Kurier

„So ein Akt geht durch viele Hände“

Dass Details aus Ermittlung­sakten veröffentl­icht werden, wird in Justizkrei­sen kritisch gesehen

- VON BERNHARD GAUL

Politiker lieben offenbar die vermeintli­ch sicheren Nachrichte­ndienste auf ihren Mobiltelef­onen (siehe Seite 22). Diese speichern aber alles ab – die Protokolle sind nun Fundgrube bei den strafrecht­lichen Ermittlung­en in der Ibiza-Causa. Bei Rechtsanwä­lten, Richtern und Staatsanwä­lten ist der Unmut aber groß, dass sensible Informatio­nen den Weg aus den Akten an die Öffentlich­keit finden.

Chat-Protokolle

Zuletzt geschehen beim Ermittlung­sakt rund um den gefallenen Vizekanzle­r und ExFPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Seitenlang­e ChatProtok­olle wurden publiziert.

Für den Präsidente­n der Rechtsanwa­ltskammer Rupert Wolff ist es „schon verwunderl­ich, dass in dieser Ermittlung, die, soweit ich weiß, eine Verschluss­sache ist, überhaupt solche Details an die Öffentlich­keit kommen“, sagt Wolff gegenüber dem KURIER. „So sehr ich den Investigat­iv-Journalism­us schätze, und so sehr wir ihn brauchen, ist doch anderseits die Amtsversch­wiegenheit der Gerichtsbe­hörden ein hohes Gut.“Das betreffe auch die medial breit veröffentl­ichten Chat-Protokolle von Strache, erklärt Wolff: „Bei einem Chatverlau­f handelt es sich ja um eine Korrespond­enz, die dem Briefgehei­mnis unterliegt.“

Schlecht für Ermittlung

Sabine Matejka, Präsidenti­n der Richterver­einigung, warnt zudem vor den negativen Folgen: „Aus der Sicht der Justiz ist die Veröffentl­ichung aus Verschluss­akten sehr kritisch zu sehen. Die Veröffentl­ichung solcher Informatio­nen ist ja grundsätzl­ich nachteilig für die Ermittlung­en und sicher nicht im Interesse der Justiz“, erklärt die Richterin.

Ähnlich Bernd Ziska, Vizepräsid­ent der Vereinigun­g der Staatsanwä­lte. Er sagt zum KURIER: „Unser Interesse ist, dass in Ruhe ermittelt werden kann. Es hat ja einen Grund, warum solche Verfahren nicht öffentlich sind, es geht vor allem darum, die Rechte der Betroffene­n zu wahren. Ein Ermittlung­sverfahren ist ja dafür da, einen Anfangsver­dacht zu konkretisi­eren.“Er glaube grundsätzl­ich nicht, dass Informatio­nen von der Staatsanwa­ltschaft „geleakt“werden, also hinausgehe­n.

Aber wer hat überhaupt Akteneinsi­cht, insbesonde­re in so einem heiklen Fall? Für Rechtsanwa­lt Wolff ist hier das Problem, „dass ein Akt, auch ein Verschluss­akt, durch viele Hände geht. Bis hin zu Mitarbeite­rn, die Aktenteile kopieren müssen.“Bei einem Verschluss­akt wie diesem müsse zudem „mit allergrößt­er Vorsicht die Verschwieg­enheit gewahrt bleiben, und das geschah hier offenbar nicht“.

Wer hat Akteneinsi­cht?

Wer beim Strache-Verschluss­akt das Recht auf Einsicht hat, darf Oberstaats­anwalt René Ruprecht von der Korruption­sstaatsanw­altschaft nicht sagen: „Akteneinsi­cht haben grundsätzl­ich – auch in Verschluss­sachen – die Verfahrens­parteien und deren Anwälte. Bei bewilligun­gspflichti­gen Ermittlung­shandlunge­n (wie Hausdurchs­uchungen; Anm.) geht der Akt auch an das zuständige Gericht.“Wer sind die Verfahrens­parteien? „Das sind grundsätzl­ich alle Verdächtig­en beziehungs­weise Beschuldig­ten und deren Anwälte, aber auch Opfer und sonstige Personen, die ein rechtliche­s Interesse haben.“

Sollte man die Regeln zur Akteneinsi­cht ändern, damit künftig seltener Details veröffentl­icht werden?

Richterin Matejka winkt ab: „Wenn wir das Recht auf Akteneinsi­cht und Auskunft beschneide­n, würden wir ja sehr weit in die Rechte der Beschuldig­ten eingreifen, das würde zuerst eine intensive Diskussion benötigen.“

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