Kurier

„Ich kann manchmal stur sein“

Salzburgs Erfolgscoa­ch über das Spiel in Genk, seine Philosophi­e und seine einzige Schwäche

- VON STEPHAN BLUMENSCHE­IN

Am Mittwoch geht für Salzburg das Abenteuer Champions League weiter. Mit dem Gastspiel in Genk steht das letzte Auswärtssp­iel in der Gruppenpha­se auf dem Programm (21 Uhr). Österreich­s Meister braucht bei seinem belgischen Pendant unbedingt einen Sieg, um die Chance auf den Aufstieg in das Achtelfina­le zu wahren.

Der KURIER traf Salzburg-Trainer Jesse Marsch vor dem fünften Spiel in der Königsklas­se zu einem ausführlic­hen Gespräch ...

KURIER: Das erste Spiel gegen Genk wurde zu Hause 6:2 gewonnen. Von Ihrer Mannschaft wird auch auswärts ein Sieg erwartet. Wie gefährlich ist das?

Jesse Marsch: Man muss zwei Dinge beachten: Erstens ist die Situation von Genk anders als damals. Es gibt ja mit Hannes Wolf einen neuen Trainer. Er hat in Hamburg und Stuttgart anders spielen lassen als Genk bis jetzt gespielt hat. Zweitens ist es wichtig für uns zu wissen, dass das erste Spiel nicht so einfach war wie es das Ergebnis aussagt. Genk hat in der zweiten Hälfte sehr gut gespielt, sie waren gefährlich. Wir werden eine richtig gute Mentalität brauchen. Für mich ist aber eines ganz klar: Wir brauchen die drei Punkte.

Sie sind jetzt erst rund 150 Tage Salzburg-Trainer. Das ist trotzdem schon eine gefühlte Ewigkeit, weil so viel passiert ist. Wie fällt Ihre erste Bilanz aus?

Das Arbeiten in diesem Verein funktionie­rt so gut, für uns, für mich. Es ist einfach ein gutes Gefühl, hier zu sein.

Nach den Abgängen von Trainer Rose und von vielen Stammspiel­ern wurde das Ende der Salzburger Dominanz in der Liga prognostiz­iert. Das Gegenteil ist der Fall. Macht Sie das stolz?

Ja, schon ein wenig. Es läuft aber nur so gut wegen unserer gemeinsame­n Arbeit, die perfekt funktionie­rt vom ersten Tag bis heute. Der Erfolg ist ein großes Kompliment an alle Leute hier im Klub. Sie haben mich akzeptiert und meine Art, wie ich arbeite.

Noch nie ist ein Spieler aus der österreich­ischen Liga internatio­nal so im Fokus gestanden wie Erling Haaland. Praktisch kein Tag vergeht, ohne ein neues Transferge­rücht. Nervt das nicht?

Erling ist ein guter Junge. Wir haben ein paar Mal darüber gesprochen. Ich habe ihm gesagt, dass er den Fußball und diese Zeit jetzt genießen muss. Unsere Idee ist es, dass wir dann Erfolg haben, wenn wir zusammen als Team alles dafür tun. Und weil wir das tun, haben wir Erfolg. Erling ist ein Teil davon und hat einen super Fokus auf die Mannschaft.

Sie haben Ihre Spieler bisher immer gelobt, auch nach den Niederlage­n in Liverpool und gegen Napoli. Sind Sie immer zufrieden?

Nach dem Liverpool-Spiel war es schon komisch, dass uns so viele Ich habe natürlich schon manchmal darüber nachgedach­t, ob es nicht vielleicht zu viel war. Aber im Prinzip funktionie­rt es so richtig gut. Und dass so viele Spieler verschiede­ne Positionen spielen können, ist ein großer Vorteil für unsere Mannschaft.

Die Kabine ist im Fußball eigentlich ein heiliger Ort, in die normalerwe­ise niemand darf. Sie haben für die Dokumentat­ion „JEDER.MANN – Des is Soizburg“ein Kamerateam vor und nach den Spielen hineingela­ssen. Gibt es für Sie in dieser Hinsicht keine Grenzen?

Ein individuel­les Gespräch ist zum Beispiel nichts für eine Kamera. Das ist einfach zu persönlich. Aber in der Kabine habe ich eigentlich nichts zu verbergen. Natürlich ist es manchmal nicht so angenehm zu sehen, wie ich mich verhalte, wie schlecht etwa mein Deutsch ist (lacht). Aber so ist es halt in der Realität. Klar ist aber auch, dass wir das in Zukunft nicht zu etwas Alltäglich­em machen wollen.

Der Fußball hat sich rasant weiterentw­ickelt, wird immer schneller und athletisch­er. Aber die Spieler sind auch immer öfters verletzt. Gibt es für die Entwicklun­g keine Grenzen?

Vielleicht. Aber wir müssen diese Grenzen verschiebe­n. Wir haben zum Beispiel nicht so viele Verletzung­en – auch durch die Arbeit auf dem Trainingsp­latz, im Kraftraum, mit unserem Athletikte­am. Wir haben einen guten Weg geschafft, auch durch die Rotation. So war der Stress und die Belastung für die Spieler nicht so groß. Ich habe die Kritik an manchen Umstellung­en schon verstanden, aber ich denke, die Rotation hat einen großen Anteil an unserem Erfolg. Es ist einfach für einen Trainer zu sagen, ich habe 14 Spieler, die können immer spielen. Und die anderen müssen schauen, wie sie reinkommen. Aber ich arbeite lieber mit dem ganzen Kader, um jeden Spieler in seiner Entwicklun­g zu helfen.

Was haben Sie in den ersten fünf Monaten in Österreich gelernt?

Ein bisschen mehr Deutsch. Ich habe aber auch die Leute hier kennengele­rnt. Die gefallen mir. Sie sind sehr sympathisc­h und offen. Meine Familie und ich haben jeden Tag viel Spaß. Es funktionie­rt fast alles perfekt. Wir leben in Salzburg sehr gut.

Was geht Ihnen in Österreich im Vergleich zur USA ab? Mexikanisc­hes Essen. Aber sonst eigentlich gar nicht so viel. Als wir nach Europa gekommen sind, war unsere Idee, dass wir das Leben hier kennenlern­en wollen. Das machen wir jetzt auch sehr intensiv.

Sie sind immer gut aufgelegt, positiv, freundlich und zuvorkomme­nd. Haben Sie eigentlich auch negative Eigenschaf­ten?

Ich kann manchmal stur sein. Das sagt zumindest meine Frau. Aber durch mein Alter ist das sicher besser geworden. Ich bin jetzt flexibler.

Welchen Job hätten Sie, wenn Sie nicht Fußballer geworden wären?

Als ich begonnen habe zu studieren, war Arzt zu werden mein Ziel. Aber ich habe schnell gewusst, dass es ein Job im Fußball wird.

Haben Sie neben dem Fußball eigentlich auch noch ein Hobby? Reisen. Ein großes Ziel ist, 100 Länder zu besuchen. Bis jetzt habe ich 66 geschafft.

Sind Sie ein Republikan­er oder ein Demokrat?

Ich bin unabhängig. Aber ich habe bis jetzt fast immer den Kandidaten der Demokraten gewählt. Meine Frau hingegen ist ganz sicher Demokratin (lacht).

Was werden Sie im November 2029, also in zehn Jahren machen?

Da denke ich vor allem an meine Familie. Meine Kinder sind dann schon groß, hoffentlic­h können wir dann noch eine gute Zeit zusammen verbringen. Um die Karriere als Trainer mache ich mir keine großen Gedanken. Ich denke viel lieber im Jetzt. Aber vielleicht habe ich bis dahin Minimum 80 Länder besucht (lacht).

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Immer gut gelaunt: Salzburgs Trainer Jesse Marsch hat mit seiner freundlich­en Art viele Sympathien gewonnen

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