Kurier

Zentralorg­an der Gesundheit

Vieles beeinfluss­t ihn. Hoffen auf neue Medikament­e gegen Entzündung­en

- VON ERNST MAURITZ

„ Der Darm ist unser wichtigste­s Immunorgan“, sagt die Immunologi­n Eva Untersmayr-Elsenhuber, MedUni Wien. „Er hat eine Oberfläche von 300 bis 400 Quadratmet­ern, die muss geschützt werden. Deshalb sind 80 Prozent der Immunzelle­n, Abwehrzell­en, im Darmgewebe.“

Die Leiterin der Forschungs­gruppe „Gastrointe­stinale Immunologi­e“ist ein Podiumsgas­t beim KURIERGesu­ndheitstal­k zum Thema „Der Darm – ein sensibles Organ“am Mittwoch in Wien.

„Das Mikrobiom – die Gesamtheit der Mikroorgan­ismen – steht im ständigen Austausch mit dem Immunsyste­m: Dadurch wird es trainiert.“Die Ernährung spielt dabei eine große Rolle: „Sie hat nicht nur einen Effekt auf die Zusammense­tzung der Darmflora. Einzelne Nahrungsbe­standteile beeinfluss­en Darmzellen, die dann wiederum die Barrierefu­nktion des Darms hinauf- oder hinabsetze­n.“Und da zeige sich immer stärker, dass eine fett- und zuckerreic­he Ernährungs­form Auswirkung­en auf das Immunsyste­m haben könne: Dass die Darmbarrie­re durchlässi­ger wird, Bakterien einwandern und Entzündung­szellen aktiviert werden.

Auffällig sei auch, dass echte Nahrungsmi­ttelallerg­ien deutlich zunehmen, etwa gegen Nüsse, Milch oder Fisch, seltener auch gegen Weizen. Letztere dürfe man aber nicht mit Zöliakie (Magen-Darm-Erkrankung als Folge von Glutenunve­rträglichk­eit) oder dem viel diskutiert­en Weizensens­itivitätss­yndrom verwechsel­n. „Wichtig ist, Patientenb­eschwerden immer ernst zu nehmen, auch wenn – wie bei diesem Syndrom – aufs Erste oft keine klare Ursache zu finden ist. Vieles wissen wir noch nicht.“

Chronisch entzündet

Einen deutlichen Anstieg der Häufigkeit hat es in den vergangene­n 50 Jahren auch bei den chronisch entzündlic­hen Darmerkran­kungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gegeben. Mittlerwei­le scheint auf hohem Niveau ein Plafond erreicht zu sein, sagt der Gastroente­rologe Walter Reinisch von der MedUni / AKH Wien. „Gleichzeit­ig hat sich aber auch Wahrnehmun­g dieser Erkrankung­en verbessert.“Genaue Zahlen gebe es keine, geschätzt dürfen es rund 60.000 bis 80.000 Patienten in Österreich sein.

Auch hier scheint eine Barrierest­örung des Darms eine Rolle zu spielen. Als Ursachen werden u. a. genetische Faktoren diskutiert, Umwelteinf­lüsse (z. B. Ernährung), Lebensstil

(z. B. Stress), Medikament­e (z. B. Antibiotik­a) und Rauchen: „Wir schließen gerade eine Studie ab, wonach sich Passivrauc­hen schlecht auf den Krankheits­verlauf – und wahrschein­lich auch auf das Krankheits­risiko – auswirkt.“

Rund um das Jahr 2000 kamen die ersten Biologika zum Einsatz. Diese biotechnol­ogisch hergestell­ten und per Infusion oder Injektion verabreich­ten Medikament­e greifen gezielt in den Entzündung­sprozess ein. „Mittlerwei­le steht uns eine Reihe von Präparaten mit unterschie­dlichen Wirkmechan­ismen zur Verfügung.“Zur Therapie der Colitis ulcerosa gibt es mittlerwei­le ganz neue zielgerich­tete Therapien in Tablettenf­orm. „Trotzdem werden aber erst zwischen 30 und 40 Prozent der Patienten beschwerde­frei.“Doch Reinisch ist zuversicht­lich: „Weltweit nehmen 50.000 Patienten an klinischen Studien teil. Das gibt Hoffnung, dass wir in Zukunft weitere Medikament­e zur Verfügung haben werden.“

 ??  ?? Die Ernährung ist einer von vielen Einflussfa­ktoren auf die Darmgesund­heit. Einseitige Ernährung reduziert die Zusammense­tzung und Vielfalt der Darmflora – mit negativen Folgen
Die Ernährung ist einer von vielen Einflussfa­ktoren auf die Darmgesund­heit. Einseitige Ernährung reduziert die Zusammense­tzung und Vielfalt der Darmflora – mit negativen Folgen
 ??  ?? Walter Reinisch: „Zunahme entzündlic­her Erkrankung­en“
Walter Reinisch: „Zunahme entzündlic­her Erkrankung­en“
 ??  ?? Eva Untersmayr-Elsenhuber: „Austausch mit Immunsyste­m“
Eva Untersmayr-Elsenhuber: „Austausch mit Immunsyste­m“

Newspapers in German

Newspapers from Austria