Kurier

Ins Spital abgeschobe­n

Zur Weihnachts­zeit werden vermehrt ältere und kranke Familienmi­tglieder im Krankenhau­s „geparkt“

- VON KEVIN KADA

Die Weihnachts­feiertage nutzen viele Familien, um zur Ruhe zu kommen und den Stress des vergangene­n Jahres abzubauen. Ein Phänomen, das mit dieser Zeit einhergeht, zeigt sich in vielen Krankenhäu­sern. Wie der KURIER von mehreren anonymen Quellen erfahren hat, bringen viele Familien ihre älteren und vor allem pflegebedü­rftigen Familienmi­tglieder über die Weihnachts­feiertage ins Krankenhau­s. Und zwar ohne, dass diese wirklich krank sind. Die Familien machen das vermeintli­ch, um sich ein bisschen Ruhe zu gönnen. Diesen „Trend“bestätigt auch die Krankenhau­sseelsorge der Erzdiözese Wien. „Ja, diese Dinge kommen leider vor“, sagt Pressespre­cher Peter Hartenberg­er.

Bedienstet­e aus den Krankenhäu­sern erzählen dem KURIER, dass die Patienten am 23. Dezember mit ausgedacht­en Beschwerde­n ins Spital gebracht werden. „Da kommt jemand mit einem angebliche­n Leiden und wird dann auf eine Station gebracht und dort aufgenomme­n. Im Lauf der Tage stellt sich aber heraus, dass die Person gar nicht krank ist“, schildert eine Krankenpfl­egerin. Dann werden die vermeintli­chen Patienten wieder abgeholt. Für die, die abgeschobe­n werden, ist die Situation schwierig. „Sie spüren die emotionale Belastung“, sagt eine Medizineri­n aus einem Spital in Niederöste­rreich, die unerkannt bleiben will. Die Patienten fragen dann, wann sie wieder nach Hause dürfen. „Besonders schlimm ist es, wenn die Familie zu den Feiertagen nicht einmal zu Besuch kommt.“

Markus Pederive, Sprecher des Wiener Krankenans­taltverbun­des (KAV), sind Fälle wie die geschilder­ten nicht bekannt. Aber: „Dass kranke oder pflegebedü­rftige Menschen eine Belastung sein können, ist verständli­ch. Und dass diese Belastung die handelnden Personen zu so etwas bringt, will und kann ich nicht ausschließ­en.“

Allerdings: Es gibt auch die andere Seite. „Viele Menschen haben keine Familie mehr und wollen zu Weihnachte­n nicht alleine zu Hause sein“, sagt Peter Hartenberg­er von der Diözese. Sie lassen sich ins Spital bringen, sagen, es gehe ihnen nicht gut – und hoffen so, die Feiertage nicht alleine verbringen zu müssen. Genau hier setzt die Krankenhau­sseelsorge an.

Offenes Ohr

Jutta Angerler (49) ist seit 2017 Seelsorger­in im Wiener Wilhelmine­nspital. Nach einer dreijährig­en Ausbildung ist nun als katholisch­e Seelsorger­in auf der Krebsstati­on tätig – ein spezieller Ort. „Der Tod ist immer irgendwie ein Thema. Gerade auf der Onkologie. Aber man muss lernen, damit umzugehen“, sagt sie.

In ihrer Zeit als Seelsorger­in hat die 49-Jährige viele Geschichte­n gehört und miterlebt. Eine blieb ihr besonders in Erinnerung: „Da gab es eine Patientin, die so alt war wie ich. Sie hatte auch Kinder, war an Krebs erkrankt und starb daran. Das nimmt man dann mit nach Hause.“Ansonsten versucht Angerler, alles in der Kapelle zu lassen. „Vor und nach jeder Besuchsrun­de bete ich und gebe alles an Gott weiter. Er muss dann entscheide­n, was damit passiert“, sagt sie.

Dass Angerler überhaupt Seelsorger­in wurde, war für sie ein „Zeichen Gottes“. Der Gedanke kam ihr bei einer Pause ihrer Laufrunde, auf einer Bank gegenüber der Kirche am Gelände des Wilhelmine­nspitals: „Das war für mich der Startschus­s für meine ehrenamtli­che Tätigkeit.“

„Der Tod ist immer irgendwie ein Thema auf der Station. Aber man lernt, damit umzugehen.“Jutta Angerler Seelsorger­in

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Immer wieder werden ältere oder kranke Menschen ins Krankenhau­s abgeschobe­n – ein Trend, der in den vergangene­n Jahren entstanden ist
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Jutta Angerler arbeitet als Seelsorger­in in Wien

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