Kurier

Das Rätsel ist schon fast gelöst

- VON RAFFAELA LINDORFER

Eine Finca auf der Trauminsel Ibiza, eine millionens­chwere Investorin, feinstes Sushi, einige Gläser Wodka-Bull und zwei von Selbigem beseelte Spitzenpol­itiker. Das sind die Ingredienz­ien eines Skandals, der die Republik im Mai erschütter­te.

Ein frustriert­er Mitarbeite­r, ein Privatdete­ktiv mit zweifelhaf­ten Kontakten und ein scheinbar nicht weniger dubioser Anwalt dürften für den Mix verantwort­lich gewesen sein. Jedenfalls geht davon die Justiz aus – und kommt der Lösung des Rätsels um das Ibiza-Video immer näher. Justiz und Justizmini­ster gaben am Dienstag Erklärunge­n zum bisherigen Wissenstan­d ab. Der KURIER fasst den Krimi anhand der Akteure zusammen.

Oliver R.

Straches Ex-Bodyguard Der langjährig­e Weggefährt­e soll die Initialzün­dung gegeben haben: Aus Ärger über seinen Chef sammelte er vermeintli­ch belastende­s Material über ihn – etwa Spesenrech­nungen, Fotos und SMS. Damit soll er bereits 2015 im Wien-Wahlkampf zu verschiede­nen Parteien gegangen sein, wurde aber abgewiesen. Mit Anwalt M. dürfte er schließlic­h die Idee gesponnen haben, Strache eine Video-Falle zu stellen. Er war es auch, der kurz vor der Nationalra­tswahl im September gegenüber der Staatsanwa­ltschaft auspackte und die Spesenaffä­re ins Rollen brachte.

Anwalt Ramin M. Mutmaßlich­er Drahtziehe­r der Falle

Den Namen muss man sich merken – von ihm ist hier noch öfter die Rede: Bei Ramin M. sollen alle Fäden zusammenge­laufen sein. Er bekannte sich sogar eine Woche nach Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos und erklärte, es habe sich um ein „zivilgesel­lschaftlic­h motivierte­s Projekt“gehandelt, dabei habe man „investigat­iv-journalist­ische Wege beschritte­n“. Einer Straftat will er sich dabei nicht schuldig gemacht haben. Sein weitverzwe­igtes Netzwerk dürfte ihm jedenfalls genützt haben.

Aber von vorn: Als erste Schritte soll er den Münchner Privatdete­ktiv Julian H. ins Boot geholt und über eine Maklerin den Kontakt zu Gudenus hergestell­t haben.

Johann Gudenus Strache-Wegbegleit­er

Es lockte ihn die Aussicht, die angebliche Oligarchen­Nichte würde ein Waldgrunds­tück von ihm kaufen. Im Frühjahr 2017 gab es ein erstes Treffen mit ihr und Begleiter Julian H. in Wien. Sie pochten darauf, auch Strache kennenzule­rnen – die Oligarchin wolle in Österreich Geld investiere­n, hieß es. So kam es zum schicksals­trächtigen Abend auf Ibiza im Juli 2017.

Heinz-Christian Strache

Damaliger FPÖ-Chef

In der Finca auf Ibiza redete er sich um Kopf und Kragen – illegale Parteifina­nzierung, Casino-Lizenzen, eine Machtübern­ahme bei der Krone – das alles gab Anstoß für umfangreic­he Ermittlung­en der Korruption­sstaatsanw­altschaft. Im August kamen Postenscha­cher-Vorwürfe bei Casinos Austria dazu. Straches Handy wurde beschlagna­hmt, die Chatprotok­olle fanden zuletzt ihren Weg in die Medien. Kurz vor der Nationalra­tswahl packte dann auch noch Ex-Bodyguard Oliver R. aus – und es ploppte ein Skandal um ein Spesenkont­o bei der Wiener FPÖ auf.

Vorgeworfe­n wird Strache konkret – wie Gudenus – Bestechlic­hkeit und Untreue.

Julian H.

Münchner Privatdete­ktiv In enger Abstimmung mit Anwalt M. soll der Münchner ausführend­er Arm der IbizaAktio­n gewesen sein. Er soll zudem zwei Bosnier und den Lockvogel engagiert haben. Den FPÖ-Politikern präsentier­te er sich als „Begleiter“der Oligarchen-Nichte.

„Die Bosnier“S. und K. Mögliche Komplizen

Im Auftrag von Detektiv H. sollen sie die Finca auf Ibiza gemietet und mit Filmbzw. Tonaufnahm­egeräten ausgestatt­et haben. Zuletzt dürften sie jedenfalls versucht haben, aus der Aktion Profit zu schlagen: Es wird ihnen vorgeworfe­n, Strache mit der Veröffentl­ichung weiterer Ausschnitt­e erpresst zu haben, zudem sollen sie einen Medienmann gegen Geld mit Infos versorgt haben (teilweise mit falschen).

S. und K. sind seit Freitag wegen Missbrauch von Abhörgerät­en und Betrugs in UHaft, einer von ihnen soll einer kriminelle­n Vereinigun­g angehören. In U-Haft ist auch eine Frau, die aber nicht direkt in der Ibiza-Causa beschuldig­t wird, sondern wegen eines Drogendeli­kts.

Alyona Makarowa „Oligarchen-Nichte“

Die Frau gab vor, eine Nichte des russischen Milliardär­s Igor Makarow zu sein und in Österreich investiere­n zu wollen. Gudenus soll vor ihr gewarnt worden sein – der blieb davon aber unbeirrt. Ihr Begleiter Julian H. legte, um glaubwürdi­g zu erscheinen, einen gefälschte­n lettischen Pass und falsche Kontoauszü­ge vor. Am Ibiza-Abend horchte sie Strache und Gudenus aus. Legendär ist, was Strache da über sie sagte: er ahnte etwas von einer Falle, weil ihre Zehennägel schmutzig waren.

Ob sie Beschuldig­te ist, ist unklar – möglicherw­eise hat sie sich mit der falschen Identität straf bar gemacht.

ÖVP, SPÖ und Neos

Die – doch nicht – Käufer Wie gesagt: Anwalt M. hatte gute Kontakte, auch in Polit-Kreise. Er war Konzipient bei einem SPÖ-nahen Anwalt. In dieser Anwaltskan­zlei arbeitete auch der Mitbegründ­er der „Sektion ohne Namen“. Und in dieser Sektion ist wiederum der Sohn von Ex-Kanzler Christian Kern aktiv. Die Annahme ist naheliegen­d, dass die SPÖ über diese Verbindung vom Ibiza-Video erfuhr. Bestätigt wird das aber nicht. Für Stirnrunze­ln sorgt im Nachhinein folgende Episode: Kern, vom damaligen Vizekanzle­r Strache wegen seiner kurzen Kanzlersch­aft provoziert, wettete mit ihm um eine Flasche Wein, „dass ich länger SPÖ-Chef bin als Sie bei den Freiheitli­chen“.

Bestätigt haben ein Angebot bislang nur zwei Berater im Umfeld von Hans-Peter Haselstein­er, Chef der (im Video erwähnten) Strabag und Unterstütz­er der Neos. Einer der beiden gab an, dass Anwalt M. für das Video fünf Millionen Euro wollte – ein Angebot, das weder er noch Haselstein­er weiterverf­olgt hätten. Haselstein­er, der Berater, Niko Kern und der ÖVPnahe Lobbyist Daniel Kapp wurden in der Causa von der Soko Ibiza als Zeugen einvernomm­en. Kapp sagte aus, ihm sei das Ibiza-Video nicht angeboten worden, er wusste vor dessen Veröffentl­ichung nichts von dessen Existenz.

Die Suche nach einem Käufer bzw. Mittelsper­sonen an die deutschen Medien ist noch in Gang.

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