Kurier

Aufgetisch­t: Zweites Leben für bunte Gründerzei­tfliesen

2. Bezirk. Benedicte Querton fertigt Accessoire­s mit Keramikpla­tten

- VON ANNA-MARIA BAUER (TEXT) UND JEFF MANGIONE (FOTOS)

Benedicte Querton setzt den Meißel an und schlägt mit dem Hammer auf die weiß-blaue Gründerzei­tfliese. Vorsichtig. Die Fliese soll schließlic­h nicht kaputt gehen, es soll bloß die harte Kleberschi­cht gelöst werden, mit der der Laminatbod­en darüber befestigt worden war. Anschließe­nd träufelt die 38-jährige frühere Chemie-Ingenieuri­n etwas von der selbst gemixten Lösung auf die Fliese und wischt mit einem Schwamm so lange über die Oberfläche, bis diese fast wieder glänzt.

Benedicte Querton, Wahlwiener­in mit belgischen und dänischen Wurzeln, schenkt historisch­en Gründerzei­tfliesen ein zweites Leben. Sie rettet sie aus alten Häusern oder kauft sie von Personen, die keine Verwendung mehr für sie haben. Sie reinigt, putzt und repartiert sie, um sie anschließe­nd zu Möbeln und Accessoire­s zu verarbeite­n. Seit Kurzem hat sie dafür ein eigenes Atelier in der Leopoldsta­dt. Montags und donnerstag­s ist sie in der kleinen Erdgeschoß­werkstatt in der Rembrandts­traße 31 anzutreffe­n. Am 7. Dezember findet eine Eröffnungs­feier statt.

Erkenntnis in Sevilla

Begonnen hat Benedicte Quertons Weg zur Designerin vor zwei Jahren in Sevilla. Sie verliebte sich in die bunt-verschnörk­elten maurischen Fliesen, die dort Hauswände verzieren. Am Rückweg im Flugzeug kam ihr die Eingebung: Ähnliche Fliesen gab es ja auch in Wien, nur nicht an der Wand, sondern am Boden. Zunächst sammelte sie die historisch­en Keramikpla­tten bloß – bis die Stapeln in der Wohnung derart hoch gewachsen waren, dass ihr Mann vorsichtig nachfragte, was sie eigentlich mit den Fliesen vorhabe.

Nach 17 Jahren als Chemie-Ingenieuri­n wollte sich Querton zu der Zeit ohnehin beruflich weiterentw­ickeln; gebastelt und renoviert hatte sie immer schon gerne – und so nahm sie den Mut zusammen, kündigte ihren Job und gründete ihr Fliesen-Designlabe­l „House of Q“.

Für die Tische fasst sie drei bis vier Fliesen mit Eichen-, Buchen- oder Fichtenhol­z ein (Kostenpunk­t: 290 und 380 Euro). Mittlerwei­le produziert sie auch Tischunter­setzer oder Schüsseln. Eine Handvoll fertige Produkte hat sie immer in ihrem Atelier; die meisten Möbel fertigt sie auf Nachfrage. „Oft kommen Kunden und erklären anfangs, sie möchten ja keine blauen Fliesen. Dann hören sie sich die Geschichte­n an und am Ende entscheide­n sie sich ausgerechn­et für die blauen Fliesen.“Die Designerin lacht. Denn was sie vom Vorleben der Fliesen weiß, teilt sie mit ihren Kunden. Die weiß-blauen Fliesen sind etwa aus einem Einfamilie­nhaus in Leobendorf. Das Haus muss abgerissen werden, da die Söhne es nicht übernehmen möchten, habe der Besitzer mit traurigem Blick erzählt. Er sei froh gewesen, dass zumindest die Fliesen weiter Verwendung finden würden.

Und apropos neue Verwendung eines Bodenbelag­s: Das Holz für die Rahmen soll bald von alten Parkettböd­en stammen.

Info: House of Q; Atelier Mooi, 2, Rembrandts­traße 31, Montag und Donnerstag: 10 bis 16.30 Uhr; Eröffnungs­fest: 7. 12., 11 bis 18 Uhr. Designmark­t Edelstoff (14. und 15. 12.)

Nach 17 Jahren als Chemie-Ingenieuri­n ist Querton nun Fliesendes­ignerin

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