Der Johann Strauß der Designer: Alleskönner Otto Prutscher
MAK-Ausstellung. Das Museum für angewandte Kunst sorgt für die späte Wiederentdeckung eines Vielseitigen: „Otto Prutscher. Allgestalter der Wiener Moderne“.
Er gab den alltäglichsten Dingen in einer kongenialen Verbindung von Dekoration und Funktion Schönheit in vollendeter Form: Keramiken, Gläsern, Textilien, Lederfauteuils, Kerzenleuchtern, Metall- und Silberarbeiten, Tafelbesteck, Schmuck ...
Otto Prutscher (1880– 1949), einer der vielseitigsten und bedeutendsten Künstler des Jugendstils und der Wiener Werkstätte, entwickelte sich bis zum Ersten Weltkrieg neben Josef Hoffmann zu einer Schlüsselfigur der modernen Designbewegung in Wien.
Der viel beschäftigte Architekt u. a. von Gemeindebauten (Lorenshof und Heinehof) und führende Kunstgewerbetreibende Wiens am Anfang des 20. Jahrhunderts war prägend für das, was zwischen Tradition und Modernität als gutbürgerlicher „Geschmack“galt.
Personale
Die Sammlerin Hermi Schedlmayer nannte Prutscher einen „Regisseur der Sinnlichkeit“, lebte viele Jahre in der von ihm entworfenen Villa Moriz Rothberger in Baden und schenkte dem MAK vor ihrem Tod 2018 neben einem Schatz an Zeichnungen, Plänen und Fotos auch Objekte in Silber, Glas und Keramik sowie Möbel.
Darunter ein Highlight der von Rainald Franz kuratierten Schau „Otto Prutscher. Allgestalter der Wiener Moderne“(bis 17. 5.) im MAK: eine Vitrine, ge
schmückt mit Chamäleons und exotischen Vögeln auf einer vergoldeten Messingplatte.
Darin zu sehen sind Stengelgläser: Die bei Sammlern sehr begehrten Objekte erzielen heute bei Auktionen bis zu 14.000 Euro – pro Stück. Für Furore sorgten
seinerzeit bei der Kunstschau 1908 allerdings seine in ihrer Schlichtheit modern wirkenden farbigen Vasen, etwa eine Loetz-Vase aus sogenanntem „Perlglas“mit eingestochenen Silberkügelchen, bei der das technische Verfahren der Herstellung bis heute nicht geklärt ist.
Interieur und Design
„Prutscher ist nicht der Beethoven oder Mahler des Designs“, schrieb der Schriftsteller Joseph August Lux. „Aber er ist der Johann Strauß unter den Kunsthandwerkern.“
Im Lauf seines Lebens lieferte er für mehr als 200 Handwerksbetriebe und Manufakturen Entwürfe, u. a. die Glasfirmen Bakalowits
und Lobmeyr, Augarten Porzellan, den Bugholzmöbelhersteller Thonet, die Textilfirma Backhausen und die Silberschmiede Klinkosch.
Zwischen den Kriegen bekam Prutscher viele Aufträge für Geschäfte und Lokale. Erhalten von seinen vielen Interieurs, Auslagen- und Fassadengestaltungen ist aber nur mehr das Portal des ehemaligen Feinkostladens Piccini beim Naschmarkt.
Dank eines EU-Projekts sind Prutschers digitalisierte Entwürfe jetzt auf der MAKWebsite abrufbar. Und Anfang Dezember erscheint im Birkhäuser Verlag eine umfangreiche Werkmonografie von Fritz und Hermi Schedlmayer.