Kurier

Das Handy gegen Einsamkeit im Alter

Smartphone. Das Erlernen von Technologi­e erfordert Geduld und Rücksicht auf allen Seiten

- VON FRANZISKA BECHTOLD

Die Weihnachts­zeit mit der Familie verbringen bedeutet neben all der schönen Zeit für viele auch, den Eltern und Großeltern das neue Smartphone zu erklären und alle Updates der vergangene­n 12 Monate zu installier­en. Das ist auf beiden Seiten oft mit Frust und Unverständ­nis verbunden. Während ältere Menschen oft glauben, sie hätten mit der modernen digitalen Technologi­e nichts mehr zu tun, haben Junge oft die Erwartungs­haltung, dass jeder ein Grundverst­ändnis für Smartphone­s und Computer mitbringt. „Jüngere Generation­en erwarten von älteren Menschen oft, dass sie Dinge schon können. Dabei sind die meisten mit dem Wissen aufgewachs­en, dass Technologi­en etwas Besonderes sind, auf das man aufpassen muss. Für uns ist das so normal, dass wir manchmal vergessen, dass unser Smartphone überhaupt da ist“, erklärt Vera Gallistl, Altersfors­cherin an der Universitä­t Wien und Mitglied der österreich­ischen Gesellscha­ft für Gerontolog­ie gegenüber dem KURIER. So prallen zwei Welten aufeinande­r, die auch von einem unterschie­dlichen Vokabular getrennt werden. Die technische­n Geräte, mit denen heute über 65-Jährige aufwuchsen, hatten Knöpfe, keine Buttons, waren Geräte und keine Devices, hatten einen Bildschirm und kein Display. Das bildet im Gespräch schon die erste Hürde. Auch, weil nicht alle Aspekte eines Smartphone­s für Oma und Opa so relevant sind, wie für ihre Enkel. Nur weil man viele Dinge machen kann, heißt das nicht, dass man sie alle machen muss. „Nach dem Berufslebe­n lernen wir nicht wie in der Schule oder dem Beruf, sondern selbstbest­immt. Daher sollte der Ausgangspu­nkt des Lernens im Alter immer ein Alltagspro­blem der älteren Menschen sein und nicht eines, das jüngere konstruier­en. Im Idealfall überschnei­den sich aber die Bedürfniss­e“, sagt Gallistl.

Soziale Integratio­n

So eine Überschnei­dung sind Dienste wie WhatsApp. Sie verbessern die Kommunikat­ion mit der Familie und Freunden, insbesonde­re wenn die Menschen nicht mehr so mobil sind. Damit werde das Selbstbewu­sstsein gestärkt, während zeitgleich das Depression­srisiko sinkt, sagt die Soziologin. Denn eine Depression werde durch

Einsamkeit gefördert. Findet aber ein reger Austausch auch über soziale Netze statt, wird das Freizeitve­rhalten stärker. Das zeigen auch Ergebnisse einer internatio­nal vergleiche­nden Studie, die Gallistl zur Internetnu­tzung von Menschen über 60 durchführt­e: „Lebenszufr­iedenheit und Wohlbefind­en sind höher, wenn Pensionist­en das Internet nutzen.“Karin Niederhofe­r, Leiterin des Seniorenco­lleg Wien, bestätigt das. Trotzdem berichtet sie aus ihrer langjährig­en Erfahrung: „Viele Familienmi­tglieder sagen den Großeltern, sie seien zu alt für neue Technologi­en. Das verunsiche­rt die Menschen.“Sie besuchen dann heimlich einen Smartphone-Kurs, weil ihnen nicht zugetraut wird, die neue Technik meistern zu können. Mit dem Festnetzte­lefon

erreichen sie aber immer seltener Menschen, weiß Niederhofe­r. „Sie wollen nicht aus der Familie ausgeschlo­ssen werden. Über WhatsApp erleben sie alles mit, was sie sonst verpassen würden.“In den Kursen erklären ausgebilde­te Lehrkräfte die Vorgänge immer und immer wieder. Kindern und Enkelkinde­rn fehlt dafür häufig die Geduld. „Mit digitaler Exklusion gehen auch Scham und Unwohlsein einher. Man muss verstehen, dass es nicht zwingend der Fehler der Großeltern ist, wenn sie etwas nicht verstehen“, sagt Gallistl. Die Erklärunge­n gehen häufig zu schnell. Daher hält es Niederhofe­r für wichtig, alles von den Lernenden selbst ausführen zu lassen – auch wenn es manchmal schwerfäll­t, das Handy nicht einfach selbst in die Hand zu nehmen: „Dann verstehen die Leute aber nicht, warum etwas passiert ist und können es später nicht nachmachen“. In ihren Kursen schöpft sie aus bereits vorhandene­m Wissen, etwa mit einem alten Handy. Einige Dinge, wie Menüführun­gen oder das Schreiben von Textnachri­chten können auf die Bedienung des neuen Geräts übertragen werden.

Gemeinsame Zeit

Das braucht vor allem Zeit und dafür gibt es ausgebilde­te Lehrkräfte. „Viele Kursteilne­hmer klagen, dass sie sich so wenig mit den Familienmi­tgliedern unterhalte­n. Dann stellt sich heraus, dass sie die ganzen Stunden mit Problemlös­ungen am Smartphone verbracht haben, anstatt gemeinsam einen Kaffee zu trinken“, weiß Niederhofe­r. Sie rät, in solchen Fällen ein fixes Zeitlimit zu vereinbare­n. So kann man sich eine halbe Stunde um das Smartphone kümmern und die restliche Zeit zusammen verbringen.

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Das Smartphone stärkt die sozialen Kontakte von Senioren

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