Denkmäler für die Ungewollten
Kunsthalle Krems. Adrian Paci und Teresa Margolles finden in Randzonen der Gesellschaft wirkmächtige Bilder.
Eine Kolonne von Menschen stellt sich vor einer Gangway an, die in der sengenden Sonne auf dem Rollfeld eines Flughafens geparkt ist. Die Leute steigen die Stufen empor, die Kamera hält aus kurzer Distanz auf ihre faltigen, stoppeligen Gesichter. Viele lassen lateinamerikanische oder afrikanische Herkunft vermuten. Flugzeuge starten und landen. Keines fährt an die Gangway heran.
Das Video, das im Ausstellungsraum in Dauerschleife läuft, heißt „Centro di permanenza temporanea“: Der italienische Begriff für „Auffanglager“enthält selbst schon den Widerspruch einer zeitlich begrenzten Dauerhaftigkeit. Das Werk entstand 2007, lange vor den Fluchtdebatten der Gegenwart, doch es wirkt topaktuell. In der Kunsthalle Krems ist es bis 23. Februar das Herzstück einer Werkschau des 1969 geborenen Künstlers Adrian Paci, der selbst in den 1990er Jahren aus Albanien nach Italien emigrierte.
Wenn Kunst nah an politischer Aktualität und persönlicher Betroffenheit gebaut ist, kann ihr das zum Nachteil gereichen, weil die Dringlichkeit oft verpufft. Paci scheint sich der Gefahren einer journalistischen oder sentimentalen Herangehensweise bewusst zu sein: Seine Bilder streben nach zeitloser formaler Strenge und einem Rhythmus, der an archaische Rituale oder an antikes Theater erinnert.
Derlei Erhabenheit trifft dann auf harte Realität: Im Video „Prova“, das zum Auftakt der Schau zu sehen ist, stehen Männer vor Lautsprechern in einem Pavillon. Die Arbeitssuchenden aus Pacis Heimatort Shkodra könnten Parolen ins Mikro schreien, bringen aber nur „Prova“(„Sprechprobe“) hervor.
Leere Zeremonien
Für das Video „Vajtoijca“(2002) ließ Paci sich selbst von einem bezahlten Klageweib besingen. Für „Interregnum“(2017) montierte er Aufnahmen von Menschenschlangen, die kommunistische Führer betrauern.
Das Motiv der Prozession begegnet immer wieder, bis hin zu den Migranten auf der Gangway: Derlei Rituale stiften oft ein Gefühl von Gemeinschaft, in der „Lost Communities“
betitelten Schau führen sie in eine Sackgasse.
Kombiniert ist die eindrucksvolle Schau – die allerdings ruhig noch mehr Material vertragen hätte – mit der
Einzelpräsentation einer Künstlerin, die ebenfalls marginalisierte Gemeinschaften im Blick hat: Teresa Margolles beschäftigt sich seit langem mit den Frauenmorden in der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez, von denen auch transsexuelle Prostituierte in hohem Ausmaß betroffen sind.
In Krems gibt Margolles den Mitgliedern dieser Gemeinschaft eine Bühne – mit einem Video, einem Gedenkraum für die 2015 ermordete Prostituierte „Karla“, besonders aber mit einer Fotoserie, auf der sich die TransgenderFrauen auf einer Abriss-Brache mitten in der Stadt präsentieren. Die Fliesenböden, auf denen sie stehen, sollen laut Bildunterschrift Tanzböden ehemaliger Nachtclubs sein. Egal ob das stimmt oder nicht, die Botschaft ist klar: Hier wurden und werden Menschen „weggeräumt“. Die Kunst kann dafür sorgen, dass sie sichtbar bleiben.