Die Kuh, die auf Bäumen wächst
Für einen Burger mit herzhaft-fleischigem Geschmack muss nicht unbedingt eine Kuh sterben. Dem Trend zum Fleischersatz-Produkt auf Pflanzenbasis schließen sich sogar Fast-Food-Ketten an. Aber der Gegentrend bleibt nicht aus: Als „zu künstlich“oder „zu chemisch“werden diese Produkte kritisiert. Dahinter steckt ein tief sitzendes Bild von unversehrter Natürlichkeit, das sich wissenschaftlich nicht rechtfertigen lässt. Gegner von pflanzenbasierten Fleischersatzprodukten warnen: Es handelt sich um „ultrahochverarbeitete Imitationen“mit Dutzenden Zutaten! Und zu diesen Zutaten zählen Chemikalien wie Methylcellulose
oder Butylhydrochinon. Das ist schwer auszusprechen, also muss es höchstwahrscheinlich giftig sein, das weiß doch jeder. Dass auch jeder BioApfel natürlicherweise zahlreiche Substanzen mit komplizierten Namen enthält, die bei künstlich hergestellten Produkten auf dem Beipackzettel extra mit mysteriösen E-Nummern aufgelistet werden müssten, ist hingegen nicht jedem klar.
„Man sollte nur Lebensmittel ohne lange Zutatenliste essen!“Diese Grundregel hört man erstaunlich oft, wissenschaftlich haltbar ist sie aber nicht. Natürlich gibt es hochverarbeitete Fertigprodukte, die ungesund sind, aber das ist nicht die Schuld der langen Zutatenliste. Rattengift hat eine ziemlich kurze Zutatenliste.
Ein Omelett aus frisch geernteten Bio-Knollenblätterpilzen auch. Hinter dem Mythos der kurzen Zutatenliste steckt ein völlig realitätsfremdes Bild einer gesunden, lebensfördernden Natur, der eine ungesunde, lebensfeindliche Technik gegenübersteht. Nichts daran ist wahr.
Tödliche Natur
In der Natur versucht pausenlos irgendetwas, uns umzubringen. Unsere Vorfahren wurden von Raubtieren gefressen, ernährten sich im Winter von vitaminarmen Wurzeln oder starben an völlig natürlichen Krankheiten, die heute problemlos heilbar sind. Es ist höchst unnatürlich, das ganze Jahr hindurch abwechslungsreiche, gesunde, schimmelund parasitenfreie Nahrung genießen zu können. Für diese Unnatürlichkeit sollten wir dankbar sein. Auch Bioprodukte sind längst etwas „Ultrahochverarbeitetes“. Unsere Nutzpflanzen und Nutztiere haben mit ihren prähistorischen Vorfahren nicht mehr viel zu tun. Wir Menschen haben unsere Umwelt radikal umgebaut, sonst wäre es völlig unmöglich, Milliarden von uns auf diesem Planeten zu ernähren. Das hat Nachteile, über die wir reden sollten. Aber es ist unvermeidlich, egal ob man sich von Biogemüse oder Chicken-Nuggets ernährt.
Der entscheidende Vorteil von Fleischersatz-Burgern liegt nicht darin, dass sie besser für unsere Gesundheit sind, sondern darin, dass sie besser für unseren Planeten sind. Sie lassen sich ressourcenschonender produzieren als Fleisch, man vermeidet das Klima-Gas Methan, das von Kühen ausgestoßen wird, und man braucht deutlich weniger Landfläche, um die gleiche Anzahl von Menschen zu ernähren. Wir bewahren die Natur also nicht, indem wir auf Technik verzichten. Wenn wir in Zukunft auf einem blühenden, gesunden Planeten leben wollen, brauchen wir wissenschaftlich durchdachte Lösungen. Nutzen wir sie – sie werden uns schmecken!
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Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich mit spannenden Themen der Naturwissenschaft und auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich als Wissenschaft tarnen.