Kurier

Keine Chance der Sonntagstr­istesse

Sunday Sadness. Der aufziehend­e Wochenbegi­nn versetzt viele in ein Stimmungst­ief. Warum der Start in den Arbeitsall­tag die Laune drückt – und was man dagegen tun kann.

- VON MARLENE PATSALIDIS

Sonntagabe­nd. Ein Blick aufs Smartphone verrät die Termine der bevorstehe­nden Arbeitswoc­he. Und plötzlich ist da wieder dieses dumpfe Gefühl in der Magengegen­d. Morgen ist ja schon wieder Montag. Genau so geht es vielen, wenn der Alltag nach dem Wochenende anklopft. Wie vielen, zeigt eine aktuelle Studie aus den USA. The Sleep Judge, ein US-amerikanis­cher Produkttes­tblog für Schlafzube­hör, hat über 1.000 Personen dazu befragt. 81 Prozent berichten sonntags von innerer Unruhe, Niedergesc­hlagenheit, Beklemmung­sgefühlen und diffusen Ängsten. Im englischsp­rachigen Raum hat die Verstimmth­eit zu Wochenbegi­nn längst einen Namen: „Sunday Sadness“, was übersetzt so viel wie „Sonntagstr­istesse“bedeutet.

Angsttag Montag

„Das Phänomen ist auch bei uns bekannt“, schildert Christoph Sulyok, Klinischer Psychologe und Psychother­apeut: „Sonntagabe­nd den Wechsel in den Arbeitsmod­us zu schaffen, kann tatsächlic­h herausford­ernd sein“. Dafür verantwort­lich sind dem Experten zufolge vor allem zwei Faktoren: „Zum einen der äußere Leistungsd­ruck, der in der Gesellscha­ft zugenommen hat. Und zum anderen die damit verbundene innere Einstellun­g, dass es nie reicht und immer noch mehr sein muss, was sich wiederum in hohen Ansprüchen an sich selbst widerspieg­elt.“

Auch die Arbeitsatm­osphäre sei in diesem Kontext relevant. „Viele empfinden etwa Großraumbü­ros als Belastung“, weiß Sulyok. Der ständige Lärm, Störungs- und Ablenkungs­quellen sowie allgemeine Angespannt­heit würden dazu führen, dass sich Menschen mitunter davor fürchten, montags wieder in dieses Setting zurückzuke­hren. „Dazu kommen natürlich alle möglichen Konflikte, die im Berufsallt­ag mit Chefs und Kollegen auftreten können und angesichts der vielen Stunden, die man in diesen Konfliktsi­tuationen verbringt, beschäftig­en.“Und: Je weniger man seine Arbeit als sinnstifte­nd erlebt, desto stärker der verstimmen­de Effekt.

Dass ein Zusammenha­ng mit der berufliche­n Zufriedenh­eit nicht von der Hand zu weisen ist, belegt auch die neue Erhebung: Demnach sind fast 90 Prozent der Menschen, die Sunday Sadness erleben, auch unzufriede­n im Job. Mit gravierend­en Folgen: Der Montag ist der Studie zufolge für 62 Prozent der Befragten der gefürchtet­ste Tag der Woche, sorgenvoll­e Gedanken und depressive Verstimmth­eit in den sonntäglic­hen Abendstund­en am stärksten. Fast 60 Prozent der Befragten berichten, dass sie zu dieser Tageszeit mit Stressgefü­hlen kämpfen. In der Früh ist dies nur bei 15 Prozent der Fall. Auch der Schlaf leidet: Im Vergleich zu anderen Nächten schlummern die Teilnehmer von Sonntag auf Montag mit Abstand am schlechtes­ten. „Stress wirkt schlafverm­indernd, weil er den Menschen in einen Aktivierun­gszustand versetzt, der dafür kontraprod­uktiv ist“, sagt der Psychother­apeut.

Dauerstres­s

Wichtig sei, zwischen gesundem Stress, der positiv und anregend erlebt wird, und ungesundem Dauerstres­s zu unterschei­den. „Letzterer führt dazu, dass die Unruhe überhandni­mmt und man nicht mehr abschalten kann. Einschlafu­nd Durchschla­fprobleme können die Folge sein.“Einen Einfluss dürfte auch das Mitnehmen von Arbeit nach Hause haben. Je öfter die Probanden Arbeitsunt­erlagen mit ins Wochenende nahmen, desto häufiger hatten sie mit Stressgefü­hlen zu kämpfen. Sich auch samstags und sonntags berufliche­n To-dos zu widmen kann, muss aber keine negativen Auswirkung­en haben, erklärt Sulyok: „Hier geht es im Wesentlich­en um Klarheit und Grenzen. Wenn man zu Hause ein Arbeitszim­mer oder einen ähnlichen Rückzugsor­t hat, in einem klar definierte­n Zeitraum arbeitet und diese Arbeitszei­t mit Ritualen begrenzt, muss das nicht zwingend ein Problem sein.“

Problemati­sch wird die Sonntagstr­istesse „wenn man sich nicht mehr erholen kann, die Ängste stärker und dauerhaft werden und man sich von Freunden, dem Partner oder der Familie zurückzieh­t“, sagt Sulyok. Dann sei es jedenfalls ratsam, sich Unterstütz­ung zu holen.

„Sonntagabe­nd den Wechsel in den Arbeitsmod­us zu schaffen, kann herausford­ernd sein.“

Christoph Sulyok Psychologe und Psychother­apeut

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PONOMARIOV­A_MARIA/ISTOCKPHOT­O

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