert. Durch die künstliche Verknappun­g, die der Handel mit dem RabattEtik­ett herstellt, bekommen wir den Eindruck, nur diese eine Chance zu haben.“

Haben wollen

Arnd Florack, Sozialpsyc­hologe und Konsumfors­cher an der Universitä­t Wien, sieht bei der Rabatt-Jagd mehrere Phänomene aufeinande­rtreffen. Grundsätzl­ich müsse man zwischen „mögen“und „haben wollen“unterschei­den. Etwas gut zu finden sei etwas anderes, als etwas haben zu wollen. Letzteres sei das Ausschlagg­ebende bei Kaufentsch­eidungen. „Geht es so weit, dass Menschen ständig das Gefühl haben, dass sie etwas haben wollen und es nach dem Kauf bedauern, haben wir einen Aspekt der Kaufsucht.“

Zwar betrifft Kaufsucht nur wenige, doch der Schnäppche­n-Versuchung unterliege­n die meisten Menschen. Das hat auch mit dem sogenannte­n ShoppingMo­mentum zu tun, das besonders bei Rabattakti­onen wichtig wird: „Das ist der Punkt, an dem der Kunde ins Kaufen kommt. Wenn Sie es als Unternehme­r schaffen, dass Kunden kaufen, geht es meistens weiter. Entweder, man kauft nichts, oder man kauft mehreres. Denn wer kauft, kauft weiter. Es ist wie ein Dammbruch. Bei Schnäppche­n bricht der Damm an dieser Stelle. Und dann kauft man auch Dinge, die nicht vergünstig­t sind. Das wissen Unternehme­r natürlich und Verkäufer sind dementspre­chend geschult, passende weitere Produkte anzubieten.“Dazu kommt etwas, das Florack „Umkehrung

der Verlustave­rsion“nennt. Nobel-Preisträge­r Daniel Kahneman wies anhand mehrerer Experiment­e nach, dass Menschen dazu tendieren, Verluste höher zu gewichten als Gewinne. Beispielsw­eise ärgert man sich über den Verlust von 100 Euro mehr, als man sich über den Gewinn von 100 Euro freut. „Die Verlustave­rsion hindert uns normalerwe­ise daran, Dinge zu kaufen, die wir eigentlich nicht brauchen. Dass wir es insbesonde­re bei Rabatt-Aktionen dennoch tun, liegt daran, dass wir glauben, etwas zu verpassen. Wir reden uns ein, nur an diesen Tag, nur zu diesem Zeitpunkt zugreifen zu können. Wir haben Angst, es danach zu bedauern – Verlustang­st ist also einer der Treiber, die dazu führen, dass Leute, die eigentlich auf ihr Geld aufpassen, hier zugreifen. Die Idee, dass uns am Black Friday etwas entgehen könnte und diese Chance nicht wiederkomm­t, ist Unsinn. Wir unterliege­n ihr trotzdem.“

Das bestätigt auch Claus Ebster: „Nur, weil ich mich wissenscha­ftlich damit beschäftig­e, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht auch auf Schnäppche­n hereinfall­e. Ich habe ja schließlic­h auch ein Belohnungs­system.“

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Konsumente­nforscher Claus Ebster im schauTVStu­dio

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