Kurier

Hoffen auf den Bürgermeis­ter-Bonus

Der Druck auf Michael Ludwig steigt. Im Poker um den Wahltermin werden die Grünen unberechen­barer

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

Bloß nicht mit dem Image des Verlierers in den Wahlkampf starten! – So lautet eine der internen Parolen der Wiener SPÖ vor der Gemeindera­tswahl im kommenden Jahr.

Seine Parteikoll­egen machen es Bürgermeis­ter Michael Ludwig wahrlich nicht leicht, diese Vorgabe in die Praxis umzusetzen.

Schon nach der verpatzten Nationalra­tswahl ging das Gerücht, dass Ludwig in Wien unter anderem deshalb so spät wie möglich wählen will, um Zeit dafür zu gewinnen, die Partei zu konsolidie­ren. Nach den roten Verlusten in der Steiermark steigt der Druck auf Ludwig weiter.

In der roten Bastion Wien muss die Serie an Niederlage­n enden.

Leichter gesagt als getan. Denn die Stimmung ist in der SPÖ nicht die beste. Unter Wiener Funktionär­en wird die Führungsfr­age immer offener gestellt. Strategisc­h nicht ganz einfach für Michael Ludwig, der sich zuletzt demonstrat­iv hinter seine Bundespart­eichefin Pamela Rendi-Wagner gestellt hat.

Auch Wirtschaft­sstadtrat Peter Hanke – selbst immer wieder als potenziell­er Hoffnungst­räger für den Bund im Gespräch – forderte unlängst im KURIER „Gefolgscha­ft“für Rendi-Wagner ein.

Es ist unklar, wie lange man aus Wien noch so deutliche Solidaritä­tsbekundun­gen hören wird.

Die erste Wahl

Tatsächlic­h geht es für Ludwig um viel: Es ist seine erste Wahl als amtierende­r Bürgermeis­ter. In der Partei schielt man nervös auf seine Bekannthei­tsund Beliebthei­tswerte.

Dass die SPÖ in Wien den ersten Platz verteidige­n wird, daran besteht zwar kein Zweifel. Im Rathaus geistert aber das Gerücht umher, dass ÖVP, Grüne und Neos bereits sind, eine Dreier-Allianz gegen die Roten zu schmieden.

In der Wiener SPÖ bezeichnet man das Steiermark­Ergebnis auf KURIER-Anfrage als „erwartbar“. Und man kann ihm sogar etwas Positives abgewinnen: Der Trend, dass die Amtsinhabe­r bestätigt werden, habe sich fortgesetz­t. Man werde alles daran setzen, dass auch in Wien die Bürgermeis­ter-Partei gestärkt aus der Wahl hervorgeht.

Selbstbewu­sste Grüne

Dennoch zeichnet sich in Wien zugleich eine unübliche Entwicklun­g ab: Die Grünen legen derzeit als kleiner Koalitions­partner weiter zu. Zumeist ist die Rolle des Juniors in einer Regierung eher undankbar.

Die Grünen tanken aber weiter Selbstbewu­sstsein. So viel, dass die Angst in der SPÖ wächst, dass ihr die Grünen zuvorkomme­n könnten – und von sich aus die RathausKoa­lition frühzeitig sprengen. Rote Stimmen wären ihnen wohl vor allem in den Innenbezir­ken sicher.

„Mit diesem erstmalig zweistelli­gen Votum wurde den Grünen deutlich das Vertrauen ausgesproc­hen“, sagte die grüne Vizebürger­meisterin Birgit Hebein am Wahlabend. „Die Zukunftsth­emen Klima- und Umweltschu­tz, soziale Gerechtigk­eit, Transparen­z und Kontrolle wurden massiv gestärkt.“Hebein verhandelt derzeit für die Grünen auch auf Bundeseben­e, und zwar die Sozialthem­en.

Alles nach Plan

Bei der ÖVP läuft derzeit alles nach Plan. Der Wiener Parteichef Gernot Blümel freute sich am Wahlabend über das „eindrucksv­olle Ergebnis“der steirische­n Kollegen. Er darf hoffen, im nächsten Jahr selbst ähnliche Glückwünsc­he zu erhalten. Zufrieden zeigten sich auch die Neos: Man habe in den vier jüngsten Wahlen dazugewonn­en.

Wiens FPÖ könnte durch die blaue Niederlage weiter destabilis­iert werden: Aus

gerechnet der eigene Ex-Chef Heinz-Christian Strache nutzt jede Schwäche, um Zwietracht zu säen (siehe Seite 2). Er plant die feindliche (Rück-)Übernahme der Partei – oder könnte 2020 mit einer eigenen Liste antreten. In beiden Fällen wird der Wiener Wahlkampf hart für die FPÖ. Man wolle einen „selbststän­digen und selbstbewu­ssten“

Wahlkampf führen, ließ man ausrichten. Dominik Nepp, der schon als Spitzenkan­didat präsentier­t wurde, genießt derzeit bei den Funktionär­en großen Rückhalt.

Die FPÖ war in der Vergangenh­eit die härteste Herausford­erin der SPÖ. Dass sie diese Rolle nun ausgerechn­et an die Grünen verliert, dürfte doppelt schmerzen.

Ob in Wien vor dem Herbst gewählt wird, ist somit weiterhin Gegenstand von Spekulatio­nen. Dass die SPÖ den Wahltermin vorzieht, um in einem heißen Sommer nicht mit dem Klimathema konfrontie­rt zu werden, wird aber immer unwahrsche­inlicher. Auch für den großen Befreiungs­schlag scheint derzeit die Kraft noch nicht zu reichen.

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Blick auf die Uhr: Die gemeinsame Zeit von Michael Ludwig und Birgit Hebein läuft langsam ab

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