„Ein Weingut ist ein living process“
Seit 1571 betreibt die Familie Stiegelmar das Weingut Juris in Gols. Die nächste Generation steht bereits in den Startlöchern.
Wir wollen nicht nur gute Weine machen. Wir bemühen uns vielmehr, Weine mit Charakter und Stil auf die Flasche zu ziehen“, sagt Axel Stiegelmar. Vor 24 Jahren ist er nach seinen Lehr- und Wanderjahren, die ihn unter anderem ins kalifornische Nappa Valley geführt haben, in den elterlichen Betrieb zurückgekehrt. Seit nunmehr 19 Jahren leitet er das „Juris“genannte Weingut.
Jahrhundertelange Tradition
Dass sich der Betrieb bereits seit 1571 im Besitz der Familie befindet, sei nie eine Bürde gewesen. „Ich habe das eher immer sportlich gesehen und bemühe mich, ihn weiter zu entwickeln“, sagt der 51jährige.
So hat er beispielsweise das Stammhaus der Familie im Zentrum von Gols, das seine Großeltern in den 1950er Jahren verkauft haben, zurückgekauft. Im Laufe der Jahre kamen zwei weitere Nachbarhäuser dazu. „Wir brauchen schließlich auch Räume für Präsentationen“, sagt Stiegelmar, der das Weingut als „living process“bezeichnet. „Es ist nie fertig. Man könnte immer mehr tun als man gerade macht“, sagt Stiegelmar. Rund 20 Hektar Eigenflächen werden mittlerweile bewirtschaftet, zehn Mitarbeiter beschäftigt. „Der Betrieb ist so groß wie noch nie“, ist Stiegelmar zufrieden. Angebaut werden mittlerweile vor allem Rotweine. „Mein Großvater hat noch zu 80 Prozent Weißwein angebaut und zu 20 Prozent Rotwein. Bei mir ist es gerade umgekehrt“, sagt der Winzer.
Mehr Rot- als Weißwein
Dass sich das Verhältnis gedreht habe, habe sowohl historische als auch klimatische Gründe. „Während der Monarchie kam Rotwein vor allem aus Ungarn, Kroatien und den südlichen Landesteilen. Erst nach deren Ende wurde die Rotweinproduktion in Österreich aufgebaut“, erklärt Stiegelmar. Gleichzeitig sei es wärmer geworden, daher seien auch bei uns spätreife Sorten wie beispielsweise Merlot heimisch geworden. Die wichtigste Sorte sei jedoch der Blauburgunder. „Wir pflegen ihn seit mehr als vier Generationen“, erzählt Stiegelmar. Über 100 Jahre hindurch sei eine Selektion der besten Stöcke vermehrt und veredelt worden, die sich dadurch gut an die sich ändernden klimatischen Bedingungen angepasst hätten. „Sie weisen eine gewisse Frostfestigkeit und eine gewisse Dickschaligkeit auf“, beschreibt der Winzer. In manchen Weingärten würden auch Klone ausgesetzt – „so reagieren wir auf den Klimawandel“. Die Tatsache, dass die Reben mittlerweile zwei bis drei Wochen früher als noch vor 30 oder 40 Jahren gelesen werden, sei jedoch nicht nur auf diesen zurück zu führen. „Wir arbeiten heute anders als früher“, sagt Stiegelmar. Unter anderem würden schattenspendende Blätter von den Reben entfernt, was ebenfalls zu einer früheren Reifung führe.
In Generationen denken
Natürlich habe auch er beim Aussetzen neuer Reben ein Auge auf den Klimawandel. „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir dabei in Zeiträumen von 50, 60 Jahren denken müssen. Was ich heute anpflanze, damit werden noch mein Sohn und vielleicht auch noch meine Enkel arbeiten“, sagt er. So, wie er mit der Auswahl der Reben für künftige Generationen vorsorgt, hat er das auch für den Betrieb getan. Er habe unter sich eine Entscheidungsebene eingezogen und die Kompetenzen klar verteilt und getrennt. Parallel dazu baue er auf familiären
Strukturen auf. „Meine Frau hat den Betrieb, so wie er sich heute darstellt, mit mir aufgebaut und mein ältester Sohn arbeitet ebenfalls bereits mit“, sagt der Vater dreier Kinder. Der Älteste, der nach der Weinbauschule Klosterneuburg derzeit die Ausbildung zum Weinakademiker in Rust sowie ein BWL-Studium absolviert, wird das Weingut auch einmal übernehmen. Die beiden anderen Kinder haben sich hingegen für die Tourismusschule Kleßheim entschieden. „Wir haben uns bemüht, allen drei Kindern auch die schönen Seiten des Berufs zu vermitteln“, sagt Stiegelmar. Dazu gehöre auch die Liebe zu Menschen – „schließlich machen wir den Wein für sie“.