Hund fiel auch anderen Soldaten an
Anwalt der Opferfamilie bringt brisante Details nach Tragödie mit Militärhunden ans Tageslicht
Neue Akteninhalte lassen die tödliche Hundeattacke auf einen 31-jährigen Jagdkommandosoldaten in Wiener Neustadt in einem neuen Licht erscheinen. Es grenzt an ein Wunder, dass die Hunde nicht ins Stadtgebiet flüchteten und noch mehr Menschen zu Schaden kamen.
Was das Bundesheer bisher nicht öffentlich machte: Ein Offizier und ein Wachsoldat mussten vor den wild gewordenen Tieren in eine Wachhütte flüchten und dort eine Stunde lang ausharren, bis Hilfe kam. Wie die bisherigen Ermittlungen und die Aussagen der beteiligten Diensthundeführer zu Tage brachten, war die Zwingeranlage am Kasernenareal nicht einmal versperrt und nur unzureichend durch ein Baustellengitter gesichert. Und das, obwohl ausgebildete Malinois-Militärhunde als scharfe Waffe gelten.
Erich Gemeiner, Anwalt der Familie des getöteten Soldaten, erhebt nun schwere Vorwürfe gegen das Heer. Besonders der Umstand, dass die Attacke auf den 31-jährigen Elitesoldaten Dominik R. zehn Stunden lang in einer als Hochsicherheitsbereich geschützten Kaserne unentdeckt geblieben ist, stelle alle Internas infrage, sagt Gemeiner.
Weil ein Großteil seiner Kameraden auf Übung war, sollte sich der Diensthundeführer Dominik R. am 13. November um die beiden Hunde des obersten Diensthundeausbilders beim Jagdkommando kümmern – um den 28 Monate alten Malinois „Hati“und den sieben Monaten alten Privathund „Ragna“. Letzterer sollte ebenfalls zum Diensthund ausgebildet werden, wurde aber als dienstuntauglich eingestuft und sollte zurück an den Züchter gehen. Laut Heeressprecher Michael Bauer hatte der Junghund eine Beißhemmung. Also das Gegenteil davon, was man ihm nun vorwirft.
Gemeiner verweist in diesem Zusammenhang auf die geltenden Vorschriften des Militärhundewesens, wonach keine dienstfremden Hunde gemeinsam mit den Militärhunden gehalten werden dürfen. „Deshalb gibt es auch einen Gästehundezwinger, in dem der Privathund am besagten Abend getrennt vom anderen Hund untergebracht war“, erklärt Bauer. Die Unterbringung von „Ragna“am Kasernenareal hätte allerdings bei der Kasernenverwaltung beantragt werden müssen, was nicht passierte. Deshalb wurde der Hundeausbilder dafür bereits mittels eines Disziplinarverfahrens belangt. Der Hundeführer hat gegen die Bestimmungen zum Einbringen von Hunden in Kasernen verstoßen, sagt Bauer.
Lebend gesehen
Zum letzten Mal lebend gesehen wurde Dominik R. gegen 16 Uhr am Kasernenareal, als er zu den Hundezwingern aufbrechen wollte. Bei einem Rundgang um 17.50 Uhr fiel niemandem auf, dass das Opfer nicht zurückgekehrt war, dessen Fahrzeug nach wie vor im Hundeareal stand und sich in dem Auto auch der Diensthund des 31-Jährigen befand. „Das Areal der Hundeanlage wurde offensichtlich nicht bestreift“, sagt Gemeiner.
Die Zwinger sind völlig uneinsehbar am äußerten Gelände der Kaserne, versteckt hinter einem Erdwall. „Für den Offizier vom Tag ist dieser Bereich nicht einsehbar. Nach Zeugenaussagen wäre der Tote auch bei Tag nur schwer zu finden gewesen“, sagt Bauer.
Auch beim Rundgang um 21.35 Uhr fiel die Tragödie daher ebenfalls nicht auf. Auch wenn R. zu diesem Zeitpunkt vermutlich nicht mehr zu retten gewesen wäre, ist Gemeiner schleierhaft, wieso das Herrl von „Hati“und
„Ragna“nicht in der Kaserne anrief und Alarm schlug, als er Dominik R. weder um 17.59 Uhr noch um 22.40 Uhr telefonisch erreichte. „Dies war ungewöhnlich, da das Opfer in dieser Sache sehr verlässlich war“, sagte der Diensthundeausbilder über seinen getöteten Kameraden.
Die beiden Malinois stellten um 0.55 Uhr den Offizier vom Tag am Kasernenareal, der sich in ein Wachlokal zu einem Soldaten flüchtete. Erst gegen 1.45 Uhr traf ein zu Hilfe gerufener Hundeführer ein, der versuchte, die Tiere wieder einzufangen. Er gab bei der Polizei an, von „Hati“bereits vergangenen Februar im Zuge einer Übung gebissen worden zu sein. „Der Hundeführer wurde in den Arm und ins Bein gezwickt, aber nicht verletzt“, teilte das Heer mit.
Völlig schleierhaft bleibt für Gemeiner eines: „Wenn die Hunde tatsächlich so ausgebildet sind, dass sie aufhören, wenn sich ihr Opfer nicht mehr wehrt, warum wurde Dominik dann post mortem weitere Verletzungen zufügt?“
„Warum ist niemandem aufgefallen, dass das Opfer stundenlang nicht zurückkam?“
Erich Gemeiner Anwalt der Opferfamilie