ÜBER DEN TELLERRAND
Als ich ein Kind war, so in den frühen 1980ern, waren Klischees über Völker sehr verbreitet. Die Deutschen nicht besonders lustig, die Schweizer überhaupt nicht, die Italiener zu locker, die Engländer zu steif. Es ist ein Verdienst des europäischen Gedankens, dass solche Klischees weniger geworden sind, denn sie sind wie alle Verallgemeinerungen zwar Schenkelklopfer, aber dämlich.
„Die Finnen spinnen“, hält sich aber relativ robust. Vielleicht wegen des verlockend flotten Reims. Oder weil sie tatsächlich immer wieder durch originelles Sein auftreten. Etwa die Gröler beim Song Contest. Besonders deutlich wird die finnische Mentalität, wenn man durch Lappland streift. Im finnischen Teil, den Kollegin Maria Gurmann diesmal durchstreift (Seite 8/9), geht wenig über das Eisbaden und das Eisklettern. Hart und gesotten. Es passt also ganz gut, dass die nordischen Kombinierer, diese drahtigen Exemplare des Wintersports, ihren Saisonauftakt in Finnisch-Lappland begehen.
Mindestens einmal im Jahr lassen die Finnen ihre Reduziertheit allerdings zu Hause und feiern öffentlich so, dass es für das ganze Jahr reicht.
Als ich einmal just am 1. Mai in Helsinki ankam, entdeckte ich das hippiehafte Gefeiere zum Vappu-Tag. Es war neben den Tänzen der chinesischen Minderheiten von Hunan das Schrägste, das ich je erleben durfte: Zehntausende Menschen, vor allem Studenten, bevölkern die Parks anlässlich des Abschlusses, sie verkleiden sich hemmungslos, besaufen sich ebenso, und tanzen im Kaivopuisto Park zu Elektrobeats und Abba-Songs.
Finnland kann ganz schön bunt sein. Außer eben im Winter in Lappland. Da ist es weiß. Und wie.