Kurier

„Eine von fünf“: Aktionswoc­he gegen Gewalt an älteren Frauen

Bewusstsei­n schaffen. Jede fünfte Frau wird Opfer von Gewalt. Vor allem bei älteren Betroffene­n ist die Dunkelziff­er hoch.

- VON JULIA SCHRENK

Es war der Physiother­apeut, dem eines Tages die Hämatome an den Beinen auffielen. Ein Mal pro Woche behandelte er die ältere Frau wegen ihrer Rheuma-Erkrankung. Die Frau wurde gelegentli­ch von Pflegepers­onal betreut, ansonsten kümmerte sich ihr Ehemann um sie. Wie sich später herausstel­lte, hatte er seiner Frau die Hämatome zugefügt. Weil er mit Füßen gegen ihre Schienbein­e getreten hat.

Jede fünfte Frau ist in ihrem Leben körperlich­er, psychische­r oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Bei älteren Frauen – also jenen über 65 – sind es 19 Prozent. 17 Prozent davon von Gewalt durch den eigenen Partner. „Ältere Frauen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt“, sagt Maria Rösslhumer, Geschäftsf­ührerin des Vereins Autonomer Frauenhäus­er (einem Zusammensc­hluss von 16 Frauenhäus­ern). Oft sind diese Frauen über einen längeren Zeitraum Gewalt ausgesetzt; in vielen Fällen kommt erschweren­d hinzu, dass sie von ihren Partnern finanziell abhängig sind. Und sich deshalb mitunter nicht wehren.

In Kooperatio­n mit der Volksanwal­tschaft und der Medizinisc­hen Universitä­t Wien findet deshalb heuer bereits zum zehnten Mal die Aktion „Eine von Fünf“gegen Gewalt an Frauen statt (siehe Infokasten); heuer mit Fokus auf Gewaltschu­tz für ältere Frauen. „Das ist eine Form von Gewalt, über die noch wenig berichtet, geredet, die thematisie­rt wird“, sagt Volksanwal­t Bernd Achitz.

Wenige Anzeigen

Und die laut Andrea Berzlanovi­ch, Leiterin des Fachbereic­hs forensisch­e Gerontolog­ie an der Medizinisc­hen Universitä­t Wien, bis dato auch nicht ausreichen­d in der polizeilic­hen Kriminalst­atistik aufscheint. Denn obwohl Frauen laut Berzlanovi­ch „nahezu täglich Opfer von Gewalt“werden – etwa im Zuge von Taschendie­bstählen, bei Trickbetrü­gereien oder brutalen Raubüberfä­llen – würden nur wenige Gewalttate­n an Frauen über 65 auch angezeigt werden. Nur halb so viele wie bei Kindern unter 14 Jahren beispielsw­eise. „Ein Grund dafür ist, dass Gewalt gegen ältere, auch pflegebedü­rftige Frauen oft im Verborgene­n passiert“, sagt Berzlanovi­ch. Durch Partner oder das direkte Umfeld der Betroffene­n. Viele könnten sich nicht äußern, würden sich schämen und verdrängen. „Es ist von einer hohen Dunkelziff­er auszugehen“, sagt die Expertin.

Immer öfter machten zuletzt auch brutale Home Invasions – also Raubüberfä­lle im Eigenheim – Schlagzeil­en. Etwa jener im September gegen eine 85-jährige Pensionist­in im südlichen Niederöste­rreich. Emma S. wurde getötet; der Täter war ein ihr bekannter 61-jähriger Mann.

Auch für Opfer, die solche Überfälle überleben, gebe es zu wenig Hilfe. „Wir kriegen diese Fälle nicht oder viel zu spät“, kritisiert Udo Jesionek, Präsident der Opferschut­zOrganisat­ion Weisser Ring. Er wünscht sich eine automatisc­he Meldung durch die Polizei, wie das auch bei Gewalt innerhalb der Familie der Fall ist.

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Jede fünfte Frau in der EU ist ab ihrem 15. Lebensjahr Gewalt ausgesetzt

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