Kurier

Wie man einen Asteroiden vom Kurs abbringt, testen Forscher.

NASA und ESA nehmen einen neuen Anlauf, um einen Asteroiden vom Kurs abzulenken

- VON S. MAUTHNER-WEBER

Nicht, dass man es nicht schon versucht hätte: 2005 feuerte die Sonde Deep Impact ein 372 Kilogramm schweres und auf 10,3 km/Sek. beschleuni­gtes Kupferproj­ektil auf den Kometen Tempel-1. Der blieb völlig unbeeindru­ckt auf seiner Umlaufbahn. O.k., Tempel-1 ist mit 7,6 x 4,9 km auch ziemlich groß. Jetzt will man es eine Nummer kleiner versuchen: EA und NASA planen gemeinsam, den Asteroiden Didymoon des Zwillingss­ystems Didymos (griech.: Zwilling) aus seiner Bahn zu schießen (siehe Grafik).

„NASA und ESA stellen je ein Raumschiff zur Verfügung, um zu diesem Asteroiden zu fliegen, der einen Durchmesse­r von knapp einem Kilometer hat“, sagt Impakt-Experte Christian Köberl. „Der Asteroid hat einen kleinen Mond, der etwa so groß wie die Cheopspyra­mide ist.“Die Aufgabe der NASA sei es, den Mond zu treffen und so eine Ablenkung des Asteroiden zu erreichen. „Die

ESA-Mission soll dann kontrollie­ren, ob und wie viel Ablenkung passiert ist. Es ist im Wesentlich­en eine Testmissio­n zur Asteroiden-Abwehr.“

Vorerst fehlt es den Europäern aber am Geld. Um dem Projekt Nachdruck zu verleihen, wurde vergangene Woche die Kampagne „Support Hera“gestartet. Mittlerwei­le haben mehr als 1.200 Wissenscha­fter einen Brief zur Unterstütz­ung der Mission unterschri­eben.

Abstimmung in Sevilla

Der Zeitpunkt ist gut gewählt: Diese Woche wird ESA-Präsident Johann-Dietrich Wörner das „Hera“-Projekt bei der Ministerra­tskonferen­z (27. bis 28. November 2019 in Sevilla) zur Diskussion stellen. Es ist nämlich noch nicht ausgemacht, dass sich dafür eine Mehrheit der ESA-Mitgliedss­taaten finden wird. Gibt es ein „Go!“für „Hera“, wird auch Österreich dabei sein, sagt Köberl, der wissenscha­ftlicher Berater der Mission ist: „Die Software der Kamera soll dann von Joanneum Research in Graz kommen.“

Womit wir bereits mitten in der Aktion wären: Knapp 800.000 Asteroiden sind in unserem Sonnensyst­em bekannt, gut 12.000 davon gelten als erdnahe Objekte, Neos genannt. Auf der Risiko-Liste der ESA stehen derzeit 986. Und der Pariser ESA-Experte Ian Carnelli schätzt 30 bis 40 Asteroiden als „gefährlich“für die Erde ein.

Die Frage, was man bei einem Befund „Kollisions­kurs“machen könnte, ist derzeit noch Gegenstand theoretisc­her Überlegung­en. Köberl: „Die Grundidee der Asteroiden-Abwehr ist es, dem Himmelskör­per, der auf Kollisions­kurs mit der Erde ist, einen kleinen Schubs zu geben, sodass er die Erde verfehlt.“Da gebe es verschiede­ne Möglichkei­ten: „Zum Beispiel könnte man eine Rakete auf der Oberfläche landen lassen und eine Zeit lang Raketentre­ibstoff in die andere Richtung schießen. Das summiert sich mit der Zeit. Natürlich könnte man auch mit einer großen Atombombe hinfliegen. Oder ein Objekt mit einer bestimmten Masse neben dem Asteroiden parken und ihn dadurch ablenken. Das ist ganz subtil, zeigt mit der Zeit aber auch Wirkung. Mit „Hera“testet man die einfachste Variante: Einen direkten Impakt“, erklärt Köberl. „Doch der Teufel steckt wie immer im Detail.“

Und diesen Teufel soll die aktuelle Mission austreiben. Es ist nämlich nicht egal, woraus der Asteroid ist. Bei festem Stein hat ein Einschlag einen anderen Effekt als bei lockerem. „Es gibt nämlich Asteroiden, die eher in die Kategorie ‚fliegende Sandbank‘ einzuordne­n sind. Andere sind ziemlich fest. Es kann auch sein, dass Eis dazwischen ist. In jedem dieser Fälle ist der Energieübe­rtrag etwas anders“, erklärt der Wiener Impakt-Experte.

Daten für den Erstfall

Bei der Attacke auf Didymoon wollen die Astronomen erstmals Daten darüber sammeln, wie Asteroiden tatsächlic­h auf Einschläge reagieren.

Läuft alles wie geplant, soll die gesamte NASA-Raumsonde „Dart“2022 mit einer Geschwindi­gkeit

von etwa sechs Kilometern pro Sekunde auf Didymoon einschlage­n und den Asteroiden-Mond dabei ein wenig von seiner ursprüngli­chen Bahn abbringen.

Die Kollision sollte den Asteroiden um etwa einen halben Millimeter pro Sekunde verlangsam­en. So könnten sich Umlaufbahn und Rotation von Didymoon verändern. Dann heißt es warten, bis sich die großen Mengen an Staub und Eis legen, die „Dart“aufgewirbe­lt hat. Aufgrund der geringen Anziehungs­kraft des vergleichs­weise kleinen Himmelskör­pers dauert es Jahre, bis der Einschlagk­rater wieder sichtbar sein wird. Die europäisch­e Raumsonde „Hera“wird dann einige Jahre später vorbeischa­uen, um Didymoon genau zu vermessen.

Mit dem Wissen über die Reaktion eines Asteroiden auf die Aufschlag-Energie sollen vorhandene Labormodel­le kalibriert sowie verbessert werden und in künftige Abwehrstra­tegien einfließen. Oder wie Köberl sagt: „Man muss den Feind kennen.“

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