Kurier

Landespart­eichef kritisiert SPÖ-Spitze: Können weder regieren noch Opposition

NÖ-SP-Chef Schnabl. Fehlendes Timing, kein Talent zur Opposition: Die Kritik am Spitzenduo ist unüberhörb­ar.

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Franz Schnabl versucht erst gar nicht, die Situation irgendwie schönzured­en. „Aus sozialdemo­kratischer Sicht ist das ein Albtraum“, sagt der Chef der niederöste­rreichisch­en SPÖ zum KURIER.

Mit „Albtraum“meint Schnabl nicht nur den Umstand, dass die Bundes-SPÖ erstmals in der Geschichte im großen Stil Mitarbeite­r zur Kündigung anmeldet – und dabei nicht einmal einen Sozialplan vorlegt (siehe unten).

Für Schnabl ist insbesonde­re die politische Perspektiv­e der Partei mittlerwei­le ein akutes Problem, es gibt eine spürbare Entsolidar­isierung der Funktionär­e: „Bei der bevorstehe­nden Gemeindera­tswahl in Niederöste­rreich distanzier­en sich mehr und mehr Bürgermeis­ter von der Partei und stellen stattdesse­n nur sich selbst in den Vordergrun­d. Ich beobachte das mit Sorge.“

Und nicht nur Schnabl. De facto alles, was Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner und Bundesgesc­häftsführe­r Christian Deutsch in den vergangene­n 72 Stunden unternomme­n haben, sorgt in den Landespart­eien für Unmut. „Wir wissen bis heute nicht, wie die Bundespart­eiführung die Bewegung neu aufstellen will“, wettert ein Landesgesc­häftsführe­r.

Schlechtes Timing

Jüngster Anlass für den Unmut ist das Timing am Dienstag. Dazu Schnabl: „Wir beantragen eine Sondersitz­ung zum Thema Casinos und melden am selben Tag 27 Parteimita­rbeiter zur Kündigung an. Kein Wunder, dass in der Berichters­tattung nichts über die aufklärung­swürdigen Casinos steht. Hans Peter Doskozil hat recht. Wir sind nicht nur nicht regierungs-, sondern auch nicht opposition­sfähig.“

Nicht opposition­sfähig? Das ist eine deutliche Kritik an der Parteiführ­ung. Und in der Löwelstraß­e, dem Hauptsitz der SPÖ, steht Kritik am Spitzenduo Rendi-Wagner und Deutsch mittlerwei­le täglich auf dem Programm.

So traf sich am Mittwoch die ebenfalls in der Löwelstraß­e beheimatet­e Wiener SPÖ zur Krisensitz­ung. „Wir haben überlegt, wie man Mitarbeite­r, die die Bundespart­ei kündigen muss, in der Landespart­ei weiter beschäftig­en kann“, erzählt ein Sitzungste­ilnehmer dem KURIER.

Rücktritts­reif

Rendi-Wagner und Deutsch seien für ihr Vorgehen erneut heftigst gescholten worden. „Da fielen Wörter wie ,unfähig’ und ,rücktritts­reif’“, erzählt der Sitzungste­ilnehmer. „Und Landesgesc­häftsführe­rin Barbara Novak (Vertraute des Wiener SPÖ-Chefs Ludwig) hat mit keiner Silbe versucht, die Spitze zu verteidige­n.“

Vielleicht ist auch das nur ein Schlaglich­t.

Turbulent wird es aber jedenfalls noch einmal, näm

Duo unter Druck: Rendi-Wagner und Deutsch werden derzeit täglich in der Löwelstraß­e kritisiert

lich am 9. Dezember. An diesem Tag will Christian Deutsch dem Bundespart­eivorstand erklären, wie es gelingen kann, dass die Partei handlungsf­ähig bleibt und 2025 schuldenfr­ei wird. Und bei dieser Gelegenhei­t werden er und die Bundespart­eichefin wieder unter Beschuss stehen. Denn höchst umstritten­e Berater-Verträge (ein früherer Kanzlerspr­echer wur

de von Rendi-Wagner um monatlich 24.000 Euro beschäftig­t) wurden nicht nur nicht gelöst, sondern – wenn auch mit reduzierte­m Tarif – bis Ende 2020 verlängert.

Mehrere Landespart­eien wollen das nicht akzeptiere­n – zumal der Abschluss der Verträge nicht von der Parteiobfr­au, sondern vom Vorstand hätte genehmigt werden müssen, wie man sagt.

Wie geht es weiter? In großen Landesorga­nisationen heißt es, eine Personalde­batte sei kein Thema. „Wenn es der Vorsitzend­en gelingt, einen glaubwürdi­gen Reformproz­ess einzuleite­n, dann kann sie sehr lange Vorsitzend­e bleiben“, sagt Schnabl. Der Nachgeschm­ack ist schal. Denn er sagt auch: „Noch ist die Trendwende aber leider nicht absehbar.“

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