Amphitheatralisch
Die aktuellen, verheerenden Brände in Teilen Australiens rücken wieder die unfassbar schöne Natur des fernsten Kontinents in den Fokus. Die erlebt man auch im Nationalpark Flinders Ranges in Australiens Süden. Zugleich gibt sie Einblick in 650 Millionen Jahre Erdgeschichte
Auf die Pirsch muss man in den Flinders Ranges (auch Flinderskette) gar nicht gehen. Kängurus hüpfen fröhlich durch den Campground am Wilpena Pound. Der Wombat riecht, dass beim Gemüseputzen etwas unter den Campingtisch gefallen ist und der rosafarbene Kakadu pickt schon mal auf dem Tisch herum. Emus stolzieren auf und ab, Hunderte von Vögeln schnattern. Aber natürlich würde man sehr viel verpassen, wenn man nur auf dem Campingplatz bliebe: Allen voran dieses wunderbar leuchtende Rot von einer der ältesten Landschaften der Welt, die gleichzeitig der längste Gebirgszug Australiens ist.
Der höchste Gipfel im Park ist zwar der St. Mary Peak mit 1.170 Metern, doch das Highlight schlechthin ist der siebzehn Kilometer lange und acht Kilometer breite Felskessel Wilpena Pound im Herzen der Flinders Ranges: Wie ein Meteoritenkrater sieht dieses riesige Amphitheater der Natur mit seinen mehrere Hundert Meter hohen, jäh abstürzenden Felswänden aus. „Entstanden ist er bei den Auffaltungen der Flinders Ranges“, erklärt Guide John. „Wir Aborigines aber sagen: Schlangen und Riesen der Traumzeit haben die Bergkette erschaffen.“John, der Aborigine vom Stamm der Adnyamathanha heißt natürlich anders, „aber meinen echten Namen könntest du gar nicht aussprechen ...“
In der Abendsonne scheinen die Wände zu brennen, so intensiv rot werden sie. „Wir verliehen den Namen gewölbte Hand und es ist ein heiliger Ort für uns“, sagt John. Er deutet auf einen kleinen, palmenähnlichen Baum ein paar Meter weiter: „Schau! Das ist unser Grastree. Aus dem haben wir Tee gemacht, aus der Blüte, aber auch Speere aus dem Stiel, Körbe aus dem Stroh, und Brennholz – vom Rest ...“. Er sagt: „Yura Udnyu“, macht eine kurze Pause. „Das heißt: unsere Kultur – deine Kultur.“Und er erklärt die Natur aus seiner, aus Aborigine-Sicht. „Im Sommer, also in eurem Winter, kann es bis zu fünfzig Grad heiß werden, dann ist man fast alleine mit einem sehr bedeutenden Stück Erdgeschichte“, schmunzelt Guide John. Jetzt im Frühjahr, also unserem Herbst, erlebt der Nationalpark aber eine wahre Farborgie, wenn Wildblumenteppiche mit rotem Granit und schwarzem Basalt um die Wette leuchten. Ihren Namen erhielt die Bergregion vom englischen Seefahrer Matthew Flinders, auf dessen Vorschlag der Fünfte Kontinent seit 1817 offiziell Australien heißt. „Heute gehört der Nationalpark wieder uns, den Adnyamathanha, aber wir haben das Land an den Staat verpachtet, um unsere Einkünfte zu sichern.“
John lädt zu einer Zeitreise in die Welt der Fossilien ein, zum Archaeological Trail in die Brachina Gorge, der vielleicht schönsten Schlucht der Flinders. Die 650 Millionen Jahre alten Fossilien zu finden, ist allerdings sehr schwer. Da braucht man schon John, sonst würde man einfach an den filigranen Schätzen vorbeistolpern. „Und weißt du was?“, fragt John. „Sogar Kate Winslet war da! Sie hat in dieser Schlucht ‚Holy Smoke‘ gedreht.“
Wenn einer der großen Flinders-Farmer zum Schafezählen geht, nimmt er den Hubschrauber oder die Cessna. So sieht man den roten „entblößten Knochen“in seiner ganzen Größe, wie es der Landschaftsmaler Hans Heysen formulierte. 430 Kilometer sind die Flinders Ranges lang. Letzter großer Versorgungsort ist das Landstädtchen Hawker mit Eisenbahnanschluss, Hotels, Geschäften, Tankstellen und dem Camel Hump, ein schöner Aussichtspunkt auf den Nationalpark.
Edelsteindorf
John erzählt von Andamooka: „In diesem Opaldorf, am nördlichen Westufer des Lake Torrens, wurde 1969 der größte Opal der Welt gefunden: die 6,8 Kilogramm schwere Wüstenflamme von Andamooka. Weltberühmt wurde auch der geschliffene 203 Karat schwere Andamooka Opal. Die australische Regierung hatte den Opal in den Farben Rot, Blau und Grün zusammen mit Brillanten in eine Halskette setzen lassen und Queen Elizabeth II. bei ihrem ersten Besuch in Südaustralien 1954 geschenkt.“Man hat den Eindruck, John erzählt diese Geschichte nur, weil er sie den Touristen erzählen soll, nicht weil er sie erzählen möchte … „Und wer sehen will, wie es um 1880 war, fährt 65 Kilometer nördlich von Wilpena Pound zu den Ruinen des alten Minenstädtchens Blinman“, setzt John fort. Touren führen zurück in die Blütezeit, als Kupfer abgebaut wurde. „Und danach, das sag’ ich dir, schmeckt das Bier im North Blinman Hotel, der einzigen Kneipe weit und breit, umso besser …“