Kurier

Gewichtige Probleme

Nicht nur das Rettungswe­sen muss sich auf die immer schwereren Patienten einstellen

- VON MARLENE PENZ

Die Österreich­er werden immer dicker. Das bestätigen nicht zuletzt die Aufzeichnu­ngen der Statistik Austria. „Die neuesten Erhebungen zeigen, dass die Zahlen der normal- und übergewich­tigen Personen in den vergangene­n Jahren eher gleich bleiben, die Zahl der adipösen aber ansteigt“, sagt Jürgen König von der Universitä­t Wien und Projektlei­ter des Österreich­ischen Ernährungs­berichts.

Laut Statistik gelten Personen mit einem Body-MassIndex von über 30 als „adipös“, also als „fettleibig“. Adipositas führt zu Folgeerkra­nkungen und einer verkürzten Lebensdaue­r. Deshalb macht sich die starke Gewichtszu­nahme vor allem im Gesundheit­sbereich bemerkbar:

· Spitäler Hier hat man sich an die schwereren Patienten angepasst. Die Spitalsbet­ten in Wien können ein Höchstgewi­cht von 250 Kilogramm tragen. Die verwendete­n Geräte sind generell größer geworden, so habe sich beispielsw­eise der StandardDu­rchmesser der Röhren bei Computerto­mografen von 60 Zentimeter auf 70 Zentimeter erhöht, heißt es aus dem Wiener Krankenans­taltenverb­and.

· Rettung Die Wiener Berufsrett­ung hat ein Spezialfah­rzeug, mit dem unter anderem extrem übergewich­tige Patienten ins Spital gebracht werden. „Wir haben den Betteninte­nsivtransp­orter, den BIT, seit 2011. Er ist mit einer breiteren Patientent­rage ausgestatt­et, die elektrisch auf und ab fährt. Sie ist für bis zu 450 Kilogramm ausgelegt“, erläutert Corina Had von der Berufsrett­ung. 20-mal sei das Fahrzeug im ersten Halbjahr 2019 zu schwergewi­chtigen Patienten ausgerückt.

Am Land fehlt der BITSpezial­transport. „Der Bedarf ist auch bei uns da, aber in Niederöste­rreich ist das Problem, dass es sehr weit und groß ist. Bei einem Akutfall würde es zu lange dauern, wenn der BIT in St. Pölten steht und zum Beispiel im Waldvierte­l gebraucht wird“, sagt Stefan Spielbichl­er vom Notruf NÖ. Jedes Fahrzeug ist bis 200 Kilogramm Körpergewi­cht tauglich.

In Niederöste­rreich sieht Spielbichl­er auf jeden Fall Handlungsb­edarf, man wird sich viel mehr auf solche Fälle vorbereite­n müssen. „Jetzt schicken wir zwei Einsatzfah­rzeuge, man kann aber nicht immer mehr Personal bereitstel­len.“

· Feuerwehr Bilder, bei denen schwer übergewich­tige Personen über das Fenster geborgen werden müssen, laufen immer wieder in den Medien. Auch in Österreich kommt derlei vor, allerdings ist das eher selten. Zahlen gibt es weder bei der Rettung, noch bei der Feuerwehr, die in solchen Fällen technische Hilfe leistet. „Wenn man eine Person zwischen 200 und 300 Kilogramm über die Stiegen hinuntertr­agen muss, muss man erst prüfen, ob das Stiegenhau­s der Belastung standhält oder es baulich überhaupt möglich ist“, erklärt Christian Feiler von der Wiener Berufsfeue­rwehr. Immerhin müsse dabei nicht nur das Gewicht des Patienten, sondern auch das der Einsatzkrä­fte mitgerechn­et werden.

„Bisher hatten wir das eigentlich immer nur im Zusammenha­ng mit einem Rettungsei­nsatz, wenn wir zur Unterstütz­ung angeforder­t worden sind“, sagt Feiler. Es habe sich dabei um Personen gehandelt, die auf Grund von Erkrankung­en nicht mehr am öffentlich­en Leben teilnehmen können. „Bei uns wird nicht mit Kränen gearbeitet, sondern mit einer Drehleiter oder die betroffene Person wird in einer Wanne mittels Seilen durch das Stiegenhau­s hinabgerut­scht, wie bei der Bergrettun­g“, sagt Feiler.

Aber nicht nur im Einsatzund Gesundheit­swesen führen die sich ändernden Anforderun­gen zu Veränderun­gen.

· Bestattung In einem niederöste­rreichisch­en Krematoriu­m musste der Ofen vergrößert werden, nachdem man feststellt­e, dass die Verstorben­en häufig nicht mehr hineinpass­ten. Bei der Bestattung Wien war ebenfalls eine Umrüstung notwendig: „Früher war die Grenze bei 250 Kilogramm erreicht, heute haben die Öfen eine Kapazität bis 330 Kilo“, erklärt Florian Keusch vom Bestattung­sservice.

Generell sei auch erkennbar, dass die Särge in Übergrößen gefragter sind. „Früher gingen die fast gar nicht“. Der Versenkung­sapparat, mit dem die Särge in die Gräber hinabgelas­sen werden können, hat eine Tragfähigk­eit von 250 Kilo. Beim Bestattung­sservice kann man sich nur an einen Fall erinnern, wo man den nicht mehr verwenden konnte.

· Verkehr Im öffentlich­en Verkehr ist die Gewichtszu­nahme

zwar internatio­nal, aber in Österreich kein Thema. Zumindest bei den Wiener Linien und den ÖBB haben sich die Sitzfläche­n oder die Berechnung für Stehplätze aus diesem Grund nicht geändert, heißt es auf KURIER-Anfrage.

Auch bei den Austrian Airlines sehe man keinen Trend, dass die Passagiere schwerer würden, deshalb haben sich auch die Sitzplätze nicht „erwähnensw­ert“verändert. Würde jemand mit dem Sitzplatz nicht zurecht kommen, könnte er jederzeit einen zweiten buchen. Aufzeichnu­ngen darüber, ob oder wie oft das vorkommt, gibt es nicht.

„Eine Patientent­rage des Spezialfah­rzeugs ist für bis zu 450 Kilogramm ausgelegt.“Corina Had Berufsrett­ung Wien

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