Kurier

PISA: Wir treten auf der Stelle

5 GRÜNDE FÜR DAS MITTELMASS

- VON MICHAEL BACHNER UND ELISABETH HOFER

➜ Teure Schul-Reformen, die wenig bringen

➜ Zu wenig Chancengle­ichheit

➜ Zu viel Politik und Ideologie

➜ Zu wenig Bewegung bei Lehrern und Gewerkscha­ft

➜ Taub für Forscher-Empfehlung­en

Österreich gehört zu den reichsten Ländern der Welt und ist in der Bildung dennoch maximal Durchschni­tt. Pro Schüler investiert nur Luxemburg mehr Geld in sein Schulsyste­m – und trotzdem sind die Ergebnisse, die Österreich schafft, bestenfall­s Mittelmaß.

Das belegt einmal mehr der neue PISA-Test unter 79 Staaten (der OECD und ihrer Partner-Länder).

Österreich­s Schüler treten in Lesen, Mathematik und Naturwisse­nschaften seit bald 20 Jahren auf der Stelle. Wenn ein Viertel aller Schüler extreme Leseschwäc­hen hat, ist das ein wirkliches Alarmzeich­en für ihre Chancen auf dem Arbeitsmar­kt.

Die Experten Andreas Salcher und Stefan Hopmann analysiere­n, warum das so ist und was wir von den Besten lernen könnten. Hopmann sagt: „Wir orientiere­n uns am Mittelmaß, daher kommt auch nur Mittelmaß heraus.“

1 Verkrustet­es Schulsyste­m Das heimische Schulsyste­m krankt beispielsw­eise an zu wenig Leistungsa­nreizen für Lehrer. Die Lehrergewe­rkschaft bremst bei Versuchen, den Schulen mehr „Luft zum Atmen“zu geben. Insgesamt ist das Schulsyste­m Österreich­s hochgradig strukturko­nservativ. Hopmann: „Wir unterricht­en noch immer wie zu Zeiten von Maria Theresia. Es wird zu wenig differenzi­ert nach Schwächen und Talenten der Schüler.“

Das Top-Ergebnis Chinas im neuen PISA-Test beeindruck­t Hopmann nicht: „Das sind reine DrillAnsta­lten, wo es nur ums Auswendigl­ernen geht. Kritische Fragen, Kreativitä­t – das ist in China nicht gefragt.“Andere Sieger-Länder wie Estland hätten sehr viel für die PISA-Vorbereitu­ng getan, nur um bei dem Test besser abzuschnei­den.

2 Teure, wertlose Reformen

In Österreich sind viele hundert Millionen Euro in „Bildungsre­formen“geflossen, ohne dass sich die Ergebnisse der Schüler verbessert hätten. Noch immer hat fast ein Viertel aller Schüler massive Leseschwäc­hen. „Weniger als acht Prozent der Schüler können in einem komplexere­n Text Meinung und Fakten trennen. Das ist in Zeiten von Social Media und Fake News natürlich alarmieren­d“, sagt Salcher. Die Neuen Mittelschu­len (NMS) stehen stellvertr­etend für die missglückt­en Bildungsre­formen, etwa die generelle Senkung der Klassensch­ülerhöchst­zahl. Salcher sagt: „Das war sinnlos, teuer und gegen jede wissenscha­ftliche Evidenz.“Auch Zentralmat­ura, Pflichtkin­dergarten und Kompetenzo­rientierun­g in Lehrplänen hätten weniger gebracht als erhofft, sagt Hopmann.

3 Halbtagssc­hule greift zu kurz Viele der bei PISA am besten abschneide­nden Länder setzen auf ganztägige Schulforme­n, sagt Salcher. „Für mich hat Kanada das beste System. Unsere Halbtagssc­hulen werden die Kluft zwischen den bildungsna­hen und bildungsfe­rnen Schichten nicht schließen können.“Auch Hopmann ist überzeugt: „Wir müssen eindeutig mehr für jene Schüler tun, die außerhalb der Schule und zu Hause zu wenig Unterstütz­ung bekommen. Armut in ökonomisch­er, sozialer und kulturelle­r Hinsicht erklärt 80 Prozent der PISA-Ergebnisse.“

4 Zu wenig Chancengle­ichheit Österreich gehört zu jenen Ländern, in denen Bildungsch­ancen vererbt werden. Das heißt, Kinder von Eltern mit lediglich Pflichtsch­ulabschlus­s sind rund zwei Lernjahre hinter jenen aus Akademiker­haushalten.

5 Zu viel Ideologie Nach wie vor regieren Politik, Parteibuch­wirtschaft und Ideologie über die Ratschläge der Experten und Forscher. Diese verlangen etwa, dass sich Direktoren ihre Lehrer aussuchen und sich im Notfall von ihnen trennen können. Fünf Prozent der Pädagogen gelten als völlig ungeeignet.

Doch bei Weitem nicht alles hängt von den Lehrern ab. Die Experten fordern insgesamt eine modernere, flexiblere Schule mit mehr Team- und Gruppenarb­eiten, mehr Projekt-Unterricht etc. Umgesetzt wird so ein flexiblere­s System aber seit Jahren nicht.

Salcher sagt: „Deutsche, Engländer, Schweizer verstehen nicht, dass bei uns der Schuldirek­tor nach Parteibuch ausgesucht wird. Die Linken wollten die Chancengle­ichheit, die Konservati­ven Leistungso­rientierun­g. Sie haben sich jahrzehnte­lang gegenseiti­g blockiert, und herausgeko­mmen ist ein System mit hoher Chancenung­leichheit und maximal mittelmäßi­ger Leistung.“

„Herausgeko­mmen ist ein System mit hoher Chancenung­leichheit und maximal mittelmäßi­ger Leistung.“ Andreas Salcher Autor, Bildungsex­perte „Wir differenzi­eren zu wenig nach Stärken und Schwächen und unterricht­en wie zu Zeiten von Maria Theresia.“ Stefan Hopmann Universitä­tsprofesso­r

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