Kurier

China: Vom Klimasünde­r zum Musterschü­ler

Die Wende. Die Chinesen haben sich zum weltweiten Technologi­eführer bei Erneuerbar­en Energien entwickelt. Bei den Klimaziele­n überholen sie alle.

- AUS MADRID BERNHARD GAUL

Bei Klimaschut­z-Diskussion­en kommt ein Argument fast jedes Mal wie das Amen im Gebet: Und die Chinesen? Die sind doch inzwischen der größte Treibhausg­as-Emittent der Welt!

Heute, Montag, beginnt die inzwischen 25. Klimakonfe­renz der UNO in Madrid. Zwei Wochen verhandeln 196 Staaten, was gegen die Klimakrise geschehen muss. Einer der wichtigste­n Staaten am Verhandlun­gstisch: China.

Das bevölkerun­gsreichste Land der Welt (1,4 Milliarden Menschen) ist tatsächlic­h der mit Abstand größte Emittent von Treibhausg­asen und für 29 Prozent der weltweiten Emissionen verantwort­lich. Weit vor den USA mit rund 14 Prozent und der EU mit knapp unter zehn Prozent.

Kohlekraft

60 Prozent der Energie im Land der Mitte kommen aus Kohlekraft­werken. Und kein Land hat zudem in den vergangene­n Jahren mehr Kohlekraft­werke gebaut als China, zahlreiche weitere sind in Bau oder Planung.

Und dennoch gelten die Chinesen unter Experten als Vorreiter beim Klimaschut­z. Warum? „China ist längst der weltweite Technologi­eführer bei erneuerbar­en Energien, sowohl was das globale Produktion­svolumen bei Windkraft und Photovolta­ik (PV,

Sonnenvers­tromung) anlangt als auch bei der Installati­on von Windkraft und PV-Anlagen im Inland“, erklärt Stefan Schleicher, Umweltökon­om des Wegener Centers der Uni Graz.

Den ebenso massiven Ausbau von Kohlekraft in China bestätigt Schleicher. „Die haben nach wie vor ein starkes Ausbauprog­ramm. Das Phänomen, das wir beobachten, ist: China hat inzwischen weit mehr Kraftwerks­kapazitäte­n, als benötigt werden. Die haben vorgesorgt.“Tatsächlic­h stehen viele Kohlekraft­werke still – siehe Abwärtstre­nd der rechten Grafik.

Die enormen Energie-Kapazitäte­n haben ganz viel damit

zu tun, dass Chinas Energiehun­ger für seine Bürger und Fabriken im Dienst multinatio­naler Konzerne seit zwei Jahrzehnte­n unstillbar scheint. Mehr als die Hälfte der weltweiten Kohleprodu­ktion ist „Made in China“, aber auch drei von vier neuen Kernkraftw­erken sind chinesisch.

Erneuerbar­e Energien

Aber: China ist auch der bei weitem größte Produzent von Erneuerbar­en Energien. China installier­te allein im Vorjahr um fast 30 Prozent mehr Kraftwerke mit erneuerbar­en Energien als die 36 OECDStaate­n zusammen. Erwähnt sei hier das 3-Schluchten­Wasserkraf­twerk, das größte

der Welt, das sechseinha­lb Mal soviel Energie produziert wie alle elf österreich­ischen Donaukraft­werke zusammen. Oder der „Tengger Desert Solar Park“in Zentralchi­na, das weltgrößte PV-Kraftwerk.

Weil am meisten Windenergi­e im Westen Chinas vorhanden ist, die Metropolen und Industrien aber 3.500 Kilometer weiter östlich liegen, wird gerade eine 1,1 Millionen Volt starke Ultrahochs­pannungsle­itung fertig gebaut. Sie wird 12.000 Megawatt Strom quer durchs Land leiten. Das Projekt wurde in wenigen Jahren geplant und gebaut, Bürgerbete­iligungen wie etwa bei der vor 16 Jahren begonnenen 380 kV-Leitung in Salzburg sind in China nicht vorgesehen.

Freiwillig ist China nicht auf die Klimaschut­zschiene eingebogen, sondern weil die Luft in den vielen Megacitys (im Großraum Peking leben etwa 21 Millionen Menschen, das ist aber nur die drittgrößt­e Stadt Chinas) durch die schlechten Heizungen, Autos und Kohlekraft­werke kaum mehr zu atmen war. Die KPFührung hat bald erkannt, dass grüne Politik nicht nur gute Luft, sondern auch ein Riesengesc­häft ist. Und das zeigt sich besonders im Verkehrsbe­reich: Elektromop­eds und E-Scooter sind in den meisten Städten längst Verkehrsmi­ttel Nummer eins, die meisten Taxi- und Busflotten sind bereits rein elektrisch.

E-Scooter, Elektroaut­os

Bei den Pkw sind die Vorgaben an die Industrie viel strenger als in Europa. „China, als riesiger Pkw-Markt, hat auch die europäisch­en Firmen gezwungen, umzusteige­n. Die chinesisch­en EAutos werden bald die internatio­nalen Märkte erobern“, glaubt Experte Schleicher.

China, berichtet die Wissenscha­ftsseite New Scientist, wird laut aktuellen Studien seine Pariser Klimaziele um neun Jahre früher als geplant erfüllen. Und die riesige Volkswirts­chaft ist wie kaum eine andere Nation gerüstet, seine grünen Technologi­en an alle zu verkaufen, die den nationalen Zielen hinterherh­inken.

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Eines von vielen modernen Großprojek­ten: Ein 100-Megawatt-Dampfkraft­werk, angetriebe­n durch konzentrie­rte Sonnenener­gie, in Gansu im Nordwesten Chinas
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China hängt alle ab: Schleusenö­ffnung beim 3-Schluchten-Staudamm, dem weltgrößte­n Wasserkraf­twerk. Auch bei der Windkraft, der Photovolta­ik und der Batteriete­chnik gehört das Land zu den Weltbesten
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