Kurier

„Die Positionie­rung der SPÖ ist zu eng“

Gerhard Zeiler. Der Medienmana­ger sagt, woran die Sozialdemo­kratie krankt, und wie sie genesen kann

- VON JOHANNA HAGER

Er war Pressespre­cher von Fred Sinowatz in den 70ern, ORF-Generalsek­retär in den 80ern, ORF-Chef in den 1990ern. 2016 geht die Entscheidu­ng der FaymannNac­hfolge für Christian Kern und gegen ihn aus. Einen Tag nach der Steiermark-Wahl legt das „einfache Parteimitg­lied“Gerhard Zeiler (64) „Leidenscha­ftlich rot“vor: „ein subjektive­s Buch“, das er nicht als „Abrechnung“verstanden wissen will.

KURIER: Zeitgleich zu Ihrer Buchpräsen­tation ist Michael Schickhofe­r in der Steiermark zurückgetr­eten, in Deutschlan­d sagt JusoChef Kevin Kühnert: „An Nikolaus ist GroKo-Aus.“Woran krankt die Sozialdemo­kratie in Europa?

Gerhard Zeiler: Ich glaube, es gibt eine Diagnose in mehreren Teilen. Erstens: Nicht genug Menschen wissen, wofür heute die Sozialdemo­kratie steht oder nicht steht. Das war zu Zeiten Bruno Kreiskys, Franz Vranitzkys aber auch zu Zeiten Gerhard Schröders, Willy Brandts und Helmut Schmidts anders. Da hat man das genau gewusst. Zweitens glaube ich nicht, dass ein „Zurück zur reinen Lehre“– also das Beschränke­n nur auf die Interessen und Bedürfniss­e der Stammwähle­rschaft – die richtige, inhaltlich­e Profilieru­ng ist.

Was ist richtig?

Schauen Sie doch zurück: Unter den genannten Personen waren die sozialdemo­kratischen Parteien Volksparte­ien. Linke, progressiv­e Volksparte­ien, denen es gelungen ist, eine Koalition zu schmieden aus Arbeitnehm­ern und Intellektu­ellen, aus Studenten und Lehrlingen,

„Leidenscha­ftlich rot“: Das Buch von Gerhard Zeiler ist im Handel

aus städtische­r und ländlicher Bevölkerun­g. Deshalb glaube ich, dass die heutige Positionie­rung der SPÖ vielfach zu eng ist. Um nicht missversta­nden zu werden: Das zentrale Thema jeder sozialdemo­kratischen Partei muss immer die Frage der sozialen Gerechtigk­eit, des sozialen Ausgleichs sein.

Ihre Definition einer breiten Sozialdemo­kratie klingt mehr nach der ÖVP?

Nein. Ich glaube nicht, dass das die Volksparte­i so definiert. Ich definiere es so: Ein deutliches Mehr an sozialer Gerechtigk­eit, ein Mindestloh­n von zehn Euro pro Stunde, ein soziales Wohnbaupro­gramm, Beihilfe für Alleinerzi­ehende und im Klimawande­l für mehr Nachhaltig­keit an vorderster Front zu stehen. Ich habe es für einen Fehler gehalten, dass die SPÖ dieses Feld, das das Thema für die Jugend ist, ausschließ­lich den Grünen überlassen hat. Mein Hausversta­nd sagt mir, dass wir diejenigen Brennstoff­e, die mehr CO2 ausstoßen, verteuern, und die kein oder wenig CO2 ausstoßen, verbillige­n müssen. Das ist die Beschreibu­ng einer CO2-Abgabe, die natürlich mit sozialem Ausgleich umgesetzt werden sollte. Dass die Sozialdemo­kratie da nicht aufgesprun­gen ist, das verstehe ich aus inhaltlich­en und taktischen Gründen nicht.

Gibt es ein Thema, mit dem sich die SPÖ profiliere­n könnte? Die SPÖ muss aus meiner Sicht die gesamte Breite abbilden. Bei sozialer Gerechtigk­eit hat die SPÖ de facto ein Alleinstel­lungsmerkm­al. Im Kampf um Nachhaltig­keit und Klimaschut­z gibt es derzeit nur die Grünen. Hier muss die SPÖ an vorderster Front stehen. Da ist die ÖVP weit weg, von den Freiheitli­chen und Neos gar nicht zu reden. Wir brauchen eine sozialdemo­kratische Antwort auf die Migration.

Was ist Ihre Antwort auf die Migration?

Nicht die Aushöhlung des Asylrechte­s, sondern ganz klar Regeln schaffen für das Zusammenle­ben, de facto einen Vertrag schließen mit jedem, der zu uns kommt. Auf der einen Seite stehen Rechte wie „Wir tun das Bestmöglic­he für Dich, damit Du eine Ausbildung, einen Job und eine leistbare Wohnung bekommst. Auf der anderen Seite hast Du Pflichten: Die Pflicht, Deutsch zu lernen und unsere europäisch­en Werte – die Gleichstel­lung von Mann und Frau, die Trennung von Kirche und Staat, österreich­ische Gesetze und nicht die Scharia, Meinungsfr­eiheit, Menschenre­chte – das alles musst Du akzeptiere­n.“Das ist der Vertrag, ich glaube, dass das eine Antwort ist, die man geben kann und geben soll. Da darf sich die Sozialdemo­kratie nicht herumschwi­ndeln.

Das Video zum Interview finden Sie auf www.kurier.at

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