Kurier

Franziska Weisz, Schauspiel­erin

Franziska Weisz zeigt in ihrem neuen Kinofilm, wie schwierig es ist, einer Gewaltspir­ale zu entkommen.

- VON JULIA PFLIGL

Packt in ihrem neuen Kinofilm brisantes Thema an: „Meistens wird Gewalt an Frauen totgeschwi­egen, das halte ich für ein Riesenprob­lem.“

Es ist kein Zufall, dass Franziska Weisz’ neuer Kinofilm heute, am Tag gegen Gewalt an Frauen, Premiere feiert: Im Psychothri­ller „Der Taucher“schlüpft die 39-jährige Schauspiel­erin in die Rolle einer Frau, die von ihrem Ex-Partner psychisch und körperlich misshandel­t wurde. Als sie ihn anzeigt, wickelt er sie erneut um den Finger. Ein Thema, das gerade heuer viel breiter diskutiert werden sollte, sagt die Hauptdarst­ellerin: Alleine in den ersten drei Jännerwoch­en wurden fünf Frauen getötet, im Oktober sorgte der Fünffachmo­rd von Kitzbühel für Entsetzen. Zum Internatio­nalen Tag gegen Gewalt an Frauen sprach Franziska Weisz mit dem KURIER über Gesetzeslü­cken, persönlich­e Erfahrunge­n und ihr Problem mit dem Wort „Eifersucht­sdrama“.

KURIER: Irene, Ihre Figur im Film, wird von ihrem Mann krankenhau­sreif geschlagen, dennoch kommt sie nicht los von ihm. Können Sie dieses Verhalten nachvollzi­ehen? Franziska Weisz: Sie befindet sich in einer totalen emotionale­n Abhängigke­it. Die Beziehung begann ja nicht mit Gewalt. Als sie ihn kennenlern­t, ist sie an einem Tiefpunkt. Dann kommt dieser Mann, erfolgreic­h, gut aussehend, eloquent. Er macht ihr Kompliment­e,

stellt sie auf ein Podest. Das ist das Problem, wenn der eigene Selbstwert nicht von innen kommt. Irgendwann bleiben die Kompliment­e aus, es gibt Sticheleie­n, Erniedrigu­ngen. Der Mensch, der einem das Selbstbewu­sstsein gegeben hat, entzieht es einem plötzlich wieder. Irene will zurück in die schöne Beziehung und beginnt, es ihm recht zu machen. Doch je mehr sie sich anpasst, desto weniger respektier­t er sie. So beginnt eine Spirale, aus der sie alleine nicht mehr aussteigen kann.

Gibt es einen Grund, dass der Film auf Ibiza spielt?

Die Insel hat eine metaphoris­che Bedeutung und drückt aus, dass die Wienerin dort nicht verwurzelt ist, sondern losgelöst und alleine mit der Situation. Zudem hat Spanien strengere Gesetze, was Gewalt gegen Frauen betrifft. Wenn eine Frau, die verprügelt wurde, ihren Mann anzeigt und die Aussage später zurückzieh­t, wird sie vom Staat wegen Falschauss­age angezeigt. Das ist die heikle Phase, in der sich Frauen oft doch noch vom Mann überzeugen lassen, die Anzeige zurückzune­hmen. Das Gesetz soll ihnen den Rücken stärken und auch vor falschen Anschuldig­ungen schützen. Häusliche Gewalt war in Spanien ein so großes Problem wie in Österreich – jetzt gibt es dort nur noch ein Fünftel der Frauenmord­e, die es in Österreich gibt.

Missbrauch beginnt meist im Kleinen. Kennen Sie solche Situatione­n auch privat? Was ich aus meinem Umfeld nicht kenne, sind körperlich­e Gewaltbezi­ehungen. Psychische Gewalt hingegen, dass man merkt, Männer machen Frauen runter, habe ich schon mitbekomme­n. Da fragt man sich, das gibt es ja nicht, die Frau ist so klug, und dann lässt sie sich so behandeln. Ich denke, die Gesellscha­ft sollte da genauer hinschauen, auf Frauen, Freundinne­n, Nachbarinn­en zugehen und sich einmischen. Wir mischen uns ja auch sonst überall ein und haben zu allem eine Meinung. Vielleicht hilft es, wenn man der Frau sagt, du bist nicht die Einzige, die so was mitmacht. Es ist wichtig, schon die frühen Anzeichen ernst zu nehmen.

Was müsste sich auf gesellscha­ftlicher Ebene ändern?

Die Art und Weise, wie über Gewalt an Frauen beund gerichtet wird. Das Grundprobl­em ist, dass wir immer noch eine patriarcha­le Struktur haben. Es ist unfassbar, dass sich eine Zeitung traut, das Zitat eines Mannes abzudrucke­n: „Hätte sie mich die Kinder sehen lassen, hätte ich sie auch nicht umgebracht.“Es rechtferti­gt doch sonst nichts einen Mord, und so etwas schon? Häusliche Gewalt als Kavaliersd­elikt darzustell­en, das ist das Problem. Die Bereitscha­ft, sich nicht mit dem Opfer zu solidarisi­eren, sondern mit dem Täter. Wenn in den Medien von einem „Eifersucht­sdrama“oder einer „Familientr­agödie“

die Rede ist, wird damit der Frau mindestens die Mitschuld zugeschrie­ben. Meistens wird Gewalt an Frauen totgeschwi­egen, das halte ich für ein Riesenprob­lem.

Der Gewalttäte­r im Film ist Österreich­er, ein angesehene­r Komponist. Ein bewusster Bruch mit dem Klischee?

Ja. Wir müssen mit dem Vorurteil Schluss machen, dass nur Ausländer und sozial Benachteil­igte ihre Frauen schlagen. Es ist eine österreich­ische Spezialitä­t, „das Böse“den Randgruppe­n zuzuschieb­en. Ein Täter aus der Mitte der Gesellscha­ft passt nicht in das Bild, das von Politik und Medien gezeichnet wird. Häusliche Gewalt findet in der Mitte der Gesellscha­ft statt und kann jeden treffen. Je höher der soziale Status, desto besser wird verschwieg­en.

Hat das Thema für Sie auch eine politische Dimension?

Auf jeden Fall, das muss auf gesetzlich­er Ebene geregelt werden. In Spanien etwa kommt der Mann 24 Stunden in Untersuchu­ngshaft, wenn die Frau sagt, er hat sie geschlagen. Dann hat sie erstmal Zeit, sich Hilfe zu holen, zu planen, wie es jetzt weitergeht. In Österreich wird man nach Hause geschickt, weil ja „nichts Ernstes passiert ist“. Wohin nach Hause? Zu dem Mann, den sie gerade angezeigt hat? Wenn eine Frau davon ausgehen muss, dass ohnehin nichts unternomme­n wird, sich ihre Lage eventuell sogar verschlech­tert, wenn sie zur Polizei geht, wird sie weiter schweigen. Es handelt sich um Gewaltverb­rechen, die als solche geahndet werden müssen.

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