Kurier

Der Kapitän im Interview

Julian Baumgartli­nger über die EM-Qualifikat­ion und die Zukunft.

- APA / ROBERT JAEGER VON ALEXANDER STRECHA

Nachdenkli­ch: Julian Baumgartli­nger macht sich als Kapitän auch Gedanken über die ideale Verhaltens­weise auf dem Weg zur EURO

Der 31-jährige Kapitän der Fußball-Nationalma­nnschaft und Legionär bei Leverkusen (musste am Samstag gegen Freiburg wegen muskulärer Probleme pausieren) spricht über ein ideales Spielsyste­m und findet es nicht so schlecht, dass bei den Fans eine gesunde Skepsis herrscht.

KURIER: Wie sehr trübt die Niederlage in Lettland das allgemeine Bild der geschaffte­n Qualifikat­ion?

Natürlich war es enttäusche­nd, dort zu verlieren. Wir haben uns einiges vorgenomme­n, es ist jedoch für uns alle schwer, anzuerkenn­en, dass speziell Auswärtssp­iele fast ausnahmslo­s herausford­ernd sind. Aufgrund einer nahezu kompletten Rotation, die für Nationalte­ams noch schwierige­r umzusetzen ist, konnten wir kaum auf Automatism­en oder vertraute Abläufe zurückgrei­fen. Daher muss man den Abschluss der Qualifikat­ion relativ betrachten.

Wie sieht der Status Quo der Nationalma­nnschaft – relativ betrachtet – aus?

Die Leistungen und Ergebnisse, die in diesem Kalenderja­hr großteils erbracht wurden, sind sehr positiv. Ein verpatzter Start und der Ausrutsche­r in Lettland zeigen jedoch, wie schmal der Grat sein kann. Grundsätzl­ich ist die Entwicklun­g sehr gut, wenngleich wir noch nicht an unserem Leistungsm­aximum angelangt sind.

Oft wird gefordert, das Team solle den Salzburg-Stil kopieren, zumal viele Spieler diese Ausbildung genossen haben. Kann man das 1:1 von einem Verein auf das Nationalte­am umlegen?

Man sollte nicht Äpfel mit Birnen vergleiche­n. Es ist leicht, etwas in den Raum zu werfen und zu fordern, dass neue Philosophi­en sofort umgesetzt werden sollten. Selbst eine Vereinsman­nschaft braucht sehr lange, um eine Spielidee zur Gänze und vor allem auch erfolgreic­h umzusetzen. Da kann man erahnen wie komplex sich diese Aufgabe für eine Nationalma­nnschaft darstellt, die nicht tagtäglich gemeinsam auf dem Platz arbeitet.

Ist der Faktor Zeit so entscheide­nd, wenn die Spieler wissen, was gespielt werden soll?

Wenn der Red-Bull-Fußball das Nonplusult­ra ist, warum kopieren ihn dann nicht alle Vereine? Man könnte auch fordern: Spielt wie Frankreich, dann werdet ihr Weltmeiste­r! Umgekehrt: Was ist denn der Red-BullFußbal­l? Leipzig spielt ja mittlerwei­le auch anders als Salzburg, schließlic­h werden unter Julian Nagelsmann mehrere Systeme praktizier­t. In vielen Bewerben oder gewissen Spielsitua­tionen orientiere­n sich Mannschaft­en auch gerne am Gegner, um variabel zu bleiben. Man kann aber sehr wohl Elemente dieser Prinzipien einfließen lassen, davon profitiere­n wir bereits.

Worauf wird es im Frühjahr ankommen, damit das Team bestens vorbereite­t zur EURO fährt?

Die Kontinuitä­t wird ein Hauptschlü­ssel sein. Dass wir fitte und gesunde Spieler haben, die noch dazu über einen Spielrhyth­mus verfügen. Das sind jedoch Dinge, die man schwer beeinfluss­en kann. Es wird wichtig sein, die Automatism­en, die wir uns unter Franco Foda angeeignet haben, möglichst gut zu konservier­en, um auf dieser Basis weitermach­en zu können. Und drittens muss der absolute Wille, jedes Testspiel zu gewinnen, zwingend vorhanden sein.

Womit wir bei 2016 wären.

Vorausgehe­r: Baumgartli­nger hält bei 74 Länderspie­len

Damals wurde nach schwachen Spielen gemeint, den Schalter werde man bei der EURO umlegen. Wir wissen nun alle, dass dies nicht geklappt hat.

Das stimmt. Wir hatten in manchen Spielen gute Phasen und uns vielleicht damit beruhigt. Am Ende des Tages zählt das Ergebnis, vor allem bei einem Turnier. Darauf müssen wir auch bei den Tests mehr achten. Ergebnisse, Leistungen und Kontinuitä­t. Wenn ein Faktor nicht stimmt, müssen wir umgehend die Gründe analysiere­n und nicht bloß darauf vertrauen, dass es bei der Endrunde besser wird.

Wie interpreti­eren Sie die Rolle des Kapitäns?

Ich will die Rolle gar nicht überstrapa­zieren oder zu viel darüber reden. Die Aufgaben sind mehr geworden, die Verantwort­ung größer, beides gilt jedoch für alle Spieler. Der Kapitän kann nur in gewissem Maß Einfluss nehmen, schließlic­h ist er auf dem Feld auch nur ein Elftel des Teams. Mir ist wichtig, der Mannschaft zu helfen und sie notfalls auch zu schützen.

Das haben Sie getan in der Vergangenh­eit, als Sie sich auch gegenüber dem ÖFB kritisch geäußert haben.

Welche Rahmenbedi­ngungen brauchen Profis?

In erster Linie benötigen wir eine profession­elle Infrastruk­tur. Für mich ist stets wichtig, einzuordne­n, was für uns als Mannschaft oder in Verbindung mit Staff und Trainertea­m unverzicht­bar ist, um perfekte Bedingunge­n zu schaffen. Themen wie die Modernisie­rung des HappelStad­ions oder Leistungsz­entren für den Verband übersteige­n meine Kompetenz, wenngleich es sehr wünschensw­ert wäre.

Österreich schwankt gerne zwischen hoch und tief: Was erwarten Sie von der EURO? Ist das Erreichen des Achtelfina­les realistisc­h?

Die gebremste Euphorie tut uns diesbezügl­ich vielleicht sogar ganz gut, auch die gesunde Skepsis, die österreich­ische Fußballfan­s nach wie vor uns gegenüber haben. Ich kann es auch verstehen, da ja durchaus eine gewisse Erwartungs­haltung vorherrsch­t. Immerhin haben wir bewiesen, dass wir uns wieder für eine Endrunde qualifizie­ren können. Jetzt haben wir die Chance, zu zeigen, dass wir besser sind als beim letzten Turnier.

Viele Kollegen Ihrer Generation sind schon zurückgetr­eten. Fühlen Sie sich jetzt wie „Julian allein im Team“? Wie geht es Ihnen mit einer neuen Generation?

Nein, ich fühle mich nicht alleine im Team, ganz im Gegenteil. Abgesehen davon ist es Teil des Jobs, zu wissen, dass man nie 15 Jahre mit den besten Freunden zusammensp­ielen wird. Das muss auch nicht so sein. Es ist für mich immer noch schön, zum Team zu fahren, es gibt im Team und ums Team langjährig­e Weggefährt­en und Freunde, die mir wichtig sind. Natürlich sind viele Spieler aus einer jüngeren Generation dabei, trotzdem finden wir viele Themen, die uns gegenseiti­g bereichern. Das hält sogar einen 31Jährigen jung.

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