Die Detektive im Blut
seither gehört das irgendwie zu meinen Leben dazu, es ist fast schon ein Hobby.“Seine Mutter, erzählt er, habe lange Zeit gedacht, er brauche als Student einfach Geld. „Bezahlt wird man hier allerdings mit Wertschätzung. Mit ganz vielen kleinen Sachen, die in der Summe ganz viel sind.“
Die kleinen Sachen, das sind etwa ein Essen nach der Spende. Oder, dass man eine SMS bekommt, wenn die Spende zum Einsatz kommt. „Man wird benachrichtigt, dass jetzt zum Beispiel jemand im Hanusch-Krankenhaus mein Blut bekommen hat. Da fühlt man sich gut.“
Zusätzlich gibt es auch eine Blutuntersuchung gratis dazu. Es muss schließlich getestet werden, bevor es zum Einsatz kommt. Wenn etwas nicht stimmt, wird man sofort informiert. „Das ist aber alles nicht der Grund, warum ich spende“, sagt Weber. „Ich finde einfach, es ist eine Bürgerpflicht. Genau wie man für eine alte Dame im Bus aufsteht, kann man doch auch spenden.“
Mehrfachspender
Im Kühlraum in der Blutspendezentrale hat es 4 Grad – so gelagert ist das Blut 42 Tage lang haltbar. Es sieht aus wie ein Paradies für Vampire, überall stehen Kisten mit hunderten Beuteln Blut.
„Das hier zum Beispiel“, sagt Blutspendeleiter Jungbauer – und hält einen gekühlten Beutel hoch, „ist Cellano-negatives Blut. Das hat nur jeder 500. Mensch. Und da müssen die Hauptgruppen, also zum Beispiel A oder B, auch noch dazu passen.“Neben den bekannten AB0Blutgruppen gibt es rund 340 andere anerkannte Eigenschaften der roten Blutzellen. Oft wüssten das nicht einmal die Ärzte, sagt Jungbauer.
Darum ist es so wichtig, dass Spender nicht nur einmal kommen, sondern regelmäßig. „Wenn sich aus der Statistik erkennen lässt, dass jemand auch weiterhin spenden kommen wird, können wir das Blut noch genauer testen“, sagt Jungbauer. „Das macht man nur, wenn man weiß, dass man genau auf dieses Blut öfter zurückgreifen kann. Wenn ein bestimmtes Blut gebraucht wird, kann man gleich die passenden Spender anrufen.“
Notaufruf im Juni
Dass man Blut auf diverse Eigenschaften testet, ist auch für Patienten wichtig, die auf regelmäßige Blutspenden angewiesen sind. Beim „Optimatch-Programm“für und mit St. Anna zum Beispiel bekommen jene Kinder, die über Jahre hinweg zusätzliches Blut brauchen, individuelle Spenden. Diese gleichen in möglichst vielen Eigenschaften dem eigenen Blut, damit die Patienten es bestmöglich vertragen.
„Die Notfälle sind ein kleineres Problem“, sagt der Blutspendeleiter. „Wenn es zu Engpässen bei Blut kommt, spenden sehr viele Menschen nach einem öffentlichen Aufruf. Wichtig wäre aber zusätzlich, dass sie dann wiederkommen. Dann kann man leichter kalkulieren.“
Den letzten öffentlichen Notaufruf gab es im Juni in Oberösterreich – wegen vieler Notfälle sank der Blutkonservenstand auf ein kritisches Niveau. Gepaart mit der gesunkenen Blutspendebereitschaft aufgrund der Hitze ist das eine gefährliche Kombination. Bei Hitze- oder Grippewellen sind Engpässe am wahrscheinlichsten.
Nach rund 25 Minuten ist Weber mit einer Spende fertig – inklusive Anmeldung und Vorbesprechung. Danach setzt er sich in das dazugehörige Café und bekommt als Dankeschön eine Kürbiscremesuppe.
„Manchmal kommt man hier auch mit anderen Spendern zum Reden, man hat ja schließlich im Kern irgendwas gemeinsam.“Mittlerweile kommt er alle neun bis zehn Wochen. „Ich arbeite um die Ecke“, sagt er. „Ich weiß nicht, ob ich auch so oft gehen würde, wenn ich am Stadtrand wohnen würde.“
Stadt-Land-Gefälle
Das Stadt-Land-Gefälle ist ohnehin ein Thema beim Blutspenden: In Wien gehen nur rund 1,6 Prozent der potenziellen Spender ab 18 Jahren spenden, in Tirol sind es immerhin 5,5 Prozent.
Blutspendeaktionen im ländlichen Raum sind oft gemeinschaftliche Events, zu denen Eltern auch ihre Kinder bei mobilen Spendeaktionen nicht mehr verpflichtend ein Arzt anwesend sein, der die Blutspende durchführt. Auch speziell ausgebildeten Kranken- und Gesundheitspflegern ist das künftig erlaubt, sofern eine unmittelbare Rücksprache mit einem ausgebildeten Arzt möglich ist.
Die Blutversorgung ist für Erik also vorerst gesichert. Leider ist schon klar, dass er noch viele Male ins Spital muss. Der Vierjährige geht zum Glück auch nach sechs langen Monaten noch gerne ins Krankenhaus, weil er dort „mehr fernschauen darf“. Das hilft, um die Strapazen zu überstehen, wenn er Blut bekommt.
In wenigen Tagen wird ein Spender eine SMS bekommen, dass sein Blut in St. Anna zum Einsatz gekommen ist, wenn Erik wieder mal Erythrozyten braucht.
Und hoffentlich haben die Detektive dort die richtigen Bedingungen, um mit Lupe und Fernrohr jede noch so kleine Krebszelle zu entdecken.
„Genau wie man für eine alte Dame im Bus aufsteht, kann man doch auch Blut spenden.“