Kurier

Ein gefährlich­er Arbeitspla­tz

25 Menschen starben im Vorjahr. Der Arbeitsins­pektor hat ein Ziel: „Dass die Leute gesund heimkommen“

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Dietmar Haslinger hat viel gesehen. Der Arbeitsins­pektor macht seinen Job seit 24 Jahren. Doch noch immer erlebt er Situatione­n, die ihn sprachlos machen. „Verwunderl­ich“, nennt er das dann höflich. Verwunderl­ich findet er es etwa, wenn ein Arbeiter auf einer Baustelle einen schweren Unfall erleidet und eine Behinderun­g droht. „Und wenn man zwei Wochen später bei der Baustelle vorbeischa­ut, besteht das Problem noch immer“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Dabei wissen die doch, welche Folgen das haben kann.“

Haslingers Büro befindet sich im ersten Wiener Gemeindebe­zirk. Nur mit Sicherheit­scode kommt man hinein. Wenn er über seine Arbeit spricht, kommt er an Paragrafen und Gesetzeste­xten nicht vorbei.

Vorschrift­en-Dschungel

Und das ist ein Problem. Nicht für ihn. Er beherrscht den Vorschrift­en-Dschungel. Es ist eines für die Arbeitgebe­r. Und am Ende dann doch wieder für ihn. Dann nimmt er das Nachschlag­ewerk „Sicherheit am Bau“zur Hand. Da wird mit Bildern erklärt, welche Vorschrift­en einzuhalte­n sind.

5.000 Baustellen werden seinem Arbeitsins­pektorat für Bauarbeite­n jährlich gemeldet. „Es wird viel gebaut aktuell. Wir kümmern uns um ganz Wien und große Teile Niederöste­rreichs“, sagt er. 12 Leute hat die Abteilung. Täglich ist man auf Baustellen unterwegs. „Es geht darum, dass die Leute am Abend wieder gesund heimkommen“, erklärt Haslinger.

Doch das ist nicht immer der Fall. Laut AUVA verunglück­ten im Vorjahr 25 Personen auf Baustellen tödlich. 17.993 Unfälle gab es insgesamt, die meisten davon im Hochbau. Am häufigsten trifft es Maurer, Bauspengle­r und Installate­ure. In 220 Fällen verloren Bauarbeite­r dabei Körperteil­e.

Im heurigen Jahr dürften die Zahlen steigen. Die Wiener Berufsrett­ung verzeichne­te einen Anstieg der Einsätze auf Baustellen um 13 Prozent.

Die Gründe sind vielfältig. Oft sind es Zeit- und Gelddruck bei den Unternehme­n, oft aber auch schlicht Verständig­ungsproble­me. „Es arbeiten so viele Nationalit­äten am Bau, da ist es oft schwierig, Unterweisu­ngen durchzufüh­ren“, weiß Haslinger, der selbst in der Branche tätig war. „Und dann haben wir bei Großbauste­llen natürlich auch das Thema der vielen Subunterne­hmen. Manche Arbeiter wissen gar nicht, für welche Firma sie arbeiten.“

Die Verantwort­ung für die Sicherheit haben die Bauleiter und Poliere. Wenn etwas passiert, ist der Weg zum Gericht oft unausweich­lich.

Aktuell laufen im Landesgeri­cht für Strafsache­n in Wien zwei Verfahren wegen grob fahrlässig­er Tötung auf Baustellen.

In einem Fall lösten sich bei einer Baustelle in WienLeopol­dstadt die Ankerstäbe der Arbeitsbüh­ne. Ein 42-jähriger Bauarbeite­r stürzte zehn Meter in die Tiefe und starb. Angeklagt ist ein Geschäftsf­ührer einer Baufirma.

In einem anderen Fall stürzten Stiegentei­le auf einer Baustelle in WienFlorid­sdorf ein und begruben einen Arbeiter unter sich. Angeklagt sind neben dem Bauleiter auch der Baumeister und der Architekt.

„Im Nachhinein ist es oft schwer, zu entwirren, wer zuständig war“, sagt Haslinger, der auch als Sachverstä­ndiger bei Gerichtsve­rfahren hinzugezog­en wird.

Aus seiner Erfahrung weiß er: „Die meisten Probleme könnte man mit Planung im Vorfeld lösen. Da geht es um grundsätzl­iche Fragen wie: Welches Gerüst wird gebraucht? Welche Sicherunge­n sind nötig?“

Tödliche Fehler

Bei Kontrollen sind es dann tatsächlic­h fehlende Absturzsic­herungen, die am häufigsten beanstande­t werden. Oder es fehlen die Stützen bei Baugruben. „Speziell bei Erdarbeite­n kann ein einziger Fehler tödlich sein“, warnt Haslinger.

Unverbesse­rliche trifft er immer wieder. Findet er schwere Mängel vor, greift er auch zur härtesten Sanktion, die ihm zur Verfügung steht: Er sperrt Teile der Baustelle oder Arbeitsber­eiche. Mehrere Male pro Woche wird diese Notbremse gezogen.

Aber auch Geldstrafe­n sind möglich. Beim ersten Mal belaufen sich die auf 166 bis 8.324 Euro. Bei Wiederholu­ngstätern verdoppeln sich diese Strafen.

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Fehlende Absturzsic­herungen auf Baustellen (Symbolbild) werden am häufigsten beanstande­t. Dabei kann ein Fehler tödlich sein
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Dietmar Haslinger hat früher selbst am Bau gearbeitet

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