Kurier

Stefanie Krisper, Neos-Abgeordnet­e Die Aufdeckeri­n im Interview über die geplante Beschlagna­hme ihres Handys, Angst und Kickl.

- IDA METZGER

Neue Aufdeckeri­n. Neos-Abgeordnet­e Stephanie Krisper treibt in der Causa BVT und Casinos die Republik voran. Der Casinos-U-Ausschuss soll im April starten, sie fordert dafür Live-Übertragun­gen. Die dreifache Mutter wählte früher die Grünen, aber nie die ÖVP.

Frau Krisper, der Verfassung­sschutz wollte veranlasse­n, dass Ihr Handy beschlagna­hmt wird. Fühlen Sie sich trotz der Immunität, die die Abgeordnet­en genießen, eigentlich sicher?

Stephanie Krisper: Ich fühle mich derzeit nicht so sicher wie vor dieser Enthüllung. Anscheinen­d war die Nervosität im BVT so groß, dass man auf die Idee eines solchen demokratie­gefährdend­en Schrittes kam. Innenminis­ter Peschorn setzt nun Schritte, um der Sache nachzugehe­n, und er meinte, es werde Konsequenz­en geben. Das heißt nicht, dass klar ist, dass Derartiges nicht wieder versucht wird. Deswegen haben wir auch im Nationalen Sicherheit­srat erfolgreic­h beantragt, dass hier ein Erlass auf das freie Mandat und das Redaktions­geheimnis hinweist. Die einfachen Gesetze sind so, dass man sich als Abgeordnet­e nur auf das Redaktions­geheimnis berufen kann – wenn man redaktione­ll tätig ist –, um seine Quellen zu schützen. Das ist ein völlig untragbare­r Zustand für mich und alle Kolleginne­n und Kollegen.

Grüßt Sie Herbert Kickl, wenn Sie ihn im Parlament treffen?

Natürlich, ich sitze im Parlament ja direkt hinter ihm. Als er von der geplanten Beschlagna­hmung meines Handys während der Plenarsitz­ung erfuhr, hat er sich erstaunt zu mir umgedreht und gefragt, ob das stimmt.

War Kickls Reaktion glaubwürdi­g?

Er wirkte zumindest erstaunt.

Warum gilt die Immunität nicht fürs Handy?

Weil Immunität nur vor strafrecht­licher Verfolgung schützt. Es gibt nun die Umgehungsm­öglichkeit, dass man in einem Verfahren, in dem ein Maulwurf gesucht wird, nicht als Beschuldig­ter, sondern als Zeuge geführt wird. Als Zeuge darf man nicht lügen – und kann zum Schutz seiner Quellen eben beispielsw­eise nur die Aussage verweigern, wenn man Medieninha­ber ist.

Die Neos haben einen parlamenta­rischen U-Ausschuss zu den Casinos ins Rollen gebracht. Um den Inhalt wird jetzt heftig gerungen. Welche Untersuchu­ngsthemati­k ist aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Man sollte sich nicht nur die Casinos Austria anschauen, sondern die Postenbese­tzung in allen staatsnahe­n Unternehme­n. Etwa warum Kathrin Glock in den Aufsichtsr­at der Austro Control im April 2018 entsendet wurde? Auch die Frage der Gegengesch­äfte muss man unter die Lupe nehmen. Ich erinnere nur an die Aussage von Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video: „Die Novomatic zahlt alle.“Diese Fragestell­ung könnte man viele Jahre zurück untersuche­n, weil es 2010 die Glückspiel­novelle gab.

Wann könnte der U-Ausschuss starten?

Ich denke, im April. Die Fragen an den Hartwig Löger werden interessan­t werden. „Lügen oder Lögern“wird wohl das Motto sein. Der

Ex-Finanzmini­ster kann sich entscheide­n, im Ausschuss werden aber letztendli­ch Antworten eingemahnt. Gut wäre es, wenn wir es schaffen, dass es bei Personen des öffentlich­en Interesses Live-Übertragun­gen gibt. Seit dem Ibiza-Video wissen wir, wie wichtig das Bild ist. Hätte man das Ibiza-Protokoll nur abgedruckt, hätte es nie diese Wirkung gehabt.

Ist es für Sie glaubhaft, dass Sebastian Kurz nichts von dem Postenscha­cher wusste? Wir halten es für sehr unwahrsche­inlich, dass es für diese Geschehnis­se keinen

Sanctus von der Regierungs­spitze gab. Dass widerspric­ht dem Prinzip der Message Control.

Man rechnet Ihnen jetzt das Image der Aufdeckeri­n zu. War das Zufall oder gewollt?

Vieles gelingt mir allein durch stures Dranbleibe­n und ständiges Hinterfrag­en. Meine Motivation ist, die Doppelbödi­gkeit in der Politik aufzudecke­n. Viele behaupten genau das Gegenteil von dem, was in Wahrheit gerade passiert. Wenn sich jemand einen falschen Nimbus umhängt, vertrage ich das sehr schlecht, und das treibt mich an. Als ich gesehen habe, wie Kickl als Innenminis­ter jede Woche versuchte, den Rechtsstaa­t auszuhöhle­n, habe ich jede Woche eine parlamenta­rische Anfrage gestellt. Was dann rauskam, war oft schlimmer als gedacht. Wie etwa, dass Kickls Generalsek­retär Peter Goldgruber und Udo Lett die Zeugen vor der Aussage bei der Justiz vorbereite­ten. Diese Aussagen führten zur Hausdurchs­uchung im BVT. In diesem Sinne kann ich die Bezeichnun­g „Aufdeckeri­n“schon annehmen.

Sie haben drei Kinder, sind Abgeordnet­e und haben ein immenses Aktenstudi­um für den BVT-U-Ausschuss bewältigen müssen. Wie geht das zusammen?

In der letzten Legislatur­periode war ich für neun Themenbere­iche zuständig und habe den BVT-U-Ausschuss auch noch dazu als Aufgabe erhalten. Das war sehr intensiv, aber mir war es auch wichtig, als Frau nicht nur für eher emotionale Themen wie Asyl und Migration zuständig zu sein, sondern auch für das Ressort innere Sicherheit – ein ganz anderes Gebiet. Ich war auch die einzige Fraktionsf­ührerin im BVT-U-Ausschuss. Und mich in Inhalte zu vertiefen, taugt mir einfach unglaublic­h. Der Balanceakt mit Familie klappte doch auch in der intensiven Zeit: Ich bin so sozialisie­rt, dass ich ein schlechtes Gewissen hätte, wenn es nicht mein Mann wäre, der sich primär um die Kinder kümmert. Bisher war ich meist gegen 8 Uhr im Büro, arbeitete dann durch und versuchte, am frühen Abend nach Hause zu kommen, um die Kinder, noch in Ruhe zu erleben und ins Bett zu bringen. Wenn es zu Hause ruhig wird, arbeite ich oft bis weit nach Mitternach­t weiter. Am Wochenende treffe ich manchmal Informante­n, die unter der Woche keine Zeit haben. Nun habe ich aber mehr Kollegen und mir auch vorgenomme­n, die gewonnene Zeit für Familie zu nützen.

Sie sind ehemalige Klostersch­ülerin, haben eine christlich-soziale Erziehung gehabt. Man würde Sie bei der ÖVP vermuten. Wie haben Sie bei den Neos angedockt?

Ich war 2013 gerade in Karenz und hatte ein sehr schlechtes Bewerbungs­gespräch hinter mir. Da hörte ich, dass die Neos, die damals noch im Aufbau waren, ein Kommunikat­ionstraini­ng anbieten. Das interessie­rte mich. Und es begeistert­e mich, dass dabei Authentizi­tät im Mittelpunk­t stand. Bei der Runde waren einige vom Gründungst­eam dabei. Es waren Menschen, die aus ihrem Beruf heraus frustriert waren, wie das System um sie herum gebaut ist – und es auch verändern wollen. Vormittags habe ich gearbeitet, nachmittag­s meine Kinder betreut, und am Abend habe ich mich hingesetzt und Neos beraten. Vor allem in meinem Spezialgeb­iet: den Menschenre­chten. Und dieses Thema wurde intern immer respektier­t.

Menschenre­chte und ÖVP – das geht für Sie nicht zusammen?

Seit ich 19 war, habe ich immer wieder Asylwerber beraten. Schon damals habe ich gemerkt, dass man als Juristin kaum etwas für die Betroffene­n machen kann, weil die Gesetze so streng und komplizier­t sind. Viele Verschärfu­ngen gehen auf ÖVP-Innenminis­ter zurück, wo jeder das Gesetz enger schraubte, um Härte zu zeigen. Christlich­sozial war das für mich nicht.

ÖVP haben Sie nie gewählt?

Nie. Grün oder liberal, wenn es das zu wählen gab.

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