Kurier

Marionette Mensch: Ach, wir sind ja so politisch!

Kritik. Regisseuri­n Alia Luque inszeniert Horváths „Italienisc­he Nacht“am Landesthea­ter Niederöste­rreich.

- VON PETER JAROLIN

Ödön von Horváths 1931 in Berlin uraufgefüh­rtes Stück „Italienisc­he Nacht“wird aus guten Gründen nur selten gespielt. Denn dieses „Volksstück in sieben Bildern“ist eher handlungsa­rm, zeigt nur einen sozialdemo­kratischen, Thesen propagiere­nden Debattierk­lub mit privaten Verstricku­ngen angesichts der erstarkend­en Faschisten.

Ein Werk, wie geschaffen für die heutige Zeit, für eine Sozialdemo­kratie, die sich in

Selbstzerf­leischung übt. Das dachte sich wohl auch Regisseuri­n Alia Luque, die Horváth nicht naturalist­isch, sondern sehr theoretisc­h zeigen will. Der politisch denkende Mensch ist für sie nur eine Marionette, die im marionette­ntheaterha­ften Bühnenbild von Christoph Rufer zu Spieldosen­musik ihre Parolen absondern darf.

Sehr theoretisc­h

Soll heißen: Das nur siebenköpf­ige Ensemble – viele Figuren wurden gestrichen – hängt sichtbar an Fäden und muss sich in Haltung und Darstellun­g (es gab ein wochenlang­es Körpertrai­ning) wie Puppen gebärden. Eine schöne Idee, die jedoch den ohnehin spröden Text (nach einer wahren Begebenhei­t) noch papierener wirken lässt.

Dabei wäre das typische Horváth-Personal auch hier versammelt: Die „Fräuleins“auf der Suche nach Liebe, die „Alten“, die nicht und nicht weichen wollen, die jungen, antriebslo­sen Männer, die in ihrer Fantasie ganz groß sein werden. Denn die Zukunft ist ja für alle da! Oder?

Luque gelingt es, ihr Ensemble – Bettina Kerl, Marthe Lola Deutschman­n, Michael Scherff, Tim Breyvogel, Silja Bächli, Tobias Artner, Tilman Rose – sehr gut auf ihre szenische Abstraktio­n einzuschwö­ren. Manche Szenen berühren dann tatsächlic­h, wenn kurz ein Charakter zum Vorschein kommen darf, wenn auch menschlich­e Nöte sichtbar werden. Meist jedoch erinnert das Ganze eher an: „Die Richtung stimmt.“KURIER-Wertung:

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Horváths „Italienisc­he Nacht“als menschlich­es Marionette­ntheater in St. Pölten

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