Städte-Rankings: Fluch oder Segen?
Mit Innsbruck und Salzburg steht Österreich erneut im Rampenlicht. Über Werbewert und Risiken
„Das ist allerbeste Werbung. Und nicht bezahlt.“Karin Seiler-Lall ist am Telefon gut gelaunt. Soeben hat die Direktorin von Innsbruck Tourismus vom KURIER erfahren, dass die Tiroler Landeshauptstadt in einem brandaktuellen, globalen Städteranking auf Platz 8 gelistet ist.
Das britische LifestyleMagazin Monocle kürt jedes Jahr die lebenswertesten Großstädte der Welt. Vergleichbare, viel beachtete Ranglisten erstellen das Wirtschaftsmagazin The Economist und die Beratungsagentur Mercer, Wien ist stets ganz vorne dabei. Heuer hat sich Monocle der Kleinen angenommen und die Lebensqualität in Städten mit weniger als 200.000 Einwohnern bewertet. Denn die könne man schwer in denselben Topf wie Tokio und Vancouver werfen, so Chefredakteur Jayson Tyler Brûlé. Ergebnis: Lausanne liegt auf Platz 1 (mehr dazu rechts), Salzburg schafft es als zweite österreichische Stadt auf Platz 25.
Was bringt das konkret? „Wenn das Medium gut ist, ist der Werbewert enorm“, sagt Seiler-Lall. „Die machen das unabhängig, wir werden nicht eingebunden, können es nicht steuern.“Man habe auch bereits bei Monocle angefragt, um Details zu erfahren. „Lebensqualität, Infrastruktur und die Nähe zu München und Bozen machen die Anziehungskraft von Innsbruck aus“, so Tyler Brûlé zum KURIER.
„Nur Top 3 relevant“
Auch Bert Brugger, Geschäftsführer von Tourismus Salzburg, sieht eine Erwähnung in Ranglisten dieser Art als Anerkennung und analysiert nüchtern. „Man freut sich, wenn man unter den Top 5 ist. Der Werbewert ist aber nur relevant, wenn man in den Top 3 landet.“Für Salzburg ist es Alltag. Erst im Oktober kürte der Reisebuchverlag Lonely Planet die Stadt an der Salzach zum besten Ziel 2020. Ein Grund: Das 100Jahr-Jubiläum der Salzburger Festspiele. Die Getreidegasse in der Mozartstadt wird so schnell nicht verwaisen.
„Je öfter wir genannt werden, desto mehr spüren wir das in Innsbruck.“Seiler-Lall spricht aber auch Schattenseiten des Ranking-Booms an. „Natürlich kann es zu Problemen kommen, wenn das Verhältnis zwischen Einheimischen und Touristen nicht mehr stimmt.“Dass man in China das überlaufene Hallstatt
vor Jahren nachgebaut hat, sei an dieser Stelle als kurioser Auswuchs erwähnt. Vor allem beliebte Mittelmeer-Metropolen ächzen unter anschwellenden Touristenströmen. In Barcelona wird gegen „overtourism“und die Verdrängung der Altstadtbewohner durch Vermietungsplattformen demonstriert, in Venedig eine Obergrenze für Tagestouristen eingeführt.
Gefahr, „wenn es kippt“
Wenn das Ankommen von Tausenden Touristen – wie bei großen Schiffen der Fall – in keinem natürlichen Verhältnis zur Einwohnerzahl stehe, sei „das Risiko größer, dass es schneller kippt“, ist sich Seiler-Lall bewusst. Innsbruck liegt bekanntlich an der Nordkette ist somit kein Ziel von Kreuzfahrtschiffen. Marktforschungsergebnisse, die belegen, dass nun mehr Gäste die Stadt Salzburg besuchen, kennt Brugger nicht, „auszuschließen ist es aber nicht“.
Für Seiler-Lall ist das Geheimnis des Erfolgs ein starker Markenkern. Innsbruck bewirbt sich als „alpinurbane Destination“. Die Nordkette liegt ja vor der Haustüre. Zudem machen die 30.000 Studenten die Stadt „jung und lebendig“. Viele deutsche Studenten bleiben auch nach der Ausbildung in Innsbruck. Tyler Brûlé formuliert es so: „Es ist auch wichtig, ob ich um 6 Uhr in der Früh einen guten Kaffee bekommen kann.“