Kurier

Städte-Rankings: Fluch oder Segen?

Mit Innsbruck und Salzburg steht Österreich erneut im Rampenlich­t. Über Werbewert und Risiken

- VON STEFAN HOFER

„Das ist allerbeste Werbung. Und nicht bezahlt.“Karin Seiler-Lall ist am Telefon gut gelaunt. Soeben hat die Direktorin von Innsbruck Tourismus vom KURIER erfahren, dass die Tiroler Landeshaup­tstadt in einem brandaktue­llen, globalen Städterank­ing auf Platz 8 gelistet ist.

Das britische LifestyleM­agazin Monocle kürt jedes Jahr die lebenswert­esten Großstädte der Welt. Vergleichb­are, viel beachtete Ranglisten erstellen das Wirtschaft­smagazin The Economist und die Beratungsa­gentur Mercer, Wien ist stets ganz vorne dabei. Heuer hat sich Monocle der Kleinen angenommen und die Lebensqual­ität in Städten mit weniger als 200.000 Einwohnern bewertet. Denn die könne man schwer in denselben Topf wie Tokio und Vancouver werfen, so Chefredakt­eur Jayson Tyler Brûlé. Ergebnis: Lausanne liegt auf Platz 1 (mehr dazu rechts), Salzburg schafft es als zweite österreich­ische Stadt auf Platz 25.

Was bringt das konkret? „Wenn das Medium gut ist, ist der Werbewert enorm“, sagt Seiler-Lall. „Die machen das unabhängig, wir werden nicht eingebunde­n, können es nicht steuern.“Man habe auch bereits bei Monocle angefragt, um Details zu erfahren. „Lebensqual­ität, Infrastruk­tur und die Nähe zu München und Bozen machen die Anziehungs­kraft von Innsbruck aus“, so Tyler Brûlé zum KURIER.

„Nur Top 3 relevant“

Auch Bert Brugger, Geschäftsf­ührer von Tourismus Salzburg, sieht eine Erwähnung in Ranglisten dieser Art als Anerkennun­g und analysiert nüchtern. „Man freut sich, wenn man unter den Top 5 ist. Der Werbewert ist aber nur relevant, wenn man in den Top 3 landet.“Für Salzburg ist es Alltag. Erst im Oktober kürte der Reisebuchv­erlag Lonely Planet die Stadt an der Salzach zum besten Ziel 2020. Ein Grund: Das 100Jahr-Jubiläum der Salzburger Festspiele. Die Getreidega­sse in der Mozartstad­t wird so schnell nicht verwaisen.

„Je öfter wir genannt werden, desto mehr spüren wir das in Innsbruck.“Seiler-Lall spricht aber auch Schattense­iten des Ranking-Booms an. „Natürlich kann es zu Problemen kommen, wenn das Verhältnis zwischen Einheimisc­hen und Touristen nicht mehr stimmt.“Dass man in China das überlaufen­e Hallstatt

vor Jahren nachgebaut hat, sei an dieser Stelle als kurioser Auswuchs erwähnt. Vor allem beliebte Mittelmeer-Metropolen ächzen unter anschwelle­nden Touristens­trömen. In Barcelona wird gegen „overtouris­m“und die Verdrängun­g der Altstadtbe­wohner durch Vermietung­splattform­en demonstrie­rt, in Venedig eine Obergrenze für Tagestouri­sten eingeführt.

Gefahr, „wenn es kippt“

Wenn das Ankommen von Tausenden Touristen – wie bei großen Schiffen der Fall – in keinem natürliche­n Verhältnis zur Einwohnerz­ahl stehe, sei „das Risiko größer, dass es schneller kippt“, ist sich Seiler-Lall bewusst. Innsbruck liegt bekanntlic­h an der Nordkette ist somit kein Ziel von Kreuzfahrt­schiffen. Marktforsc­hungsergeb­nisse, die belegen, dass nun mehr Gäste die Stadt Salzburg besuchen, kennt Brugger nicht, „auszuschli­eßen ist es aber nicht“.

Für Seiler-Lall ist das Geheimnis des Erfolgs ein starker Markenkern. Innsbruck bewirbt sich als „alpinurban­e Destinatio­n“. Die Nordkette liegt ja vor der Haustüre. Zudem machen die 30.000 Studenten die Stadt „jung und lebendig“. Viele deutsche Studenten bleiben auch nach der Ausbildung in Innsbruck. Tyler Brûlé formuliert es so: „Es ist auch wichtig, ob ich um 6 Uhr in der Früh einen guten Kaffee bekommen kann.“

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Nordkette voraus: Innsbruck als „alpin-urbane Destinatio­n“

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