Kurier

Olympia-Sieger in den Diszipline­n Schulden, Zinstief und Alterung

Japans Wirtschaft. Konjunktur­schwäche überschatt­et die Vorfreude auf die Olympische­n Spiele 2020 in Tokio.

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Der Jubel war groß, als vor etwas mehr als sechs Jahren Tokio als Ausrichter der Olympische­n Sommerspie­le 2020 (24. Juli bis 9. August) feststand. Die Japaner versprache­n sich davon auch Anschub für die seit Jahrzehnte­n schwächeln­de Wirtschaft.

Wenige Monate vor dem Sportfest ist ökonomisch­e Ernüchteru­ng eingekehrt. Der Patient hat einen Rückfall erlitten. Deshalb greift Japans Regierung zur gewohnten – wenngleich nicht wirklich bewährten – Therapie: Sie macht mehr Schulden.

Ein Sonderbudg­et von 10.000 Milliarden Yen (fast 84 Mrd. Euro) soll die Wirtschaft ankurbeln. Dabei ist die Finanzlage prekär: Die asiatische Industrien­ation ist seit geraumer Zeit Weltmeiste­r bei Staatsschu­lden. Diese belaufen sich auf fast 240 Prozent der Wirtschaft­sleistung.

Die Finanzspri­tze ist nötig, weil die Wirtschaft unter dreifacher Belastung leidet: Der Handelsstr­eit USAChina schadet exportlast­igen Technologi­efirmen. Die Wirbelstür­me richteten heuer besonders große Schäden an. Und im Oktober ist die Mehrwertst­euer von acht auf (immer noch moderate) zehn Prozent angehoben worden. Was die Konsumfreu­de der Japaner bremst.

Wachstum stagniert

Deshalb sind die Zahlen derzeit eher düster. Das Wachstum ist im dritten Quartal zum Erliegen gekommen, die Fabrikprod­uktion sieben Monate in Folge gesunken.

Dabei schien Japans Wirtschaft noch vor wenigen Monaten über den Berg zu sein. Die Thron-Übergabe an

Kaiser Naruhito im Mai und die Olympia-Vorbereitu­ngen sorgten für gute Stimmung. Erstmals schienen zudem die Rezepte von Langzeitpr­emier Shinzo Abe – lockere Geldpoliti­k, Finanzspri­tzen und Reformen – zu greifen.

Diese Hoffnungen sind nun geplatzt. Entgegen dem globalen Trend werden die Japaner immer unzufriede­ner; ihre Lebensfreu­de liegt mit 5,95 von 10 Punkten auch weit unter den österreich­ischen Werten (7,15).

Analysten sind skeptisch, ob die Konjunktur­spritzen viel bewirken. Große Infrastruk­turprojekt­e stießen auf Engpässe, weil der Arbeitsmar­kt fast leer gefegt sei, sagt Citigroup-Ökonom Kiichi Murashima: „Selbst wenn die Regierung die Zustimmung für ein großes Ausgabenpa­ket erhält, wird es schwer umzusetzen sein.“

Fenster in die Zukunft

Die westliche Welt verfolgt Japans Finanz-Experiment­e interessie­rt, weil sie wie ein Blick in die eigene Zukunft scheinen (unten). Allerdings ist nicht alles vergleichb­ar. Die Alterung wirkt in Japan verschärft, weil die extrem homogene Gesellscha­ft kaum Zuwanderun­g billigt: Nur 1,6 Prozent der Bevölkerun­g sind im Ausland geboren (Österreich: 19 Prozent). Dafür sind die Japaner duldsamer, was ihr Erspartes betrifft. Nach 20 Jahren Nullzinsen wären die 19 Euroländer wohl heillos zerkracht.

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Im Oktober wurde die Mehrwertst­euer erhöht – das hat der Konsumlaun­e einen Dämpfer verpasst

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