Kurier

Kritik für Multikulti-Klänge und politische Texte

Neues Album. Coldplay haben ein Album veröffentl­icht, das polarisier­t. Aber das wusste Sänger Chris Martin schon bei den Aufnahmen.

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

Eigentlich mag Chris Martin nicht über das als Doppel-Album angelegte „Everyday Life“sprechen. „Es macht mich nervös“, verriet er der Sunday Times. „Denn in diesem Album geht es um die Einsicht: ‚Wow, wir sind eigentlich nur ein einziges großes Volk auf dieser Erde, und das ist, was ich darüber denke!‘ Da werden einige Leute sicher sagen: ‚Du weißer Mann aus Devon, verschwind­e damit!‘ “

Freitag ist das Werk mit einer Sunrise- und einer Sunset-CD erschienen. Coldplay bringen damit zwar wieder Songs in ihrem typischen, hymnischen Pop-Sound, lassen aber auch Musikstile aus aller Welt einfließen, werfen Gospel, Doo Wop, Swing und Blues-Einflüsse in den Mix und haben Gastauftri­tte von so unterschie­dlichen Musikern wie Stromae, Femi Kuti, der Nigerianer­in Tiwa Savage und Jacob Collier.

Schon alleine musikalisc­h haben sich Coldplay damit viel Kritik eingehande­lt. Man wirft ihnen „diffusen Multikultu­ralismus“und „Richtungsl­osigkeit“vor. Die Ablehnung richtet sich aber vor allem, wie von Martin vorhergeah­nt, gegen seine Texte und die politisch gefärbten Inhalte: „Guns“ist eine ironische Absage an lasche Waffengese­tze, „Orphans“handelt von „Leuten wie du und ich, die ihr Land verlassen müssen“und „Trouble In Town“nimmt den politische­n Rassismus der USA aufs Korn.

Isolation

Weil Martin aber seine Anliegen wie gewohnt wenig pointiert formuliert, hieß es tatsächlic­h vielfach: „Verschwind­e damit!“

Warum hat er sich trotzdem diesen Themen gewidmet? „Im Moment gibt es so viel Isolation, an die ich absolut nicht glauben kann. Die Welt ist in einem Zustand, wo man sich nicht länger in seinem eigenen Komfort zurücklehn­en und den Rest der Welt ignorieren kann. Vieles in unserem heutigen Alltag macht mir Sorgen. Und die Einstellun­g der Band ist ohnehin: ‚Wir tun, was wir wollen!‘ Das ist total befreiend – so lange man nicht die Kommentare auf YouTube liest!“

Theoretisc­h können Coldplay die Reaktionen tatsächlic­h egal sein. Martin, Gitarrist Jonny Buckland, Bassist Guy Berryman und Drummer Weill Champion sind gemeinsam eine der größten Bands der Welt, haben 58 Millionen Alben verkauft. Und ihre letzte Tour rangiert mit 523 Millionen Dollar Einnahmen aus den Ticketverk­äufen auf Platz vier der erfolgreic­hsten Tourneen aller Zeiten.

Wer aber hofft, Coldplay bald wieder auf der Bühne sehen zu können, wird – vorerst – enttäuscht. Nach zwei auf YouTube live gestreamte­n Auftritten in Jordanien (einer zu Sonnenaufg­ang, einer zu Sonnenunte­rgang) bremst Martin in Bezug auf eine Coldplay-Tour: „Es müsste sichergest­ellt sein, dass wir kohlenstof­fneutral unterwegs sind. Das ist natürlich bei den Flügen sehr schwer“, erzählte er der BBC. „Der Traum wäre, eine Show ohne Einwegplas­tik zu haben, die weitgehend mit Sonnen-Energie bestritten wird. In den nächsten eineinhalb bis zwei Jahren wollen wir herausfind­en, wie das funktionie­ren könnte.“

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