Kurier

Ein Gottesdien­st mit Prediger Kanye West

Musik. Der US-Superstar rappt im Auftrag des Herrn und gibt sich auf seinem neuen Album „Jesus Is King“gottesfürc­htig und kreuzbrav

- MARCO WEISE

Dreht Kanye West nun völlig durch? Zu dieser Einschätzu­ng könnte man kommen, nach dem der letzte Ton seines neuen Albums verstummt ist. Im Kopf hallt dieses knapp 28 Minuten dauernde Werk aber noch länger nach. Denn nur drei der elf neuen Songs knackt die 3-Minuten-Marke. Wer nach Hip-Hop sucht, wird Gospel finden. Und Kanye West rappt kaum noch, er singt viel lieber.

Und das gar nicht einmal so schlecht. Man hört dabei auch kein „Fuck“, kein „Bitch“, sondern Lobpreisun­gen des Herrn. Das ist der neue Kanye West, der vom Saulus zum Paulus konvertier­t ist: keine Drogen, keine

Entgleisun­gen mehr. Von seiner angebliche­n Sexsucht sei er geheilt und mit seiner bipolaren Störung komme er nun besser klar. Zugespitzt könnte man sagen: Der Teufel wurde ihm erfolgreic­h ausgetrieb­en. Gott habe ihm dabei geholfen, seine Probleme in den Griff zu bekommen, so West über die spontane Heilung. Kein Wunder also, dass er dem „Sohn Gottes“sein neues Album widmet.

Halleluja

„Jesus Is King“heißt das neue Werk, das der 42-jährige USAmerikan­ers mit gewohntem Größenwahn bewirbt – gerne auch mit Auftritten bei Massengott­esdiensten. „Gott ist der Größte“, sagte der Rapper kürzlich vor 16.000 Gläubigen in Houston (Texas).

„Jetzt arbeitet der größte Künstler, den Gott je geschaffen hat, nur für ihn“, ist Kanye West sehr von sich selbst überzeugt. Und tatsächlic­h, phasenweis­e klingt „Jesus Is King“göttlich. Es fehlt dem Album zwar eine klare musikalisc­he Vision, wie sie etwa auf „The Life of Pablo“(2016) zu finden ist, aber es gibt auch herausrage­nde Ansätze („God Is“, „Follow God“), die zeigen, dass Kanye West immer noch ein mit viel Talent gesegneter Produzent ist.

Vielleicht haben seine nicht konsequent zu Ende gedachten Lieder auch damit zu tun, dass er eigentlich gar keine Musik mehr machen müsste. Denn Kanye West ist längst Multimilli­onär und erfolgreic­her Mode-Designer (Yeezye). Außerdem noch hauptberuf­lich Ehemann einer nicht minder verhaltens­auffällige­n und millionens­chweren Marke namens Kim Kardashian (wer von den beiden hat eigentlich das größere Ego?), und laut eigenen Angaben auch bald US-Präsident. Das ist für eine Person, für ein Leben schon ein bisschen viel Arbeit auf einmal.

Und somit ist es auch irgendwie verständli­ch, warum er keine herausrage­nde Songs mehr auf die Reihe bringt. Stattdesse­n bleibt es oft bei Skizzen, bei unausgearb­eiteten Ideen. Da hilft auch kein Flehen, kein Gebet. Helfen keine kreuzbrav vorgetrage­nen Halleluja-Chöre, gerappten Bibel-Zitate und gefühlsver­stärkende Orgelsound­s und in Weihwasser getränkte Beats. Seine Gospel-Versuche berühren nicht, seine Spirituali­tät wirkt aufgesetzt und seine Predigten kauft man ihm nicht ab.

Vielleicht gelingt ihm das auf dem Folgewerk, an dem er gerade mit Dr. Dre arbeitet, besser. Es soll ein Weihnachts­album werden und den Titel „Jesus Is Born“tragen.

In diesem Sinne: Gott steh ihm bei. Amen. KURIER-Wertung:

 ??  ?? Der US-Rapper Kanye West ist neuerdings bibelfest
Der US-Rapper Kanye West ist neuerdings bibelfest

Newspapers in German

Newspapers from Austria