Vom ewigen Zweiten zum steirischen Landesvater
Langer Karriereweg. Schützenhöfer ist Wahlsieger – zum allerersten Mal
Es musste schnell gehen. Nur eine Viertelstunde war am Wahlsonntag für Hermann Schützenhöfers Stimmabgabe in Graz-Andritz eingeplant. Ein Kreuzerl, ein paar Fotos und schon sollte es weitergehen.
Doch der „Landeshermann“war keineswegs gewillt, nur das Minimal-Programm zu absolvieren. Mit kräftigem Händedruck begrüßte er Bekannte wie Unbekannte in seinem Wahllokal. Hier ein Witz, da ein Plausch, bis er sich dann wirklich sputen musste, um noch pünktlich zur Messe zu kommen.
Ob er für den Wahlsieg beten werde? „Na, das will ich dem Herrgott nicht zumuten“, sagte der 67-Jährige dem KURIER.
Lehre in der Steiermark
Ob es nun himmlischer Beistand, der vorgezogene Wahltermin oder eine clevere Wahlkampfstrategie war – weniger als acht Stunden später war es offiziell: Schützenhöfer, der ewige Zweite, hatte die steirische Landtagswahl gewonnen. Zum ersten Mal in seiner Karriere.
Der Weg zu diesem ersten offiziellen Wahlsieg war lang. Der gebürtige Niederösterreicher Schützenhöfer kam einst in die Steiermark, um eine Kaufmannslehre zu machen. Er trat der JVP bei und wuchs in die Partei hinein. Ein Platz in der ersten Reihe der steirischen ÖVP war für den Konsenspolitiker und Verfechter der Sozialpartnerschaft dennoch nicht vorgesehen.
Nach der JVP wechselte er zum ÖAAB, wo er später Landesobmann war. Aus dieser Zeit habe er, der frühere Ministrant, den „Wertekompass“für seine gesamte politische Arbeit mitbekommen, sagt er: die katholische Soziallehre.
Gleichzeitig vertrat Schützenhöfer immer wieder überraschend liberale Positionen, trat etwa für gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder die Gesamtschule ein.
An die Spitze der Landespartei schaffte es der zweifache Vater 2005. Seine Vorgängerin Waltraud Klasnic trat ab, nachdem sie bei der Landtagswahl ein Debakel eingefahren hatte – das vormals schwarze Kernland wurde rot eingefärbt.
Doch wieder war Schützenhöfer nur die Nummer zwei im Land. In die Grazer Burg zog nun der Sozialdemokrat Franz Voves ein. Ausgerechnet zum politischen Gegner Voves sollte Schützenhöfer eine langjährige enge Freundschaft aufbauen, die sich auch in der Landespolitik niederschlug: 2015 verwiesen die Wähler Schützenhöfer und die ÖVP wiederum auf Platz zwei. In einer sogar für die eigenen Parteien überraschenden
„Geheimaktion“vereinbarten Voves und Schützenhöfer daraufhin einen Deal: Voves würde zurücktreten und seinem Freund Schützenhöfer den Landeshauptmann-Sessel überlassen. Im Gegenzug sollte die rotschwarze „Reformpartnerschaft“fortgesetzt werden.
Der enttäuschte Freund
Es kam zuletzt anders. Ende August ging Schützenhöfer auf den FPÖ-Antrag auf vorgezogene Neuwahlen und ein damit einhergehendes Ende der rot-schwarzen Koalition ein. Als Begründung nannte er die schwierige Wirtschaftslage.
Das nahm ihm sein (nunmehr ehemaliger) Freund Voves allerdings nicht ab. In einem offenen Brief warf er Landeschef Schützenhöfer vor, „reine parteipolitische Machtpolitik“zu betreiben. Die Selbstinszenierung Schützenhöfers als Politiker mit „Handschlagqualität“hatte einen Kratzer.
Schützenhöfer (67) ist seit 40 Jahren mit Frau Marianne verheiratet. 2010 begann
er die Reformpartnerschaft
mit Franz Voves
Strategisch war der Zeitpunkt für Neuwahlen für die ÖVP freilich günstig. Schützenhöfer wollte endlich offiziell Erster werden und dazu auf der von Sebastian Kurz ausgelösten türkisen Erfolgswelle mitschwimmen.
Dabei hat der christlichsoziale Schützenhöfer mit dem „neuen Stil“der ÖVP wenig am Hut. Statt Slim-FitAnzug trägt er oft ein Trachten-Sakko, wenn er redet, glaubt man, einer Predigt zu lauschen.
Er ist der aus der Zeit gefallene Landesvater: rührig, leutselig, mit Schmäh, Ruhe und Gelassenheit.
Schützenhöfers Kritiker bezeichnen dieses Auftreten als träge. Sein Lieblingswahlkampfsatz „Die Steiermark ist mein Leben“zeige, wie beschränkt sein Horizont sei, sagen sie. Sein einziges Interesse sei es, endlich eine Wahl zu gewinnen − vielleicht sogar um den Preis einer türkis-blauen Koalition.
Ein ungleiches Paar: Franz Voves (SPÖ) überließ seinem Freund Hermann Schützenhöfer 2015 den Platz in der Grazer Burg
Verdoppelt. Für die Neos hieß es am Sonntag erst einmal abwarten. Hatten sie beim ersten Versuch im Jahr 2015 den Einzug in den Landtag mit 2,6 Prozent und ohne Grundmandat noch verpasst, so war Sonntagabend zunächst nicht klar, ob trotz der Verdoppelung der Stimmen auf 5,4 Prozent ein Grundmandat erreicht werden konnte.
Wenn ja, würden die Neos wohl auf zwei Mandate kommen, was bedeutet, dass die Klubstärke erreicht ist, die etwa Anspruch auf Räumlichkeiten im Landhaus mit sich bringt.
Mit dem 28-jährigen Spitzenkandidaten Nikolaus Swatek war den Pinken bereits im April 2017 der Einzug in den Grazer Gemeinderat gelungen – und das, obwohl vor allem im urbanen Raum Graz
Niko Swateks jubelte, obwohl der Landtagseinzug nicht fix war
die Grünen eine starke Konkurrenz für die Neos darstellen. Den Sitz im Gemeinderat wird Swatek im Falle eines Einzugs wohl einem Kollegen überlassen.
„Endlich können wir für frischen Wind im Landtag sorgen“, kommentierte er das Ergebnis.
Für die Pinken sei es nun der vierte Wahlerfolg in Folge gewesen, was ihn angesichts ihrer „kleinen Bewegung extrem glücklich“mache.