Marionette Mensch: Ach, wir sind ja so politisch!
Kritik. Regisseurin Alia Luque inszeniert Horváths „Italienische Nacht“am Landestheater Niederösterreich.
Ödön von Horváths 1931 in Berlin uraufgeführtes Stück „Italienische Nacht“wird aus guten Gründen nur selten gespielt. Denn dieses „Volksstück in sieben Bildern“ist eher handlungsarm, zeigt nur einen sozialdemokratischen, Thesen propagierenden Debattierklub mit privaten Verstrickungen angesichts der erstarkenden Faschisten.
Ein Werk, wie geschaffen für die heutige Zeit, für eine Sozialdemokratie, die sich in
Selbstzerfleischung übt. Das dachte sich wohl auch Regisseurin Alia Luque, die Horváth nicht naturalistisch, sondern sehr theoretisch zeigen will. Der politisch denkende Mensch ist für sie nur eine Marionette, die im marionettentheaterhaften Bühnenbild von Christoph Rufer zu Spieldosenmusik ihre Parolen absondern darf.
Sehr theoretisch
Soll heißen: Das nur siebenköpfige Ensemble – viele Figuren wurden gestrichen – hängt sichtbar an Fäden und muss sich in Haltung und Darstellung (es gab ein wochenlanges Körpertraining) wie Puppen gebärden. Eine schöne Idee, die jedoch den ohnehin spröden Text (nach einer wahren Begebenheit) noch papierener wirken lässt.
Dabei wäre das typische Horváth-Personal auch hier versammelt: Die „Fräuleins“auf der Suche nach Liebe, die „Alten“, die nicht und nicht weichen wollen, die jungen, antriebslosen Männer, die in ihrer Fantasie ganz groß sein werden. Denn die Zukunft ist ja für alle da! Oder?
Luque gelingt es, ihr Ensemble – Bettina Kerl, Marthe Lola Deutschmann, Michael Scherff, Tim Breyvogel, Silja Bächli, Tobias Artner, Tilman Rose – sehr gut auf ihre szenische Abstraktion einzuschwören. Manche Szenen berühren dann tatsächlich, wenn kurz ein Charakter zum Vorschein kommen darf, wenn auch menschliche Nöte sichtbar werden. Meist jedoch erinnert das Ganze eher an: „Die Richtung stimmt.“KURIER-Wertung: