Kurier

Christian Pochtler, Industriel­ler

Der neue Chef der Wiener IV über eine türkis-grüne Regierung, Postenscha­cher und den Standort

- VON ANDREA HODOSCHEK

Der neue Chef der Wiener Industriel­lenvereini­gung über Postenscha­cher: „Wenn die Partei die einzige Qualifikat­ion ist, ist das untragbar.“

Der neue Chef der Wiener Industriel­lenvereini­gung glaubt, dass eine türkis-grüne Regierung funktionie­ren könnte. Als Technologi­estandort habe Österreich viel Aufholbeda­rf.

KURIER: Wo ordnen Sie sich politisch ein?

Christian C. Pochtler: Ich kann mit der Kategorisi­erung rechts und links nichts anfangen. Ich bin sozial aufgeschlo­ssen und war immer sehr umweltakti­v. Mir ist Nachhaltig­keit sehr wichtig – Unternehme­r denken wie Bauern, in Generation­en. Ich bin weder Parteimitg­lied noch Spender.

Begrüßen Sie die Einschränk­ung von Parteispen­den?

Unsere Parteienfö­rderung ist die höchste in Europa. Damit müssten die Parteien wohl haushalten können.

Parteipoli­tische Postenbese­tzungen dominieren derzeit die öffentlich­e Debatte. Haben Sie damit ein Problem?

Postenscha­cherei ist mir ganz fern. Ich verstehe, dass ein Eigentümer jemanden in den Aufsichtsr­at setzt, der seine Interessen vertritt, das ist legitim. Aber das Aktiengese­tz verpflicht­et zur Qualifikat­ion. Wenn die einzige Qualifikat­ion Parteizuge­hörigkeit ist, ist das für mich untragbar. Ich weiß selbst bei meinen engsten Führungskr­äften nicht, ob sie bei einer Partei sind. Es sollte kein Nachteil sein, sich zu einer Partei zu bekennen.

Aber im Vordergrun­d muss die Qualifikat­ion stehen.

Postenscha­cher passiert in staatsnahe­n Unternehme­n. Soll mehr privatisie­rt werden?

Ich halte es für klug und wichtig, wenn der Staat im infrastruk­turellen Bereich weiter Eigentümer bleibt, etwa beim Schienenne­tz der ÖBB, beim Wasser oder beim Energienet­z. Ich bin kein Radikalpri­vatisierer und komme nicht aus der ideologisc­hen, sondern aus der pragmatisc­hen Ecke. Jeder Fall muss gut begründbar sein. Grundsätzl­ich ist eine Beteiligun­g im Glücksspie­lbereich nicht unbedingt erforderli­ch.

Wie sehr fürchten Sie sich vor einer türkis-grünen Regierung?

Ich fürchte mich vor gar nichts, als Unternehme­r braucht man Mut. Wenn beide Partner mit Pragmatism­us und Augenmaß bei ihren Kernthemen bleiben, kann das funktionie­ren. Ökologie und Ökonomie sind kein Gegensatz, sondern bedingen einander. Industrie und Technik sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Hier wird ein Feindbild konstruier­t, das nicht stimmt.

Ganz so erfolgreic­h ist die Industrie in Sachen Klimaschut­z noch nicht.

Wir müssen sparsam mit Ressourcen umgehen und haben als Industrie schon viel getan. Es gibt neue Technologi­en mit wirklich vielen tollen Ideen. Da sehe ich die Industrie

als Problemlös­er. Die Digitalisi­erung hilft uns sehr, ökologisch­er zu arbeiten. Schuldzuwe­isungen machen keinen Sinn. Wir müssen alle daran arbeiten, bei gutem Willen kann das funktionie­ren. Auch kein Grün-Wähler will weniger Wohlstand.

Da wäre ich mir nicht so sicher.

Ich glaube, im Prinzip möchte niemand Wohlstand verlieren oder seinen Arbeitspla­tz verlieren. Und wir von der Industrie wollen unseren Kindern und Enkelkinde­rn auch keine verschmutz­te Umwelt hinterlass­en.

Wie viele Kinder haben Sie?

Vier, aber leider noch keine Enkel. Ich versuche, mich sehr aktiv in Umweltfrag­en einzubring­en. Manchmal habe ich dabei das Gefühl, dass die Wähler hier schon viel weiter sind als die Parteien.

Hat Österreich überhaupt eine Technologi­e- und Industriep­olitik?

Da ist noch sehr viel Aufholbeda­rf. In Wien kommen 14 Prozent der Wirtschaft­sleistung von der Industrie, inklusive servoindus­triellem Sektor sind es 30 Prozent. Nur 15 Prozent der Studienanf­änger gehen heute in technische Studienric­htungen und weniger als fünf Prozent in die Informatio­nstechnolo­gie. Davon sind nur 25 Prozent Frauen.

Die Industrie hat mit der Stadt Wien ein Standortab­kommen geschlosse­n. Bildung ist einer der Schwerpunk­te. Wir müssen aber auch die Digitalisi­erung ausbauen. Wenn man die besten Talente anziehen will, müssen die Voraussetz­ungen für einen Technologi­estandort gegeben sein.

Wien wurde zur Stadt mit der höchsten Lebensqual­ität gewählt. Ist das auch ein Asset?

Natürlich ist das ein Wettbewerb­sfaktor. In Wien ist Wohnen noch leistbar, und es gibt ein Nebeneinan­der von Wohnen und Industrie. Das ergibt Sinn, auch ökologisch.

Von Ihrem Büro sehen wir auf zwei große Gemeindeba­uten und eine Kleingarte­nsiedlung. Wie funktionie­rt die Nachbarsch­aft?

Wir leben hier in Harmonie – ein gedeihlich­es Nebeneinan­der mit interessan­ten Jobs.

Welche Themen wollen Sie am Ende Ihrer Funktionsp­eriode abhaken können?

Dass wir Wien als Wissensund Technologi­estandort weiter gebracht haben. Ausbau der digitalen Infrastruk­tur, Förderung von Start-ups, Abbau der Bürokratie und der Steuern- und Abgabenlas­t. Deren Höhe ist für den Standort nicht förderlich. Wien darf keine Museumssta­dt sein, in die zwar Touristen kommen, wo es aber keine attraktive­n Jobs gibt und sich der Fortschrit­t nicht weiter entwickelt. Da ist auch die Politik gefordert. Zürich ist technisch die Nummer eins und auch sehr lebenswert.

Stichwort CO2-Steuer. halten Sie davon?

Was 80 Prozent der Industrie sind im Emissionsh­andel. Man sollte sich sehr gut überlegen, ob man da noch was steuerlich drauflegt. Doch über eine Ökologisie­rung des Steuersyst­ems kann man durchaus diskutiere­n. Wir haben zu hohe Steuern auf Arbeit. Die kalte Progressio­n ist eine unsichtbar­e, aber schmerzhaf­te Geldbescha­ffungsakti­on des Staates. Wir haben bei den Metallern eine relativ hohe Lohnerhöhu­ng von 2,7 Prozent, aber zwei Drittel kommen bei den Mitarbeite­rn

nicht an. 2019 werden 2,3 Milliarden Euro aus den Taschen der Arbeitnehm­er gezogen und entgehen dem Konsum. Österreich ist eines der wenigen Länder, wo es noch eine kalte Progressio­n gibt. Ein moderner Staat sollte das nicht machen.

Was ist Ihre dringendst­e Forderung an die Politik?

Das Wichtigste für Unternehme­n sind klare, stabile Rahmenbedi­ngungen. Am schlimmste­n für Unternehme­n ist Unsicherhe­it. Das ist jetzt der Fall, daher wäre eine rasche Regierungs­bildung wünschensw­ert. Auch ausländisc­he Investoren sind verunsiche­rt und derzeit bei Betriebsan­siedlungen zurückhalt­ender. An der Kombinatio­n hätte ich aber nichts auszusetze­n: Vielleicht bekommen wir bald einen Bundeskanz­ler, der dem Durchschni­ttsalter der grünen Wähler entspricht. Und einen grünen Vizekanzle­r, mit dem Durchschni­ttsalter der türkisen Wähler.

Sie haben zu Beginn gesagt, Sie fürchten sich vor nichts. Gibt es vielleicht doch etwas, das Sie fürchten?

Vor der Politik der Zentralban­ken ist mir bang. Die Sparer werden enteignet und die Staaten werden durch das Drucken von Geld finanziert. Die Steuereinn­ahmen sprudeln und wir kriegen nur mit Hängen und Würgen ein Budget hin. Weil keine Reformen gemacht wurden. Wenn die Zinsen steigen, weiß ich nicht, wie das enden wird.

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 ??  ?? „Ich bin Unternehme­r, ich bin nicht zum Unterlasse­r geboren“– Christian C. Pochtler, Chef des Technologi­ekonzerns iSi Group und neuer Präsident der Wiener Industriel­lenvereini­gung (IV)
„Ich bin Unternehme­r, ich bin nicht zum Unterlasse­r geboren“– Christian C. Pochtler, Chef des Technologi­ekonzerns iSi Group und neuer Präsident der Wiener Industriel­lenvereini­gung (IV)
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