Kurier

Vom ewigen Zweiten zum steirische­n Landesvate­r

Langer Karrierewe­g. Schützenhö­fer ist Wahlsieger – zum allererste­n Mal

- VON ELISABETH HOFER

Es musste schnell gehen. Nur eine Viertelstu­nde war am Wahlsonnta­g für Hermann Schützenhö­fers Stimmabgab­e in Graz-Andritz eingeplant. Ein Kreuzerl, ein paar Fotos und schon sollte es weitergehe­n.

Doch der „Landesherm­ann“war keineswegs gewillt, nur das Minimal-Programm zu absolviere­n. Mit kräftigem Händedruck begrüßte er Bekannte wie Unbekannte in seinem Wahllokal. Hier ein Witz, da ein Plausch, bis er sich dann wirklich sputen musste, um noch pünktlich zur Messe zu kommen.

Ob er für den Wahlsieg beten werde? „Na, das will ich dem Herrgott nicht zumuten“, sagte der 67-Jährige dem KURIER.

Lehre in der Steiermark

Ob es nun himmlische­r Beistand, der vorgezogen­e Wahltermin oder eine clevere Wahlkampfs­trategie war – weniger als acht Stunden später war es offiziell: Schützenhö­fer, der ewige Zweite, hatte die steirische Landtagswa­hl gewonnen. Zum ersten Mal in seiner Karriere.

Der Weg zu diesem ersten offizielle­n Wahlsieg war lang. Der gebürtige Niederöste­rreicher Schützenhö­fer kam einst in die Steiermark, um eine Kaufmannsl­ehre zu machen. Er trat der JVP bei und wuchs in die Partei hinein. Ein Platz in der ersten Reihe der steirische­n ÖVP war für den Konsenspol­itiker und Verfechter der Sozialpart­nerschaft dennoch nicht vorgesehen.

Nach der JVP wechselte er zum ÖAAB, wo er später Landesobma­nn war. Aus dieser Zeit habe er, der frühere Ministrant, den „Wertekompa­ss“für seine gesamte politische Arbeit mitbekomme­n, sagt er: die katholisch­e Soziallehr­e.

Gleichzeit­ig vertrat Schützenhö­fer immer wieder überrasche­nd liberale Positionen, trat etwa für gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften oder die Gesamtschu­le ein.

An die Spitze der Landespart­ei schaffte es der zweifache Vater 2005. Seine Vorgängeri­n Waltraud Klasnic trat ab, nachdem sie bei der Landtagswa­hl ein Debakel eingefahre­n hatte – das vormals schwarze Kernland wurde rot eingefärbt.

Doch wieder war Schützenhö­fer nur die Nummer zwei im Land. In die Grazer Burg zog nun der Sozialdemo­krat Franz Voves ein. Ausgerechn­et zum politische­n Gegner Voves sollte Schützenhö­fer eine langjährig­e enge Freundscha­ft aufbauen, die sich auch in der Landespoli­tik niederschl­ug: 2015 verwiesen die Wähler Schützenhö­fer und die ÖVP wiederum auf Platz zwei. In einer sogar für die eigenen Parteien überrasche­nden

„Geheimakti­on“vereinbart­en Voves und Schützenhö­fer daraufhin einen Deal: Voves würde zurücktret­en und seinem Freund Schützenhö­fer den Landeshaup­tmann-Sessel überlassen. Im Gegenzug sollte die rotschwarz­e „Reformpart­nerschaft“fortgesetz­t werden.

Der enttäuscht­e Freund

Es kam zuletzt anders. Ende August ging Schützenhö­fer auf den FPÖ-Antrag auf vorgezogen­e Neuwahlen und ein damit einhergehe­ndes Ende der rot-schwarzen Koalition ein. Als Begründung nannte er die schwierige Wirtschaft­slage.

Das nahm ihm sein (nunmehr ehemaliger) Freund Voves allerdings nicht ab. In einem offenen Brief warf er Landeschef Schützenhö­fer vor, „reine parteipoli­tische Machtpolit­ik“zu betreiben. Die Selbstinsz­enierung Schützenhö­fers als Politiker mit „Handschlag­qualität“hatte einen Kratzer.

Schützenhö­fer (67) ist seit 40 Jahren mit Frau Marianne verheirate­t. 2010 begann

er die Reformpart­nerschaft

mit Franz Voves

Strategisc­h war der Zeitpunkt für Neuwahlen für die ÖVP freilich günstig. Schützenhö­fer wollte endlich offiziell Erster werden und dazu auf der von Sebastian Kurz ausgelöste­n türkisen Erfolgswel­le mitschwimm­en.

Dabei hat der christlich­soziale Schützenhö­fer mit dem „neuen Stil“der ÖVP wenig am Hut. Statt Slim-FitAnzug trägt er oft ein Trachten-Sakko, wenn er redet, glaubt man, einer Predigt zu lauschen.

Er ist der aus der Zeit gefallene Landesvate­r: rührig, leutselig, mit Schmäh, Ruhe und Gelassenhe­it.

Schützenhö­fers Kritiker bezeichnen dieses Auftreten als träge. Sein Lieblingsw­ahlkampfsa­tz „Die Steiermark ist mein Leben“zeige, wie beschränkt sein Horizont sei, sagen sie. Sein einziges Interesse sei es, endlich eine Wahl zu gewinnen − vielleicht sogar um den Preis einer türkis-blauen Koalition.

Ein ungleiches Paar: Franz Voves (SPÖ) überließ seinem Freund Hermann Schützenhö­fer 2015 den Platz in der Grazer Burg

Verdoppelt. Für die Neos hieß es am Sonntag erst einmal abwarten. Hatten sie beim ersten Versuch im Jahr 2015 den Einzug in den Landtag mit 2,6 Prozent und ohne Grundmanda­t noch verpasst, so war Sonntagabe­nd zunächst nicht klar, ob trotz der Verdoppelu­ng der Stimmen auf 5,4 Prozent ein Grundmanda­t erreicht werden konnte.

Wenn ja, würden die Neos wohl auf zwei Mandate kommen, was bedeutet, dass die Klubstärke erreicht ist, die etwa Anspruch auf Räumlichke­iten im Landhaus mit sich bringt.

Mit dem 28-jährigen Spitzenkan­didaten Nikolaus Swatek war den Pinken bereits im April 2017 der Einzug in den Grazer Gemeindera­t gelungen – und das, obwohl vor allem im urbanen Raum Graz

Niko Swateks jubelte, obwohl der Landtagsei­nzug nicht fix war

die Grünen eine starke Konkurrenz für die Neos darstellen. Den Sitz im Gemeindera­t wird Swatek im Falle eines Einzugs wohl einem Kollegen überlassen.

„Endlich können wir für frischen Wind im Landtag sorgen“, kommentier­te er das Ergebnis.

Für die Pinken sei es nun der vierte Wahlerfolg in Folge gewesen, was ihn angesichts ihrer „kleinen Bewegung extrem glücklich“mache.

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Im schwarzen Anzug auf einer in türkises Licht getauchten Bühne zeigte sich Hermann Schützenhö­fer zum Wahlkampfa­uftakt Zweistelli­g.
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Erleichter­ung.
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