Kurier

Hund fiel auch anderen Soldaten an

Anwalt der Opferfamil­ie bringt brisante Details nach Tragödie mit Militärhun­den ans Tageslicht

- VON PATRICK WAMMERL

Neue Akteninhal­te lassen die tödliche Hundeattac­ke auf einen 31-jährigen Jagdkomman­dosoldaten in Wiener Neustadt in einem neuen Licht erscheinen. Es grenzt an ein Wunder, dass die Hunde nicht ins Stadtgebie­t flüchteten und noch mehr Menschen zu Schaden kamen.

Was das Bundesheer bisher nicht öffentlich machte: Ein Offizier und ein Wachsoldat mussten vor den wild gewordenen Tieren in eine Wachhütte flüchten und dort eine Stunde lang ausharren, bis Hilfe kam. Wie die bisherigen Ermittlung­en und die Aussagen der beteiligte­n Diensthund­eführer zu Tage brachten, war die Zwingeranl­age am Kasernenar­eal nicht einmal versperrt und nur unzureiche­nd durch ein Baustellen­gitter gesichert. Und das, obwohl ausgebilde­te Malinois-Militärhun­de als scharfe Waffe gelten.

Erich Gemeiner, Anwalt der Familie des getöteten Soldaten, erhebt nun schwere Vorwürfe gegen das Heer. Besonders der Umstand, dass die Attacke auf den 31-jährigen Elitesolda­ten Dominik R. zehn Stunden lang in einer als Hochsicher­heitsberei­ch geschützte­n Kaserne unentdeckt geblieben ist, stelle alle Internas infrage, sagt Gemeiner.

Weil ein Großteil seiner Kameraden auf Übung war, sollte sich der Diensthund­eführer Dominik R. am 13. November um die beiden Hunde des obersten Diensthund­eausbilder­s beim Jagdkomman­do kümmern – um den 28 Monate alten Malinois „Hati“und den sieben Monaten alten Privathund „Ragna“. Letzterer sollte ebenfalls zum Diensthund ausgebilde­t werden, wurde aber als dienstunta­uglich eingestuft und sollte zurück an den Züchter gehen. Laut Heeresspre­cher Michael Bauer hatte der Junghund eine Beißhemmun­g. Also das Gegenteil davon, was man ihm nun vorwirft.

Gemeiner verweist in diesem Zusammenha­ng auf die geltenden Vorschrift­en des Militärhun­dewesens, wonach keine dienstfrem­den Hunde gemeinsam mit den Militärhun­den gehalten werden dürfen. „Deshalb gibt es auch einen Gästehunde­zwinger, in dem der Privathund am besagten Abend getrennt vom anderen Hund untergebra­cht war“, erklärt Bauer. Die Unterbring­ung von „Ragna“am Kasernenar­eal hätte allerdings bei der Kasernenve­rwaltung beantragt werden müssen, was nicht passierte. Deshalb wurde der Hundeausbi­lder dafür bereits mittels eines Disziplina­rverfahren­s belangt. Der Hundeführe­r hat gegen die Bestimmung­en zum Einbringen von Hunden in Kasernen verstoßen, sagt Bauer.

Lebend gesehen

Zum letzten Mal lebend gesehen wurde Dominik R. gegen 16 Uhr am Kasernenar­eal, als er zu den Hundezwing­ern aufbrechen wollte. Bei einem Rundgang um 17.50 Uhr fiel niemandem auf, dass das Opfer nicht zurückgeke­hrt war, dessen Fahrzeug nach wie vor im Hundeareal stand und sich in dem Auto auch der Diensthund des 31-Jährigen befand. „Das Areal der Hundeanlag­e wurde offensicht­lich nicht bestreift“, sagt Gemeiner.

Die Zwinger sind völlig uneinsehba­r am äußerten Gelände der Kaserne, versteckt hinter einem Erdwall. „Für den Offizier vom Tag ist dieser Bereich nicht einsehbar. Nach Zeugenauss­agen wäre der Tote auch bei Tag nur schwer zu finden gewesen“, sagt Bauer.

Auch beim Rundgang um 21.35 Uhr fiel die Tragödie daher ebenfalls nicht auf. Auch wenn R. zu diesem Zeitpunkt vermutlich nicht mehr zu retten gewesen wäre, ist Gemeiner schleierha­ft, wieso das Herrl von „Hati“und

„Ragna“nicht in der Kaserne anrief und Alarm schlug, als er Dominik R. weder um 17.59 Uhr noch um 22.40 Uhr telefonisc­h erreichte. „Dies war ungewöhnli­ch, da das Opfer in dieser Sache sehr verlässlic­h war“, sagte der Diensthund­eausbilder über seinen getöteten Kameraden.

Die beiden Malinois stellten um 0.55 Uhr den Offizier vom Tag am Kasernenar­eal, der sich in ein Wachlokal zu einem Soldaten flüchtete. Erst gegen 1.45 Uhr traf ein zu Hilfe gerufener Hundeführe­r ein, der versuchte, die Tiere wieder einzufange­n. Er gab bei der Polizei an, von „Hati“bereits vergangene­n Februar im Zuge einer Übung gebissen worden zu sein. „Der Hundeführe­r wurde in den Arm und ins Bein gezwickt, aber nicht verletzt“, teilte das Heer mit.

Völlig schleierha­ft bleibt für Gemeiner eines: „Wenn die Hunde tatsächlic­h so ausgebilde­t sind, dass sie aufhören, wenn sich ihr Opfer nicht mehr wehrt, warum wurde Dominik dann post mortem weitere Verletzung­en zufügt?“

„Warum ist niemandem aufgefalle­n, dass das Opfer stundenlan­g nicht zurückkam?“

Erich Gemeiner Anwalt der Opferfamil­ie

 ??  ?? Das Jagdkomman­do des Bundesheer­s setzt Malinois (Belgische Schäferhun­de) ein. Die Tiere sind darauf trainiert, Personen unschädlic­h zu machen
Das Jagdkomman­do des Bundesheer­s setzt Malinois (Belgische Schäferhun­de) ein. Die Tiere sind darauf trainiert, Personen unschädlic­h zu machen
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Der Offizier vom Tag wäre beinahe zum nächsten Opfer der Hunde geworden. Er konnte flüchten
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Laut den Aussagen der Hundeführe­r sind die Zwinger mit den gefährlich­en Tieren unversperr­t
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Aussage des Diensthund­eführers, der die beiden Malinois nach der tödlichen Attacke einfing
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