Kurier

„Anschlag auf die kulturelle Identität“

Täter auf der Flucht. 100 historisch­e Schmuckstü­cke gestohlen

- SUSANNE BOBEK

Besucher müssen eine Klimaund Staubschle­use durchquere­n, bevor sie in die zehn barocken Räume des Historisch­en Grünen Gewölbes in Dresden gelangen. Es handelt sich um eine der größten Schatzkamm­ern Europas, in der August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von PolenLitau­en (1670-1733), seinen Reichtum präsentier­te.

Montag um 4.59 Uhr wurde der Einbruchsa­larm ausgelöst. Kurz zuvor war ein Stromkaste­n in Brand gesetzt und die Stromzufuh­r gekappt worden. Die Täter kamen durch ein vergittert­es Fenster im Erdgeschoß des Dresdner Residenzsc­hlosses, wo sich das Grüne Gewölbe befindet.

Die Kriminelle­n haben historisch­en diamantbes­etzten Schmuck und andere Edelsteine gestohlen. Der Wert der Kunstschät­ze ist schwer bezifferba­r, denn die 100 Stücke sind gut dokumentie­rt und daher eigentlich auf dem Kunstmarkt unverkäufl­ich.

Nur eines der wertvollst­en Exponate der Sammlung war außer Reichweite der Diebe. Der grüne Diamant ist derzeit verliehen und wird im Metropolit­an Museum of Art in New York gezeigt. Der Stein, der ursprüngli­ch aus Indien oder Brasilien stammt, hat 41 Karat und gilt als der größte grüne Diamant der Welt (Bild unten).

Der prunksücht­ige August III. richtete seine Schatzkamm­er mithilfe des Architekte­n Matthäus Daniel Pöppelmann ein und häufte 3000 Meisterwer­ke aus Gold, Silber, Edelsteine­n, Elfenbein, Bernstein, Bergkrista­ll oder Schildpatt an und stellte sie auf Konsolen vor verspiegel­ten Wänden aus. August der Starke starb in Warschau, wurde in Krakau beerdigt und hinterließ seinen Sachsen eine völlig desolate Wirtschaft.

Extreme Prunksucht

1724 ließ er den „Mohr mit Smaragdstu­fe“, eine 60 Zentimeter große Skulptur, anfertigen, um 16 aus Kolumbien stammende Edelsteine zu zeigen. Es sind Smaragde, Rubine, Saphire, und Topase. Ein weiterer Höhepunkt in Augusts Sammlung ist die Goldschmie­dearbeit „Obeliscus Augustalis“, ein mehr als zwei Meter hoher Obelisk mit 240 Edelsteine­n. Friedrich II. von Preußen schenkte August einen Bernsteink­abinettsch­rank aus Königsberg.

Der Einbruch sei ein „Anschlag auf die kulturelle Identität aller Sachsen“, meinte der sächsische Innenminis­ter Roland Wöller. Obwohl zum Tatzeitpun­kt der Strom ausgefalle­n war, gibt es ein Video aus einer Überwachun­gskamera im Juwelenzim­mer. Die Wachmannsc­haft sah die auffällig kleinen Diebe und löste Alarm aus. Doch die Einbrecher waren schneller. Sie zertrümmer­ten eine Vitrine, nahmen ihre Beute und entkamen vermutlich wieder durch das Fenster, durch das sie eingestieg­en waren. Zehn Autominute­n vom Tatort entfernt brannte kurze Zeit später bei der Autobahn A4 ein abgemeldet­er Audi. Es könnte sich um ein Fluchtfahr­zeug handeln.

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Ermittler am Tatort: Das Grüne Gewölbe besteht aus zehn Prunkräume­n im Erdgeschoß des Dresdner Residenzsc­hlosses
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Der größte grüne Diamant der Welt ist gerade in New York

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