Das Handy gegen Einsamkeit im Alter
Smartphone. Das Erlernen von Technologie erfordert Geduld und Rücksicht auf allen Seiten
Die Weihnachtszeit mit der Familie verbringen bedeutet neben all der schönen Zeit für viele auch, den Eltern und Großeltern das neue Smartphone zu erklären und alle Updates der vergangenen 12 Monate zu installieren. Das ist auf beiden Seiten oft mit Frust und Unverständnis verbunden. Während ältere Menschen oft glauben, sie hätten mit der modernen digitalen Technologie nichts mehr zu tun, haben Junge oft die Erwartungshaltung, dass jeder ein Grundverständnis für Smartphones und Computer mitbringt. „Jüngere Generationen erwarten von älteren Menschen oft, dass sie Dinge schon können. Dabei sind die meisten mit dem Wissen aufgewachsen, dass Technologien etwas Besonderes sind, auf das man aufpassen muss. Für uns ist das so normal, dass wir manchmal vergessen, dass unser Smartphone überhaupt da ist“, erklärt Vera Gallistl, Altersforscherin an der Universität Wien und Mitglied der österreichischen Gesellschaft für Gerontologie gegenüber dem KURIER. So prallen zwei Welten aufeinander, die auch von einem unterschiedlichen Vokabular getrennt werden. Die technischen Geräte, mit denen heute über 65-Jährige aufwuchsen, hatten Knöpfe, keine Buttons, waren Geräte und keine Devices, hatten einen Bildschirm und kein Display. Das bildet im Gespräch schon die erste Hürde. Auch, weil nicht alle Aspekte eines Smartphones für Oma und Opa so relevant sind, wie für ihre Enkel. Nur weil man viele Dinge machen kann, heißt das nicht, dass man sie alle machen muss. „Nach dem Berufsleben lernen wir nicht wie in der Schule oder dem Beruf, sondern selbstbestimmt. Daher sollte der Ausgangspunkt des Lernens im Alter immer ein Alltagsproblem der älteren Menschen sein und nicht eines, das jüngere konstruieren. Im Idealfall überschneiden sich aber die Bedürfnisse“, sagt Gallistl.
Soziale Integration
So eine Überschneidung sind Dienste wie WhatsApp. Sie verbessern die Kommunikation mit der Familie und Freunden, insbesondere wenn die Menschen nicht mehr so mobil sind. Damit werde das Selbstbewusstsein gestärkt, während zeitgleich das Depressionsrisiko sinkt, sagt die Soziologin. Denn eine Depression werde durch
Einsamkeit gefördert. Findet aber ein reger Austausch auch über soziale Netze statt, wird das Freizeitverhalten stärker. Das zeigen auch Ergebnisse einer international vergleichenden Studie, die Gallistl zur Internetnutzung von Menschen über 60 durchführte: „Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden sind höher, wenn Pensionisten das Internet nutzen.“Karin Niederhofer, Leiterin des Seniorencolleg Wien, bestätigt das. Trotzdem berichtet sie aus ihrer langjährigen Erfahrung: „Viele Familienmitglieder sagen den Großeltern, sie seien zu alt für neue Technologien. Das verunsichert die Menschen.“Sie besuchen dann heimlich einen Smartphone-Kurs, weil ihnen nicht zugetraut wird, die neue Technik meistern zu können. Mit dem Festnetztelefon
erreichen sie aber immer seltener Menschen, weiß Niederhofer. „Sie wollen nicht aus der Familie ausgeschlossen werden. Über WhatsApp erleben sie alles mit, was sie sonst verpassen würden.“In den Kursen erklären ausgebildete Lehrkräfte die Vorgänge immer und immer wieder. Kindern und Enkelkindern fehlt dafür häufig die Geduld. „Mit digitaler Exklusion gehen auch Scham und Unwohlsein einher. Man muss verstehen, dass es nicht zwingend der Fehler der Großeltern ist, wenn sie etwas nicht verstehen“, sagt Gallistl. Die Erklärungen gehen häufig zu schnell. Daher hält es Niederhofer für wichtig, alles von den Lernenden selbst ausführen zu lassen – auch wenn es manchmal schwerfällt, das Handy nicht einfach selbst in die Hand zu nehmen: „Dann verstehen die Leute aber nicht, warum etwas passiert ist und können es später nicht nachmachen“. In ihren Kursen schöpft sie aus bereits vorhandenem Wissen, etwa mit einem alten Handy. Einige Dinge, wie Menüführungen oder das Schreiben von Textnachrichten können auf die Bedienung des neuen Geräts übertragen werden.
Gemeinsame Zeit
Das braucht vor allem Zeit und dafür gibt es ausgebildete Lehrkräfte. „Viele Kursteilnehmer klagen, dass sie sich so wenig mit den Familienmitgliedern unterhalten. Dann stellt sich heraus, dass sie die ganzen Stunden mit Problemlösungen am Smartphone verbracht haben, anstatt gemeinsam einen Kaffee zu trinken“, weiß Niederhofer. Sie rät, in solchen Fällen ein fixes Zeitlimit zu vereinbaren. So kann man sich eine halbe Stunde um das Smartphone kümmern und die restliche Zeit zusammen verbringen.